Möbeltrends: Welle und Brandung

Für draußen: B & B Italia etwa mit „Erica“ von Antonio Citterio (l.). Der französische Hersteller Harto gönnte dem Sessel „Georges“ eine Expansion zum Dreisitzer-Sofa (r.o.). Riva 1920 zeigte „Earth“ (r.u.).
Für draußen: B & B Italia etwa mit „Erica“ von Antonio Citterio (l.). Der französische Hersteller Harto gönnte dem Sessel „Georges“ eine Expansion zum Dreisitzer-Sofa (r.o.). Riva 1920 zeigte „Earth“ (r.u.).(c) Beigestellt
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In Köln zeigt die Möbelbranche traditionell, was sie im neuen Jahr vorhat: ein Messe-Nachbericht.

Alles eine Frage des Timings. Möbel auf den Markt bringen ist irgendwie auch wie Wellenreiten. Die Frage ist: Wann ist der beste Zeitpunkt, „jetzt“ zu rufen? In der Möbelbranche bäumen sich die Trends auf, zuerst recht sanft, dann wird es steiler, dann wird es Zeit, sich zwischen „jetzt“ oder „nie“ zu entscheiden, dann kommt die nächste Messe, an die die neuen Entwürfe branden. Man kann sich aber natürlich als Möbelhersteller aus dem Ganzen auch raushalten und einfach sagen, Trends und Moden gehen unsere zeitlosen Formen schon gar nichts an – aber selbst das wäre ja fast schon so etwas wie ein Trend. Jedenfalls: Da viele ohnehin nicht wissen, woran sie sich halten sollen, halten sie sich gern an die Wellen, die kommen, egal, ob man mitschwimmt oder nicht.

„Nonoto“, die Stuhl­familie von Zeitraum, bekommt große Brüder: Bar­hocker von Läufer+Keichel (l.). Jaime Hayon entwarf den „Catch“-Lounge Chair für den dänischen Hersteller &Tradition (r.).
„Nonoto“, die Stuhl­familie von Zeitraum, bekommt große Brüder: Bar­hocker von Läufer+Keichel (l.). Jaime Hayon entwarf den „Catch“-Lounge Chair für den dänischen Hersteller &Tradition (r.).(c) Beigestellt

Zwanglos. Die Zeiten sind schwierig. Ja, da nicken die CEOs der Möbelhersteller einträchtig. So viel verändert sich, da gilt es, sich selbst formal-gestalterisch ein wenig zurückzunehmen. Das Ideen-Freispiel hat auf der IMM Cologne, der ersten großen Möbelmesse des Jahres, eigentlich eh nur der, der eingeladen wird, sich von allen Zwängen zu befreien: der Gestalter der jährlichen Installation „Das Haus“. Dort treten die Designer an, um zu zeigen, wie Wohnen und Einrichten in Zukunft funktionieren könnte. In denselben Messehallen, in denen die großen Möbelhersteller ihre Produkte zeigen – und trotzdem konzeptiv so weit weg von allem, was so auf dem Deutzer Messegelände herumsteht. Große Namen waren stets unter den „Haus“-Designern, manchmal auch welche, die kurz danach erst groß wurden, wie Luca Nichetto. Diesmal war es der New Yorker Todd Bracher, der das „Haus“ konzipierte. Und gleich ein Geständnis ablegte, das zunächst gar nicht in diese Möbelwelt passen wollte: „Ich suche das Echte.“

Der Hersteller Piure tönt auch das Glas: „Mesh“, entworfen vom Berliner Werner Aisslinger (l.). Für Classicon reduzierte Konstantin Grcic die Typologie Daybed auf Liege: „Ulisse“ (r.).
Der Hersteller Piure tönt auch das Glas: „Mesh“, entworfen vom Berliner Werner Aisslinger (l.). Für Classicon reduzierte Konstantin Grcic die Typologie Daybed auf Liege: „Ulisse“ (r.).(c) Beigestellt

Hausgebrauch. Deshalb staffierte er „das Haus“ auch mit allerhand realen Bezügen aus. Die Regale wurden zu Schaukästen des wahren Lebens, denn vor lauter Virtualität im Alltag soll das Wohnen zumindest noch echt bleiben. Und während auf den Messeständen alles brav in den Konventionen und Marktgepflogenheiten verharrt, tanzen die Vorstellungen Brachers so richtig aus der Reihe: Man lebt in Zonen, nicht in Raumlayouts, die uns die Wohnbauträger seit jeher diktieren. Ein Bereich widmet sich dem Lernen und dem Essen, ein anderer der Ruhe und der Tagträumerei – unter einem riesigen artifiziellen Mond. Und da wären noch die paar Quadratmeter, die für die Körperhygiene und das Naturerlebnis angedacht wären – im Freien, auf Steinen. Das Studio Brachers nennt sich Design for Strategic Differentiation – das Unterscheiden als Asset. Bei den Möbeln rund um Brachers Installation sieht man das nicht so eng: Wenn sich rundum alles verändert, dann lieber keine radikalen Brüche riskieren. Selbst wenn der Wohnraum bei der Wohnzimmertür längst nicht mehr aufhört, und auch Schlafzimmermöbel nicht mehr nur die sein müssen, auf denen man liegt oder die Abendlektüre ablegt. Und liegen, das muss man ja auch nicht mehr ausschließlich im Bett: Konstantin Grcic hat für ClassiCon etwa ein Daybed abgeliefert, das außer Liegen wirklich nicht mehr viel anderes zulässt; „Ulisse“ heißt es. Daneben und dazwischen: die grassierende „Zeitlosigkeit“ in Möbelform. Gern auch vergangenen Zeiten entnommen.

Thonet präsentierte zum ersten Mal den Beistelltisch S18 auf der IMM Cologne (l.). „Tama Living“: Vom österreichischen Studio EOOS (r.). „Lucas“, ein Sekretär, auch für das Schlafzimmer, von Soda Designers für Wittmannn (u.).
Thonet präsentierte zum ersten Mal den Beistelltisch S18 auf der IMM Cologne (l.). „Tama Living“: Vom österreichischen Studio EOOS (r.). „Lucas“, ein Sekretär, auch für das Schlafzimmer, von Soda Designers für Wittmannn (u.).(c) Beigestellt

Wie etwa der Hersteller Richard Lampert, der gleich drei Entwürfe aus den 1950er-Jahren ausgegraben hat. Allerorts auch spürbar: Familienerweiterungen – wo erfolgreiche Möbelfamilien harmonisch im Markt ihren Platz gefunden haben, bekommen sie Zuwachs. Aus Fauteuils werden Zweisitzer. Aus Stühlen werden Barhocker. Und aus Stühlen, die ursprünglich nur drinnen zuhause waren, werden Allrounder: Schließlich beginnt auf der IMM Cologne kurz nach Weihnachten auch schon die warme Möbeljahreszeit. So stellte etwa B & B Italia schon ein paar Ent­würfe von Antonio Citterio in die Auslage nach „draußen“. Bevor im April am Salone del Mobile in Mailand der Möbelfrühling so richtig ausbricht.

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