Robert Comploj: Der Glasversteher

(c) Cathrine Stukhard
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Glas fließt. Und Glasmacher Robert Comploj ließ sich treiben. Einmal rund um die Welt, bis zur eigenen Glashütte in Traun.

Ohne Feuer wird’s nichts. Die bunten Vasen, die filigranen Trinkgläser, die eigene Glashütte – für alles muss man brennen. In Traun in Oberösterreich gehen die Flammen jetzt nicht mehr aus: In den Öfen von Robert Comploj glüht das Glas Tag und Nacht. Bei 1200 Grad. Und für sein Handwerk hat er selbst angefangen zu glühen, als er nach Kramsach in Tirol kam – auf die Glasfachschule. Doch sich von einer Leidenschaft anstecken zu lassen, das war eigentlich nicht der Plan. Sondern ganz pragmatisch: die Matura machen. Tischlergeselle war er damals schon. Doch dieses eigensinnige Material, diese komplexe Persönlichkeit des Glases, die sich bei behutsamer handwerklicher Verehrung so elegant zu Objekten formt, die hat Robert Comploj in eine unvermutete Abzweigung seines Lebensweges manövriert. Als Glasmacher heizt er eine Kunsthandwerkstradition, die auch immer eine österreichische war, neu an, mit eigener Glashütte und eigenen Entwürfen.

Skulptural. Die mundgeblasene Vase „Shadow“.
Skulptural. Die mundgeblasene Vase „Shadow“. (c) Werner Redl

Das Unvermutete und Unverhoffte: Allmählich lässt es sich zügeln, zumindest wenn sich heißes Glas zu Objekten formen soll, die Comploj in Gedanken schon ziemlich genau skizziert hat. Mal lässt er das Glas feinfühlig durch die Arbeits- und Gestaltungsschritte fließen. Mal muss er es kraftvoll wuchten, biegen und brechen. Aber manche Komplikationen sind schwerer vorhersehbar als das Verhalten des Glases. Auch zuletzt ist das Ganze anders ausgegangen. Die Vase, fast fertig und glühend heiß, brach und fiel auf die Hand, trennte Sehnen der Finger durch. Jetzt kennt Comploj nicht nur große Meis ter des Glasmacherfaches persönlich, sondern auch gute Therapeuten. Und natürlich weiß er längst von den besten Brandsalben zu erzählen. Wie auch vom Unterschied, ob man sich beim Kochen eine schlichte Brandblase holt oder beim Glasmachen eine Verbrennung höheren Grades. Comploj weiß auch, wie unterschiedlich Zeitungspapier riechen kann, wenn es verglimmt. Er modelliert die Glasobjekte häufig mit der Hand. Dabei trennt Haut und Hitze nur nasses Zeitungspapier.

Heiß. Der Glasmacher: der Choreograf einer archaisch anmutenden Zeremonie
Heiß. Der Glasmacher: der Choreograf einer archaisch anmutenden Zeremonie(c) Werner Redl

Hitziges Ritual. Brandgefährlich dieses Gewerbe, das dachten sich schon die Venezianer im 13. Jahrhundert. Doch sie wollten nicht die Glasmacher vor sich selbst schützen, sondern ihre Häuser vor den Glasöfen allerorten. Dem Dogen Pietro Gradenigo blieb kaum etwas anderes übrig, als die Glasmacher hinaus ins Exil zu komplimentieren – auf die Insel Murano.

Robert Comploj arbeitet heute noch gern so wie die venezianischen Glaskünstler schon damals, im Sitzen. Die linke Hand dreht die Glasmacherpfeife. Dreht und dreht und dreht. Die rechte Hand formt feinfühlig den glühenden Pfropfen, den er aus dem Glasofen genommen hat. Manchmal ist der Vorgang aber auch eher „böhmisch“ – mit vorgefertigten Holzformen. Oder mit dem Einsatz der Lungenkraft, die glühendem Glas die Gestalt einhaucht. Zuerst ist es jedenfalls immer eine Kugel. „Es ist wie beim Luftballonaufblasen“, sagt Comploj, „zuerst spürt man so eine Art Widerstand. Und dann muss man ganz behutsam weiterblasen.“ Doch am liebsten verfährt Comploj mit dem Glas ohnehin auf Comploj-Art, in einer Mischung aus Techniken, Methoden und traditionellen Arbeitsschritten. Zusammen fügen sie sich zu einem archaisch anmutenden Ritual, fast ein erhabenes Zeremoniell, das nicht ein Druide oder Alchimist leitet, sondern eben ein Glasmacher. „Irgendwie ist es auch wie Klavier spielen. Die Technik zu erlernen braucht Zeit. Aber wenn man sie beherrscht, dann muss man nicht mehr viel darüber nachdenken, was man tut“, sagt Comploj. Höchste Konzentration schadet trotzdem nicht. Allein wegen der Finger. Doch mit all der Erfahrung und angelernter Fokussierung „kann die Arbeit höchst entspannend sein“. Fast wie im „Flow“ fügt sich das Glas dem Gestaltungswillen des Glasmachers. „Man muss das Glas einfach verstehen“, sagt Comploj. Und auch nachvollziehen können, was man selbst tut, antizipieren, wie das Glas darauf reagiert. Damit der unerwartete Ausgang beim nächsten Mal schon der erwünschte ist. Auf jeden Fall: „Nicht jammern, wenn etwas nicht geklappt hat. Sondern gleich wieder durchstarten.“ Negative Energie – die hat selbst in den großen, alten Industriehallen bei so viel Hitze keinen Raum.

Robert Comploj
Robert Comploj(c) Cathrine Stukhard

Archaisch. Doch das Unvorhergesehene kann auch der Freund des Glasmachers sein. Vor allem, wenn es Menschen plötzlich von Kramsach in die USA führt, über London, Dänemark, Niederösterreich schließlich nach Traun in Oberösterreich. Früher ist Comploj als Assistent „jede freie Minute am Glasofen gestanden“, wie er erzählt. Um zu lernen, zu staunen, Glas zu blasen und Handwerkwissen aufzusaugen.

Nebenbei ist er in London unvermutet zum erfolgreichen Tischler geworden. In Dänemark hat er de facto den Betrieb geleitet, als die Chefin es selbst nicht mehr konnte. Inzwischen sind es aber die eigenen Glasöfen, an denen er ziemlich viel Zeit verbringt. Aus Dänemark hat er sie nach Traun liefern lassen, in die zwei Hallen, in die sich Comploj mit seinen zwei Assistenten eingemietet hat. Zwei Öfen sind ständig in Betrieb. „Einer für transpa rentes Glas. Und einer für das farbige.“ Doch da sind noch mehr Feuerstellen: die Aufwärmtrommel mit 1300 Grad, in der der Glasmacher das Werkstück immer wieder auf Arbeitstemperatur bringt. Denn auskühlen sollen die Vasen, Gläser und Objekte erst in jenem Ofen, der eigentlich der Kühlschrank in der Herstellungskette ist. „Dort soll die Vase dann ganz langsam auf Raumtemperatur auskühlen.“ Denn: 500 Grad ist der sogenannte Transformationspunkt. Das flüssige Glas versteift sich. Und dabei verhält es sich oft außerordentlich unentspannt, bricht gern, springt oft. Im Abkühlofen kann sich das Glas in Ruhe auf das Leben nach der Glashütte vorbereiten, je dicker es ist, umso länger muss es entspannen.

Sesshaft. Genug getingelt, dachte sich Comploj. Heute kommen die Menschen zu ihm, um zu lernen, in Kursen oder als Assistenten. Oder er fährt nach Kramsach, um dort zu unterrichten, wo er früher selbst in die Schule ging. Ähnlich wie die Glasmacher von Murano ist er jedenfalls auch auf einer Insel gelandet: einer kreativen Insel in Traun, wo es früher Gerberei und Spinnerei gab und wo heute postindustrieller Charme in die Gegenwart gehaucht wird. Dort ist Comploj ein wenig zur Ruhe gekommen, vor allem auch, seit das AWS- Impulse-Programm des Wirtschaftsministeriums seine Förderung zugesagt hat.

Glasschau.  Mehr Infos zu den Objekten: www.glashuettecomploj.at
Glasschau. Mehr Infos zu den Objekten: www.glashuettecomploj.at(c) Werner Redl

Unscheinbar grau kommt der sandartige Glasrohstoff in Säcken aus Schweden. Die Zeremonie der Transformation beginnt, wenn Comploj mit der Glasmacherpfeife geschmolzenes Glas aus dem Ofen aufnimmt, „so wie Honig aus einem Topf“. Danach dirigieren er und seine Assistenten in stummem rituellen Einverständnis eine beeindruckende Choreografie aus Eisenzangen und -stangen, aus kleinen und großen Bewegungen. Bis in den fertigen, transparenten oder farbigen Objekten die Eigenschaften des Glases endlich glänzen dürfen.

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