Mischer/Traxler: Wenn die Farne plötzlich fliegen

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Das Duo Mischer/Traxler bekam kürzlich hohe internationale Anerkennung in Eiform: den Young Talent Award.

Lichtleiter. „Relumine“ bringt alte Lampen mit ­neuen Technologien zusammen.
Lichtleiter. „Relumine“ bringt alte Lampen mit ­neuen Technologien zusammen. (c) Beigestellt
Umgedreht. Die „Reversed Volumes“ sind Schüsseln mit Gemüsevorlagen.
Umgedreht. Die „Reversed Volumes“ sind Schüsseln mit Gemüsevorlagen.(c) Beigestellt
Trophäe. Das englische Studio Barber & Osgerby gestaltete das goldene Ei.
Trophäe. Das englische Studio Barber & Osgerby gestaltete das goldene Ei. (c) Beigestellt

So ein Designalltag besteht nicht nur aus Tüfteln, Kopfzerbrechen, An-Gedanken-Feilen und Kunststoff-Farne-im-Keller-Einpacken, bis diese endlich fliegen dürfen. Rauf und runter in einem Geratriezentrum in Wien-Donaustadt nämlich. Auch die Post erledigen kann schon einmal einen Vormittag ausfüllen. Objekte in Kisten packen und verschicken gehört dazu. Oder aber unerwartete Nachrichten bekommen. Dass man nominiert wurde, das war so eine, erzählen Katharina Mischer und Thomas Traxler. Und dann kam noch eine. Auf der Zehner-Shortlist, aha. Sie sollten sich vielleicht doch ein bisschen früher einfinden, hieß es schließlich. In Mailand, bei der Preisverleihung. Dort wurden Anfang April auch die Designeier aus Messing, Stein und Holz ausgehändigt. Die Young Talent Awards. Und der gewichtigste von ihnen, der Jurypreis, den mussten Mischer/Traxler beim Rückflug einchecken, fürs Handgepäck war er zu schwer. 

Jetzt glänzt der Preis im Wandregal in der Sechshauserstraße im 15. Bezirk in Wien. Dort, wo „Studios“ weniger Namen als anonyme Nummern tragen. Dort, wo das Duo Mischer/Traxler nicht nur Kisten mit Objekten füllt,  wenn sie zu Ausstellungen reisen. Sondern die Objekte auch zuvor mit Inhalten. Einmal eine neue Ebene einziehen, wo man gar keinen Platz dafür vermutet hätte. Oder ein paar neue Fragestellungen und Perspektiven auf ein Thema großzügig dazupacken. 

Neue Offenheit. Be Open, die Stiftung von Jelena Baturina, hat vor allem ein Ziel: Sie will möglichst viele Ideen schlüpfen sehen in den nächsten Jahren. Für den Young Talent Award schickte sie eine Jury aus. Die sollte die Designwelt scannen, nach jenen, die sich Eitrophäen und finanzielle Unterstützung der Foundation am ehesten verdienen würden. 

Beim internationalen Monitoring rutschten Mischer/Traxler bis zur letzten Enscheidung nicht mehr von der Liste. Auch weil die beiden den Dingen zwischen den offensichtlichen Zeilen von Form und Funktion gern noch etwas Inhalt injizieren. Darauf kann man sich einlassen. Oder auch nicht. „Man kann darüber reflektieren, man muss aber nicht“, sagt Katharina Mischer. Den theoretischen Über- oder Unterbau sollen die Dinge ja auch nicht aufdringlich vor sich hertragen. À la Brachial-Storytelling. Vielmehr soll er mitschwingen, wenn die Nutzer dafür die geeigneten Antennen haben. „Die Dinge müssen jedenfalls funktionieren, sie müssen nutzbar sein“, sagt Thomas Traxler. Das bleibt der Kern.

Rundherum pflegen Mischer/Traxler die Kunst des subtilen Verwebens von Tiefgang mit der Designoberfläche.Zumindest einer von nicht allzu vielen roten Fäden, die sich durch die Projekte zu ziehen scheinen, zu verschieden sind die meisten. „Vielleicht gibt es noch eine Gemeinsamkeit. Wir zeichnen gern etwas auf“, fällt Mischer ein, als sie über rote Fäden in ihren Arbeiten nachdenkt. „Das ist nichts, was wir bewusst machen. Es ist einfach passiert, dass viele Projekte damit zu tun haben, irgendetwas aufzuzeichnen.“ An den Objekten, die beim Projekt „Idea of a tree“ entstehen, etwa, lässt sich ablesen, welchen Beitrag die Sonne geleistet hat. Der Sensor ist das Solarpaneel. Es lässt eine Maschine Fäden durch Farbe ziehen und um eine Form wickeln, zu Lampenschirmen etwa oder Bänken.
Designobjekte als Ernte eines Tages. Ihre Farbe und Dicke, diese Geschichte schreibt die Sonne mit. Beim Projekt „Collective Work“ waren es die Betrachter selbst, die die Produktion der Objekte in Gang setzten. Bei „Drawing Time“ schlug sich die Zeit an der Wand nieder. Die Wanduhr hinterließ dort ihre gezeichneten Spuren.

Auch bei einem der letzten Projekte für den italienischen Hersteller Nodus – fällt den Designern plötzlich ein – war das „Recording“ schon wieder Thema. Dafür war die Designaufgabe recht ungewohnt für sie. Denn im Briefing stand, es sollte unbedingt ein Teppich sein, was am Ende dabei rauskommt. So klar haben Mischer/Traxler selten zuvor ein Ziel definiert, wenn sie zu denken beginnen. Bei „Day by Day“ holten sie die Teppichknüpfer sprichwörtlich an die Oberfläche. Ihre Arbeit, ihr Tagwerk, zeichnet das Streifenmuster nach, das nie dasselbe ist. „Uns hat extrem fasziniert, wie lange es tatsächlich dauert, einen Teppich zu knüpfen“, berichtet Katharina Mischer. Deshalb wollten sie den Arbeitsaufwand sichtbar machen. Die Idee:  Jeden Tag sollten die Knüpfer die Farbe wechseln. Ob 33 Knüpftage oder 99. Der Teppich verrät es sofort. Und mit einem eingenähten Etikett auch, wer hier wann am Werk war. So leicht war diese Idee gar nicht bis nach Nepal in die Manufakturen zu kommunzieren. Schließlich hingen zur Erstpräsentation nur der halbe Teppich, darunter die Vorlage, in Mailand an der Wand.

Choreografie der Farne. Fertig hingegen werden gerade die Installationen, die Mischer/Traxler in die zwei Innenhöfe im neuen Geriatriezentrum Donaustadt setzen. Die Menschen, die dort wohnen, trennen nicht nur Glasscheiben von der Außenwelt und den  unerreichbaren Höfen, sondern oft auch einige Stockwerke. „Deshalb wollten wir die Höfe zu den Menschen bringen“, sagt Katharina Mischer. In einem werden bald die Farne zu den Menschen fliegen, hinauf und hinunter. Im anderen die Wasserschalen. „Wir wollten Bewegung, etwas Lebendiges und etwas Echtes zu den Menschen in den verschiedenen Stockwerken bringen“, sagt Thomas Traxler. Auch hier, in diesem Projekt, waren die Gedankengebäude eher gebaut als die Dinge hinskizziert. „Wir bearbeiten gern unterschiedliche Themen, die auch zu Diskussionspunkten werden dürfen“, sagt Mischer. Bis schließlich die Hände wieder etwas zu tun bekommen. Und das bekommen sie fast jeden Tag, denn sonst werden sie unruhig, die vier Hände.

Ausgezeichnet: Der Young Talent Award in Mailand

Young Talent Award. Nicht was war, sondern was kommt: Be Open, die Kreativitäts-Foundation von Elena Baturina, zeichnet nicht, wie in der Designwelt üblich, Produkte oder Karrieren aus. Sondern die Möglichkeiten, die Potenziale und die Menschen und Designer, die an ihnen arbeiten. Für den Young Talent Award suchte sich Be Open Designer, die an der Schwelle stehen, sich mit ihren Zugängen nachhaltig in der Designwelt zu etablieren.

Die Jury. Hochkarätige Namen der Designwelt scannten die Branche nach Talenten, deren Namen bald auch als „hochkarätig“ gelten könnten. Shay Alkalay vom Designstudio Raw Edges saß ebenso in der Jury wie Giulio Cappellini, Sofia Lagerkvist von Front Design oder auch der Brite Jay Osgerby. Gemeinsam mit seinem Partner Ed Barber hat er auch die Trophäe des Young Talent Award gestaltet: ein extrudiertes, vergoldetes Ei. Ein Exemplar steht jetzt in London bei den Urhebern. Ein anderes in der Sechshauserstraße in Wien.

Noch mehr Preise. Auch „The Founder“ von Be Open, Elena Baturina, suchte sich einen preiswürdigen Kandidaten aus, den Niederländer Dennis Parren. Auch für ihn gab es ein Ei: aus Stein, gestaltet von Front Design. Das Holzei von Raw Edges ging an den Brasilianer Sergio Matos, weil er online die meisten Stimmen von den Usern bekommen hatte.

Auch keine Unbekannten.
Auf der Shortlist des Young Talent Awards tummelten sich noch einige andere vielversprechende Designer für die Zukunft. Wie etwa das deutsch-schwedische Duo Humans since 1982, der Franzose Philippe Malouin, der Japaner Yuri Suzuki und der Norweger Daniel Rybakken. beopenfuture.com

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