Design aus Finnland: Legenden des Nordens

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Finnland feiert 100 Jahre Unabhängigkeit. Das Design des Landes wird auch in Zukunft eine viel größere als nur eine nationale Rolle spielen.

Die Botschaften der souveränen Staaten des Planeten Erde sind nicht nur die, vor denen auch die entsprechenden Nationalflaggen flattern: Auch kleinere Geschäfte gehören dazu, die ihre kleinen Botschafter gern in die Auslage stellen. Der Finnshop in der Siebensterngasse in Wien ist so eine Außenstelle, dort haben vor allem schöne Gestaltung und gute Formgebung etwas über ihre Heimat zu erzählen. Fahnen sind hier nicht die Aushängeschilder, eher die Muster von Marimekko, um einiges verspielter als das simple blaue Kreuz auf simplem weißem Grund.

Heidi Salama-Kollegger ist Finnin, sie hat ihren Shop schon 2004 gegründet, ursprünglich nur als Onlineversion. Inzwischen hat sich längst ein Shop etabliert, der gefüllt ist mit Objekten und Möbeln, mit denen auch die finnische Bevölkerung seit jeher gern ihre Haushalte bestückt. Geschirr von Arabia. Gläser von Iittala. Birkenholzmöbel von Artek. Und dazwischen die frohe Farbenflora von Marimekko und die Fantasiefauna in Form der „Mumins“, nilpferdähnliche Trollwesen, die die Schriftstellerin Tove Jansson in den 1940er-Jahren erfunden hatte.

Parade-Designunternehmen wie Iittala, Artek und Arabia haben nicht nur in den vergangenen 100 Jahren die gestaltete Umwelt des Landes mitgeprägt, sondern auch die Identität des Landes. Genauso wie die Vorstellung, was man unter finnischem Design verstehen darf. Arabia, eine der ältesten Marken Finnlands, legt zum Jubiläumsanlass eine Keramikbecherserie auf, die verschiedene Muster aus den vergangenen 100 Jahren der Motivgestaltung wieder aufnimmt. Marimekko, das Label, das dem Land schon in den grauen Nachkriegsjahren mit intensiven Farben die Lebensfreude zurückzaubern wollte, widmet dem runden Staatsgeburtstag ein völlig neues Motiv: ein Wald, in dem sich auch so manche Waldwesen tummeln.

Finnland-Blau. „Natur ist etwas, das sich in der Gestaltung und im finnischen Design immer gern widerspiegelt“, erzählt Heidi Salama-Kollegger, „sei es in den Formen. Oder auch den Farben.“ Das Blau, auch in der Gestaltung der finnischen Nationalflagge zitiert, das Ultramarinblau nämlich, habe besondere Bedeutung. Auch deshalb hat der Hersteller Iittala eine 100-Jahre-Finnland-Glaskollektion in genau diesem Farbton getüncht, samt der berühmtesten aller ikonischen Vasen, jener von Alvar Aalto.

Das Wasser, der Himmel und vor allem auch die „blaue Stunde“ prägen die Farbwahrnehmung Finnlands. Auch wegen der faszinierenden „blauen Momente“, wie sie Salama-Kollegger nennt: wenn ein Landstrich in ein fast magisches bläuliches Licht eintaucht, nachdem die Sonne untergegangen ist und die Dunkelheit darauf wartet, vollständig einzuziehen.

Die Designikone Alvar Aaltos, die Vase, die er 1939 für die Weltausstellung in New York gestaltet hatte, gehört zum Kerninventar des kollektiven Designgedächtnisses des Landes. Genauso wie Kreationen des Designers Kaj Franck. „Wir haben noch immer Geschirr von Kaj Franck zu Hause“, erzählt Salama-Kollegger, „die Finnen versuchen, keine Produkte zu entwerfen, die man am nächsten Tage wegwirft“. So wandert das nationale Designerbe von Generation zu Generation, selbst wenn es die Zeiten in den Schränken überdauert. Auch der Name Oiva Toikka, Schöpfer der inzwischen weltberühmten Glasvögel, gehört zu jenen, die Finnen so geläufig sind wie Österreichern ihre Skifahrer.

Alltagsästhetik. 1917 wurde Finnland unabhängig vom zaristischen Russland. Schon damals hatte die Glasfabrik Iittala fast vier Jahrzehnte existiert. Gerade dieser Hersteller hat die nationale Identität wie auch Designgegenwart erheblich mitgeprägt. Glasserien von Aino Aalto gehören zu den Klassikern. Genauso wie Kreationen ihres um ein vielfaches berühmteren Ehemanns Alvar Aalto, der Großmeister des finnischen Designs. Vor allem auch mit seinen Möbeln aus gebogenem Birkenholz hat Aalto die Alltagsästhetik der Finnen stark beeinflusst. Viele seiner Entwürfe werden heute noch produziert, von Artek, dem Unternehmen, das Aalto selbst mitgegründet hat und das heute dem Schweizer Hersteller Vitra gehört. „Natürlich sind wir auch ein bisschen traurig, dass Artek nicht mehr in finnischer Hand ist“, sagt Salama-Kollegger. Doch Artek pflegt noch heute, unter der Führung der Österreicherin Marianne Göbl, das kulturelle Designerbe Finnlands. Auch, indem es die Entwürfe regelmäßig zeitgemäß aktualisieren lässt, wie etwa durch neue Farbpaletten der Designerin Hella Jongerius.

Reduktion. „Hardcore-Purismus“, so hat sie die junge finnische Designerin Elisa Honkanen einmal genannt, die Charakteristik, die finnisches Design ausmacht. Reduzieren, reduzieren, reduzieren. Das sei der Prozess und die Grundlage der finnischen Gestaltung. Diese Überzeugung ist vor allem aus einer Notwendigkeit heraus geboren. Ressourcen waren in Finnland stets knapp. Holz war zu wertvoll, um es für überflüssige Schnörkel einzusetzen. „Aber diese Form von Vereinfachung hat nicht unbedingt etwas mit Minimalismus zu tun“, sagt Honkanen, „es geht eher darum, so lange zu vereinfachen, bis nichts mehr hinzugefügt oder weggenommen werden kann“. Finnen würden einfach dazu tendieren, Dinge ökonomisch und effizient anzugehen. Keine Materialverschwendung. Samt hohem Nutzen im Alltag. Das Design ist der Diener. Künstliche Bedürfnisse, die das Design erst kreiert, um sie später selbst wieder zu befriedigen, die haben im finnischen Design kaum einen Platz.

Tipp

Finnisches Design findet sich u. a. im Finnshop, Siebensterngasse 17, 1070 Wien (www.finnshop.at) oder im Scandinavian Design House am Rudolfsplatz 17, 1010.

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