Wegner: Der Thron und der König

„Shell Chair“. 1963 war das Jahr der Muschel. Eine Ikone für die  Designewigkeit.
„Shell Chair“. 1963 war das Jahr der Muschel. Eine Ikone für die Designewigkeit.(c) Beigestellt
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Den Stühlen verlieh er Flügel: Der Däne Hans J. Wegner wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Seine Enwürfe leben ewig.

Hans J.  Wegner. Tischler, Designer mit dem Auge für Proportionen.
Hans J. Wegner. Tischler, Designer mit dem Auge für Proportionen.Beigestellt

"Just one good chair.“ So unverschämt war er ja nicht, der stille Wunsch von Hans J. Wegner, dem dänischen Designer. Schön wäre das gewesen, den Stuhl, den einen Stuhl, den einzigen notwendigen und möglichen, zu entwerfen. Auch ein Tischlergenie und Designmeister wie Wegner hat’s nicht geschafft. Dafür Stühle geschaffen, die besser waren als viele zuvor und viele heute. Einen davon haben die Amerikaner „The Chair“ genannt, das war 1950, und irgendwie der Beginn des Weltrufs des Dänen. 100 Jahre wäre Wegner heuer geworden. In 92 Lebensjahren hat er 3500 Entwürfe gezeichnet. 500 davon gingen in Produktion. Und viele davon in die Designgeschichte ein.

Klar, auch Wegner hat man „König der Stühle“ genannt, das Designreich war ja groß genug für mehrere Meister, vor denen man sich verneigen konnte. Wegner war einer, weil er auch die Designnutzer thronen ließ. Auf seinen Chinastühlen etwa. Ihnen gab er raffinierte konstruktive wie dekorative Details mit. Sprossenstühle, Falt- und Liegestühle, Schalenstühle – in den verschiedensten Typologien verarbeitete er Sperrholztechnologie. Den „CH07“, den Shell Chair, produziert das dänische Unternehmen Carl Hansen seit 1963 bis heute. Ein zweiteiliger Schalenstuhl, der seine Raffinesse in der Silhouette demonstriert. Ein simples grafisches Zeichen setzte Wegner so in den Raum. Fast wie ein Emoticon. „Smiley“ haben die Amerikaner den Stuhl genannt. Manche haben einen fliegenden Teppich gesehen in der Form, andere ein Insekt oder ein Raumschiff. Assoziationsketten auszulösen ist eine Kunst, die Wegner fast so gut beherrscht hat wie die Tischlerei.

Geburtstagsstühle. 100 Jahre, da darf natürlich munter neu gelauncht werden. Da kramt Carl Hansen tief im Archiv, zieht nie verwirklichte Entwürfe plötzlich aus der Schublade. Der Stuhl „CH88“ wurde 1955 nur als Prototyp gebaut. 2014 geht er schließlich in Produktion. Klassiker wie der „CH33“, der „Wishbone Chair“ und der „Sawbuck Chair“ schlüpfen in neuen Holzvarianten in die Kollektion.
Oder man lässt Wegners Designikonen mit neuen Ideen überziehen. Vom britischen Modedesigner Paul Smith etwa. Der kleidete nun den „Wing Chair“ und den „Shell Chair“ mit neuen Textilien ein. Dicke und dünne bunte Streifen verzerren nun bewusst die ursprünglichen Proportionen und aktualisieren modisch, was Wegner in den 1950er- und 1960er-Jahren scheinbar für die Designewigkeit schuf.

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