Färg und Blanche: Designvierbeiner aus dem Ofen

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Fredrik Färg und Emma Blanche ziehen Stühlen Anzüge an. Und backen Sitzobjekte, die aussehen, als wären sie der paläontologischen Sammlung entflohen.
Text: Porträt: Florian Rainer

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Irgendwie war schnell klar, die gehören ins Museum, diese Sitzobjekte. Ins Designmuseum haben sie es noch nicht geschafft, dafür in jenes, zu dem man in Wien „Naturhistorisches“ sagen würde. In Stockholm heißt es „Biologiska“. Und hinter die alten Glasscheiben, in die kunstvoll gestalteten Szenerien der Dioramas, mischten sich plötzlich ganz wundersame Dinge auf vier Beinen, die beseelt und so organisch wirkten, als wollten sie gleich davonrennen.

Die schwedischen Designer Fredrik Färg und Emma Blanche haben sie kreiert, für eine Designausstellung, bei der sie selbst die Kuratoren waren. Zwanzig Designer und ihre Objekte haben sie vor einem Jahr ins Museum gebeten, inklusive sich selbst. Und „Succession“, so heißt die Serie ihrer eigenen Objekte, wanderte durch alle Design-Blogs der Welt, wie eine Herde urzeitlicher Gürteltiere. Um schließlich in diesem November auch in Wien zu landen. Für die Ausstellung „Nordic Light & Design 2012“, die sich im Stilwerk im Wiener Novembernebel ein paar Wochen ausbreiten durfte.

Noch heute holen sie ähnliche Kreaturen bei Workshops aus dem Backofen, denn diese Wesen gehören erhitzt, bevor sie auf die Welt kommen: Das Thermoplastik bekommt so seine endgültige Gestalt, eingeschnürt in Leder oder andere Stoffe formen sie sich zu Individuen. Das Material verwendet normalerweise die Autoindus-trie, erzählt Fredrik Färg. Und gemeinsam mit seiner Designpartnerin Emma Blanche hat er es in eine andere Sphäre zurückversetzt: in die des Handwerks.

„Die Technik ist eine hochindustrielle“, erzählt Färg. Doch wenn Designer Designerhand in ihrer Werkstatt anlegen, entsteht das Unerwartete – das, was sich die Industrie sprichwörtlich nicht leisten kann. „Wir können einfache Dinge tun, die Hersteller nicht tun können. Wir haben mit dieser Technik jede erdenkliche Formfreiheit.“ Das Endergebnis ist nicht kalkulierbar, erst wenn man die Schnüre nach dem Erhitzen löst, wird es evident. Auch riesige Wesen, dinosaurierähnliche, haben sie schon fertig gebacken – etwa für die Stockholmer Möbelmesse.

Handarbeit. „Wir können mehr Zeit und Energie investieren in die Dinge“, sagt Blanche. Produzenten müssen rationaler, effizienter arbeiten. „Eine andere Denkweise“, sagt Färg. Die Industrie darf bei Färg & Blanche einmal das Handwerk bereichern, nicht umgekehrt. Doch die Experimente sollen nicht nur Garagentüftlerwerk bleiben oder Schauobjekt in den Designgalerien. Mit einem Hersteller steht man schon im Gespräch, die Möbelwesen auf vier Beinen könnten auch bald eine Großfamilie werden, industriell produziert.
Trotzdem: „Wir stehen auf der experimentellen Seite der Designwelt“, meint Färg. Er kam von Göteborg nach Stockholm. Emma Blanche war schon dort, aufgewachsen ist sie in Frankreich. Ihren gemeinsamen Experimentierraum haben sie in Södermalm gefunden, in dem Viertel Stockholms, in dem die Kreativitätsdichte besonders hoch sein soll. „70 Prozent der Kreativ- und Kulturschaffenden von Schweden ballen sich hier“, sagt Färg. Auf dem Gehsteig geht’s so zu: Hallo, Filmemacher.
Hei, Rockmusiker. Und natürlich gibt es dort einen Haufen Designer. Auch jene, die Mode machen. So einer wäre ja Färg selbst fast geworden, hätte er sich nicht im letzten Moment anders entschieden. Das Interesse an Stoffen, Materialien und Textilien hat er deshalb nicht verloren. An der Nähmaschine sitzt er noch immer gern, alten Stühlen hat er schon neue Kleider geschneidert.

In seinem Diplomprojekt nahm er sich die Ästhetik der klassischen Anzüge zum Vorbild. Und stülpte alten Flohmarktstühlen zeitlose Eleganz über: „Slow Fashion“-Möbel wurden daraus. Denn Mode impliziert ständigen Wandel. Doch der klassische Anzug überwindet ihn schon traditionell seit Jahrzehnten „Ich denke, man muss auch die Qualität in den Dingen sehen, die sich nicht verändern“, sagt Färg.

Experimentierfreudig. Auch Emma Blanche lässt die Mode nicht los. Vor allem nicht die Faszination der „Fashionshow“. Die Inszenierung, die Dramaturgie, das Effekt-Getöse rund um die Laufstege. Warum nicht etwas davon in eine Designwelt übertragen, die das Produkt gern bloß auf weißem Hintergrund freigestellt präsentiert? Aus der Showeffekt-Ecke könnte noch etwas auf das Produktdesign abstrahlen, meint Blanche.

Ganz abgesehen davon, was Möbel und Dinge, die man nicht anziehen kann, von der Mode lernen können: Vor allem von den Materialien. „Wir experimentieren gern mit Stoffen, die man in der Bekleidungsindustrie verwendet“, erzählt Blanche. Etwa mit jenem, aus dem man die Anzüge für Feuerwehrleute fertigt. „Warum nicht auch mal Goretex für Sofas andenken?“, fragt sich Blanche. Die Leuchte „Moon“ etwa, Hightech, glitzernd wie ein Astronautenanzug, kreierten die schwedischen Designer aus dem Material, das man üblicherweise für Sicherheitswesten verwendet. „Wir wollen einfach die Erfahrungen von Mode und Design mischen“, sagt Färg.
Und davon können auch die Möbel, vor allem jene, die in halb öffentlichen Räumen und Büros verwendet werden, profitieren. Funktionell und ästhetisch. Denn für diese gilt üblicherweise noch ein ganzer Schwall an Restriktionen und Auflagen. Hygienisch oder brandschutztechnisch etwa. „Es ist immer interessant, den Kontext des Materials zu verändern“, meint Blanche. Die Mode wird die beiden noch weiter begleiten, so viel steht fest. Zurzeit arbeiten sie an einer Ausstellung mit dem Label Comme-des-GarÇons.

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