Bambus: Außen hart, innen hohl

Rohrkunde. Bambus ist strapazierfähig wie Stahl, allerdings leichter und deshalb besser zu verarbeiten.
Rohrkunde. Bambus ist strapazierfähig wie Stahl, allerdings leichter und deshalb besser zu verarbeiten.(c) Alberto Cosi (Chiangmai Life Architects)
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Stabil wie Stahl, flexibel wie ein Knochen? Ein österreichischer Arzt treibt in Thailand die Bambus-Architektur voran.

Für Simon Velez ist es einfach nur „pflanzlicher Stahl“. Der kolumbianische Architekt arbeitet seit den 80er-Jahren mit Bambus. Weltweit fiel das spätestens durch seinen 17 Meter hohen Bambus-Pavillon bei der EXPO 2000 in Hannover auf. Zu viel Exotik für deutsche Statiker. Für die baurechtliche Genehmigung wurden Belastungstests an einem Prototyp nötig. Dass Höhe für die – botanisch gesehen eigentlich nur großen Grashalme – kein Problem ist, weiß man in Afrika und Asien seit es den Gerüstbau gibt, ganz TÜV-frei. Europa ist skeptischer, während hier traditionell Stahlrohre aneinander gekoppelt werden, schrauben sich in Asien Bambusrohre hunderte Meter die Fassaden hoch. Diese Mikado-Konstruktionen haben einige Vorteile. Bambus ist in erster Linie ein Musterschüler in den Fächern Belastbarkeit und Umweltverträglichkeit.

Lebensdauer. Wenn man Bambus beim Bauen richtig behandelt, dann hält er bis zu 90 Jahre.
Lebensdauer. Wenn man Bambus beim Bauen richtig behandelt, dann hält er bis zu 90 Jahre. (c) Markus Roselieb (Chiangmai Life Architects)

Emporkömmling. Während eine Eiche rund 60 Jahre wachsen muss, bis sie verarbeitet werden kann, braucht Bambus nur drei bis sieben Jahre, je nach Einsatzgebiet. Durch dieses extrem schnelle Wachstum bindet die Pflanze große Mengen an Kohlendioxid und produziert mehr Sauerstoff als manch andere Hölzer. Das verzweigte Wurzelwerk des Bambus verhindert außerdem das Fortschreiten der Bodenerosion, und die vielen dichten Fasern sorgen für eine dem Stahl ähnliche Belastbarkeit. Wird Bambus richtig geerntet und für die Bauwirtschaft verarbeitet, überzeugt er außerdem mit Druck- und Zugfestigkeit, hoher Elastizität und wenig Gewicht – damit zählt er zu den seltenen eierlegenden Wollmilchsauhalmen. Nachteil, ganz ohne Spaß: in Europa hat Bambus wenn, dann nur als Möbelmaterial eine Geschichte und in Asien hat die Pflanze einen schlechten Ruf. Bambus, Lehm und Erde sind Materialien der armen Leute, daher hält sich die Begeisterung in Grenzen.

Diese Erfahrung hat auch Markus Roselieb gemacht, Gründer von Chiangmai Life Architects, einem Design- und Bauunternehmen, das sich speziell mit den genannten archaischen Materialien beschäftigt. Der Österreicher lebt seit 20 Jahren in Thailand, 2010 hat er begonnen, einen Schulcampus in Chiang Mai zu gestalten. Die Panyaden International School ist ein umfangreiches Beispiel für den Erd- und Bambusbau. Seit sieben Jahren entwickelt sich das Areal weiter. Begonnen hat alles mit einem privaten Problem, einem Umzug. „Wir hatten von Bangkok genug und wollten aufs Land in den Norden nach Chiang Mai übersiedeln. Meine Frau meinte, dass es dort keine Schule gibt, die ihr passt, und ich möge doch eine bauen. Das war eigentlich der Anfang“, erzählt der Arzt, der nie lang über Ideen brütet, sich lieber gleich mit der Umsetzung beschäftigt und den einen oder anderen Stolperer riskiert.

Campus. Roseliebs Schule umfasst mittlerweile 16 Gebäude und wächst noch weiter.
Campus. Roseliebs Schule umfasst mittlerweile 16 Gebäude und wächst noch weiter. (c) Markus Roselieb (Chiangmai Life Architects)

Das erste Projekt. Die Panyaden International School war Roseliebs erstes Bambus- und Erdbauprojekt. Zehn Monate hatte er Zeit. 100 Arbeiter waren Tag und Nacht beschäftigt. „Es war nicht unbedingt etwas, was ich noch einmal machen muss“, meint er rückblickend. „Es war hart, aber dadurch habe ich sehr schnell gelernt und hatte, als der erste Teil der Schule fertig war – sie wächst seitdem jedes Jahr – eine Bambusfirma, eine Produktionsstätte, ein Team und Ideen. So konnten wir beginnen, andere Projekte zu suchen.“ Und das läuft mittlerweile ganz gut. Anfangs fanden es viele fragwürdig, mit Erde, Lehm und Bambus zu bauen. Bambus passt auch nicht ganz zum kulturellen Gesicht Thailands, Häuser werden hier traditionell mit Harthölzern gebaut. „Wenn man sich mit Bambus nicht auskennt, zerfressen ihn die Insekten auch in kürzester Zeit. In zwei, drei Wochen sind sie im Rohr, dann beginnt es zu rieseln und nach zwei bis drei Jahren zerfällt alles. Allerdings habe ich herausgefunden, dass es kein Qualitätsnachteil des Materials ist, sondern die Ignoranz des Bauherrn. Wenn man die Materialien richtig wählt und weiß, wie man sie behandelt, hat man kein Problem.“ Das Alter müsse vor allem stimmen, ist der Bambus zu jung (jünger als drei bis vier Jahre), ist er voller Zucker und hat nicht genug Fasern, um als Baumaterial zu funktionieren. „Viele verwenden aber ein- bis zweijährigen Bambus, weil er dann so schön grün und glänzend ist, aber dann braucht man sich nicht wundern, wenn alles zusammenfällt. Es hat nichts mit dem Material zu tun, sondern mit Unkenntnis. Das gilt auch für Erde. Es gibt Erdbauten, die sind tausend Jahre alt und stehen noch.“

Low- und Hightech. Sind es große Steine, Ton oder Beton – Fundamente muss man in den Tropen auf jeden Fall anlegen, weil in der Regenzeit sonst alles davonläuft. „Ich habe auch kein Problem damit, Beton an der richtigen Stelle zu verwenden. Es ist ein großartiges Material für Fundamente, aber es ist kein großartiges Material für den Rest des Hauses. Moderne Technologien kann man gut einbinden. Wir wollen ja nicht negieren, was in den letzten Jahrhunderten entwickelt wurde.“ Die Kosten für einen Bambusbau entsprechen bei Chiangmai Life Architects ungefähr denen eines herkömmlichen Baus. Billig zu sein, ist nicht das Ziel. Funktionalität und die Null-CO2-Bilanz sind es und auf der ästhetischen Seite etwas, das sich Organic Design nennt. „Wir setzen unsere Häuser in die Landschaft so hinein, wie sie hineinpassen. Wir machen keine Gebäude, die herausstechen und Kontraste setzen. Harmonie ist ein wichtiger Faktor.“ Interessant ist, wie am Ende alles zusammenhält. Roselieb arbeitet mit handgefertigten Bambusnägeln. „Der Vorteil ist, dass diese Nägel die gleiche thermische Charakteristik wie der Rest der Struktur haben. Wenn ich eine Schraube verwende, dann springt der Bambus, weil sich das Metall schneller ausdehnt.“

Markus Roselieb ist Unfallchirurg und Bauunternehmer, seit 20 Jahren lebt der Österreicher in Thailand.
Markus Roselieb ist Unfallchirurg und Bauunternehmer, seit 20 Jahren lebt der Österreicher in Thailand. (c) Markus Roselieb (Chiangmai Life Architects)

Knochenstruktur. Chiangmai Life Architects setzen sich hinsichtlich Statik und Konstruktion von anderen Bambusarchitekten ab. „Wir verwenden weniger die großen Bambusarten, sondern kleinere Rohre und machen damit Bündeln mit denen man größere Spannweiten als mit Einzelstücken überbrücken kann. Diese kann ich beliebig lang machen, solange ich statisch richtig vorgehe.“ Inspiration gab ihm sein Erst-Beruf als Unfallchirurg. „Knochen sind von ihrer Statik her das interessanteste Material, das es gibt. Knochen passen sich in ihrer Mikrostruktur schnell und direkt an Belastungen an.“ In der Unfallchirurgie hat Markus Roselieb ein Verständnis dafür bekommen, wie man Dinge aufbauen muss. „Die Statik des Knochens kann man mit dem Bambus nachahmen, das hat mir geholfen.“

Tipp

Im Netz finden Sie weitere Informationen unter: www.bamboo-earth-architecture-construction.com, www.panyaden.ac.th

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