Eugeni Quitllet: Der Künstler am Fließband

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Keine Technologie schlägt die Natur: Der katalanische Designer Eugeni Quitllet injiziert seinen Produkten gerne Luft, noch lieber Seele und immer viel Herzblut.

Katalanisch und Französisch, die Sprachen sind nicht unähnlich, meint Eugeni Quitllet. Musikalisch sind sie beide. Vielleicht stand deshalb auch sein Name in den vergangenen Jahren oft neben jenem von Philippe Starck. Und das bei einer Vielzahl von Projekten, unter anderem für die Hersteller Alias und Kartell. Jetzt setzt Quitllet an, aus dem Schatten des Großmeisters zu springen. Sein Sprungbrett hat er in Barcelona positioniert. Von dort aus versorgt er jetzt schon alle Welt  mit seinen poetischen Designideen. 

Ihr Weg als Designer war lange Jahre mit dem Namen Philippe Starck verknüpft. Was führte Sie von Ibiza nach Paris?
Ich wollte unbedingt mit Philippe Starck arbeiten. Auf der Insel Formentera haben wir uns getroffen. Es war 2001. Ich spürte, dass ich jemanden brauchte, der mein Universum und meine Ideen versteht. Und Philippe verstand sie. Das war innerhalb weniger Minuten klar. Schließlich haben wir begonnen, zusammenzuarbeiten, zehn Jahre sind es geworden. Dann wollte ich wieder ein neues  Abenteuer beginnen, ein neues Feld aufstoßen, neue Grenzen ausloten und habe mit meiner Frau gemeinsam in Barcelona ein Studio aufgemacht. Gegenüber vom Gaudì-Haus. Ein optimaler Platz, um zu träumen und neue Konzepte zu entwickeln.

Dieses Grenzen-Ausloten, wohin hat Sie das von Barcelona aus geführt? 
In die Welt der Luftfahrt etwa. Für Air France haben wird das Bordbesteck entwickelt. Dazu haben wir eine sehr innovative Technologie verwendet, bei der wir recyceltes Plastik einspritzen. Es ging darum, Material und Gewicht zu sparen. Die meisten sparen deshalb an der Größe. Das ­wollten wir nicht. Wir dachten zunächst daran, Luft in das Besteck zu injizieren und es so auf normale Größe „aufzublasen“, mit Air-France-Luft quasi. Doch dann haben wir uns dazu entschieden, mit recyceltem Plastik das Volumen zu vergrößern. So ist jeder, der im Flugzeug das Besteck beim Essen benutzt, auch irgendwie schon an der Produktion des nächsten Bestecks beteiligt.

Gerade so ein abgeschlossenes, heikles System wie ein Flugzeug scheint ein günstiger Platz für neue Designabenteuer.
Absolut. Allein die Logistik, die dahintersteckt. Sie müssen bedenken, dass 14 Millionen Gerichte jährlich bei Air France serviert werden.  Und es gibt unzählige Menschen, die beim Designprozess involviert sind, bevor das Produkt überhaupt erst zum Nutzer gelangt. Gerade für diese Design-Extremsituationen braucht es intelligente Lösungen.

Beim Entwurf des Stuhls „Tabu“ für Alias, was wollten Sie da ausreizen? 
Dabei ging es um die Technik genauso wie um das Natürliche. Als Designer muss man ja auch immer Emotionen mitliefern. Ich gebe der Technologie gerne auch so etwas wie Seele und Leben mit. Bei dem Projekt „Tabu“ ging es um jene Technologie, die am weitesten überhaupt entwickelt ist – die Natur nämlich. Wir Menschen programmieren Maschinen im Designprozess, um Dinge möglichst natürlich erscheinen zu lassen, möglichst poetisch, als wären die Dinge direkt aus dem Boden gewachsen. Das ist paradox. Und damit wollte ich spielen. Im Endeffekt war es das Spiel, die Natur zu synthetisieren und das Künstliche zu naturalisieren, den Stuhl aus Holz, denn die meisten Stühle sind nach wie vor aus Plastik.

Welchen Stellenwert hat die Poesie der Natur generell in Ihrer Arbeit? 
Die Formen der Natur sind immer die sinnlicheren. Sie sind immer natürlich, organisch gewachsen. Die Künstlichkeit kommt erst mit der Maschine ins Spiel. Ich arbeite deshalb am liebsten mit Unternehmen zusammen, die das Wissen haben, die Möglichkeiten und auch die Philosophie, um das Poetische maschinell zu realisieren. Mit Kartell zum Beispiel arbeite ich auch auf diesem Level. Wir haben zuletzt eine Vase entwickelt, „Shine“, die mit einer unglaublichen Qualität von Plastik besticht. Sie ist ein Produkt, das zeigt und beweist, dass auch ein Stück Handwerk millionenfach vervielfältigt werden kann. Dass aus dem Entwurf so etwas wie indus­trielles Kunsthandwerk werden kann, das finde ich faszinierend.

Der künstlerische Zugang und der industrielle – schließen die einander nicht im Grunde von vornherein aus? 
Sie können nicht nur, sie müssen sogar zusammengehen. Industrie, ganz allein für sich, das ist Bullshit. Wir brauchen sie für das Design nicht mehr. Wir wissen, wie man Stühle macht. Wir haben es oft genug getan. Also kann es nur darum gehen, den Dingen immer eine neue Dimension hinzuzufügen. Das muss unser Ziel sein als Designer. Wir müssen spielen mit den Dingen, ihnen neue Dimensionen einhauchen.

Hat radikal neues Design überhaupt eine Chance bei Unternehmen, die vor allem verkaufen wollen? 
Das Grenzen-Ausloten, das betrifft natürlich nicht nur physikalische und ökonomische, sondern vor allem intellektuelle Grenzen. Wenn man zu weit geht mit seinen Ideen für die Leute, dann ist es ja auch nicht sinnvoll. Deshalb ist meist der Schritt-für-Schritt-Weg der effizientere und zielführendere.

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