Robert Stadler: Biedermeier, schockgefroren

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Daheim im Dazwischen: Designer Robert Stadler lässt für das MAK in Wien Momente erstarren.

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Räume hallen nach. Oder besser: Die Menschen, die sie benutzen und bewohnen, bleiben spürbar, auch wenn sie längst weg sind. In den Wohnräumen des Geymüllerschlössels in Wien blieb auch so ein Moment wie erstarrt zurück, ein Augenblick biedermeierlicher Wohnkultur. Als wären die Bewohner nur kurz rausgegangen, um gleich wiederzukommen. In Pötzleinsdorf hat Designer Robert Stadler diese sonderbare Präsenz des Abwesenden gespürt, die seit Jahren durch die MAK-Expositur geistert. Mit einer gestalterischen Intervention will Stadler den schockgefrorenen Zustand wachrütteln: „Back in 5 min.“ hat er das Unterfangen genannt, bei dem Stadler, wie er sagt, vor allem auch „den Zeitbegriff und das Geisterhafte thematisiert“.

Im Dazwischenstadium. Gleich zu Beginn zerhackt Stadler die Zeitachse in Momentfetzen, die Biedermeiermöbel rückt er ins Licht eines Stroboskops, einen Türspalt lässt er offen als erstes Tor in die Dazwischenwelt, die er durch die Räume des Geymüllerschlössels konstruiert.

„Bin gleich wieder da“, das galt für Robert Stadler selbst nie. Nach Paris ging der Österreicher und blieb, inzwischen ist das schon 15 Jahre her. Das Irgendwo-dazwischen-Sein, das kennt Stadler am ehesten von dem, was andere über ihn sagen: Zwischen Design und Kunst sehen Stadler viele. Oder anders ausgedrückt: Er macht Design mit einer „starken inhaltlichen und formalen Autorenschaft“, wie es Thomas Geisler, der MAK-Kurator, nennt.

Mit einem solchen Anspruch dürfen die Dinge nicht nur brav Zwecke und Erwartungen erfüllen. Seine Objekte und Möbel mischen sich auch vorlaut in den Alltag ein: Einen Spiegel, der SMS-Botschaften zeigt, hat Stadler schon entworfen, genauso wie einen Orakelspiegel, der altklug Aphorismen von sich gibt. Noch ganz andere irritierende Aussagen legt er in seine Objekte und Installationen hinein. Er entwickelt gern Dinge, „mit denen eine Interaktion entsteht“, wie Stadler sagt, „wie mit einer Person, mit der man nicht ganz einverstanden ist, aber einen Weg findet, mit ihr auszukommen“. So eine Auseinandersetzung kann Kunstwerke auslösen, sagt Stadler. Aber auch Alltagsgegenstände. Möbel sind Teil seiner Szenografien, manchmal sogar die Hauptdarsteller, wenn sie selbst von ihrem Werden und Sein erzählen, wie die „Tephra Formations“ in einer Performance im Centre Pompidou im vergangenen Jahr. Oder wenn sie das Setting bilden, in dem die Menschen genussvoll zusammenkommen, wie in den Corso-Restaurants in Paris, die er gestaltet hat. „Ich würde sehr gern einmal für den Film arbeiten“, sagt Stadler.

Wohninseln. Einen Raum weiter bedecken Hussen das Mobiliar, bedruckt mit dem Muster des Bodens, der auf diese Art körper- und gleichzeitig geisterhaft in den Raum tritt. In einer Art Möbel-Mimikry. Natürlich mit eingebautem Stadler-Störfaktor: Stellenweise sind die Muster verzerrt, verschwommen. „Als würden sie sich gerade zu einem klaren Bild konfigurieren. Wie man es etwas von Google Earth kennt“, erkärt Stadler. „Fantom“ heißen die Textilentwürfe, die in verschiedenen Phänotypen in den Räumen auftauchen, oder eher verschwinden.

Auch Uhren sind Momenteinfänger wie Robert Stadler: Im Geymüllerschlössel sind längst keine Menschen, dafür schon lange 160 Altwiener Uhren zu Hause. Manche ähneln jenen, die Stadler aus seinem eigenem Repertoire dazugehängt hat. Zumindest im Prinzip. Es sind Bilder, die auch die Zeit anzeigen. Bei den älteren sind es gemalte Landschaften. Bei Stadler digitalisierte Porno-Queens. „24 h Linda“ und „24 h Tanya“ heißen die Uhren, die man auch erst einmal lesen lernen muss: Das Auge ist der Minutenzeiger, das Muttermal zeigt die Stunde an.

Einen Raum weiter stellt Stadler den Biedermeiermöbeln neue Entwürfe gegenüber: simple Sitzgelegenheiten, wie sie formal im ländlichen Raum vom Stall bis in die Stube üblich waren. Universell, multifunktional, flexibel und leicht, so könnte man den Hocker „Aymeric“ sowie die Sitzbänke „Cora“ und „Dora“ aus Aluminumwaben charakterisieren. Aber auch als Prinzipien der Wohnkultur der Biedermeierzeit. Schließlich wurden damals die Wohninseln erfunden, die sich je nach Nutzung immer neu konfigurieren lassen. Eine Idee, die gerade heute wieder von Designern und Möbelherstellern bemüht und forciert wird. 

Tipp

MAK-Design-Salon #03: „Robert Stadler. Back in 5 min.“, Momente des Dazwischen in der MAK-Expositur Geymüllerschlössel. Noch bis zum 30. November 2014, jeden Samstag und Sonntag 14 bis 18 Uhr.

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