Paola Carpineti: Regisseurin einer Wohnwelt

(c) Fabrizio Bergamo
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Als Interieur-Stylistin findet Paola Carpineti das ideale Setting für gediegene Wohnlandschaften.
Text: Fotos: Fabrizio Bergamo

Wenn Paola Carpineti von ihrem Beruf spricht, denkt ihr Gegenüber unweigerlich an einen Traumjob. Denn Interieurs zu stylen, also Möbel und Wohnaccessoires für sie auszusuchen, ist einer jener Berufe, bei dem der Fantasie freier Lauf gelassen wir. Irgendwie versetzt einen dieses Berufsbild sogar direkt zurück in die Kindheit, als man womöglich mit einem Puppenhaus gespielt und alles Mögliche zusammengesucht hat, um es so bunt und schön wie möglich zu gestalten.

Paola Carpineti ist eine typische Italienerin, die es
versteht, ohne übergroßen Aufwand elegant zu wirken. Zum Treffen mit dem „Schaufenster“ im Mailänder Flagship-Store von B&B, unweit des Doms, trägt sie Chinos, ein kariertes Hemd, ein Schaltuch hängt lässig über einer Schulter. Die grau melierten Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und durch die runde Hornbrille blicken lebhafte, neugierige Augen.

Stilsicher. Seit elf Jahren stylt Paola Carpineti die Zeitschrift „B&B Home“.
Stilsicher. Seit elf Jahren stylt Paola Carpineti die Zeitschrift „B&B Home“.(c) Fabrizio Bergamo

Ungebrochene Begeisterung. Seit elf Jahren betreut
Carpineti die hauseigene Zeitschrift der Designmöbelgruppe B&B Italia. Sie erscheint einmal im Jahr und stellt in jeder Ausgabe drei von Carpineti ausschließlich mit den Möbeln der Marke eingerichtete Wohnfotostrecken vor. Für die jüngste Ausgabe wählte sie etwa ein Glashaus im Stil Philip Johnsons im Grünen der Lombardei, eine Altbauwohnung in Neapel und ein modernes Haus in der Nähe von Turin. Der Titel „Three Ways To Feel At Home“ war der übergeordnete Leitfaden, wobei Carpineti sich dann unterschiedliche Wohnstile für jedes Ambiente ausdachte. „Ich mache mich gerade an die zwölfte
Ausgabe, doch die Begeisterung ist noch immer so stark wie für die erste Nummer“, erzählt Carpineti. Viel Fantasie, viel Geschmack und natürlich viel Erfahrung sind hierfür gefragt: „Ich bin aber weder Architektin noch Designerin. Bevor ich zu B&B Italia gestoßen bin, habe ich lang für Zeitschriften gearbeitet, im Bereich Wohnen und Design. Zuerst als Redakteurin, später als Ressortchefin.“ Irgendwann machte ihr aber die Arbeit in der Redaktion nicht mehr so viel Freude. Es traf sich also gut, dass genau in diesem Moment die Kommunikationsabteilung von B&B Italia sie fragte, ob sie nicht Lust hätte, das Image des Unternehmens etwas aufzufrischen. Prompt sagte sie zu und machte sich an die Arbeit. Zuerst passte sie die Ästhetik des Katalogs an die Wünsche einer Klientel an, die sich immer weniger bevormunden, dafür aber gern überraschen lässt. Später folgte die Zeitschrift „B&B Italia Home“. Texte gibt es außer den Bildbeschreibungen und den kurzen Sätzen, die in das jeweilige Ambiente einführen, keinen. Umso wichtiger sind die Fotos, denn diese erzählen die Geschichte. „Eine Wohnung einzurichten ist wie ein Drehbuch zu schreiben“, schildert Carpineti. „Es genügt nicht nur, die Möbel, so schön sie auch sind, aufzustellen, man muss die Bewohner im Kopf haben.“

Vielseitig. Inte- rieure in Neapel, Pino Torinese und  Montebello.
Vielseitig. Inte- rieure in Neapel, Pino Torinese und Montebello.(c) Fabrizio Bergamo

Geduldiges Suchen. Der wichtigste Punkt ist die Suche nach geeigneten Locations: „Während des Jahres blättere ich stapelweise Illustrierte durch, notiere, wenn ich ein Haus oder eine Wohnung abgebildet sehe, die mir gefallen.“ In der Folge muss das Einverständnis des Besitzers eingeholt werden; besonders ärgerlich ist es, wenn jemand in letzter Sekunde seine Meinung ändert. „Manchmal gehen ganze zwei Monate drauf, bis man endlich das geeignete Ambiente gefunden hat“, so Carpineti. Sobald die Location gesichert ist, muss das Layout erstellt werden. „Und das ist der Moment, in dem das Drehbuch entsteht. Von B&B habe ich eine Liste der neuesten Produkte, die zur Ausstattung verwendet werden sollen. Ich selbst mache mich auf die Suche der Gegenstände, die die Räume beleben sollen. Denn die Zimmer werden zur Gänze ausgeräumt.“

Die Besitzer trifft sie persönlich meistens erst beim Shooting. Davor arbeitet sie ausschließlich anhand von Fotos und stellt sich eben imaginäre Bewohner vor. Wichtig dabei ist, dass der Bewohner eine Leidenschaft hat. Ihr Zuhause, erzählt sie, ist zum Beispiel voll mit Gegenständen, die sie von Reisen mitgenommen hat. „Das ist die persönliche Note, die ein Haus von einem anderen unterscheidet“, merkt sie an. Weswegen auch „ihre“ Bewohner eine Leidenschaft haben müssen: für Kunst, für Bücher, für orientalische Gegenstände oder was auch immer. „Die Suche nach diesen Gegenständen ist der mühsamste und gleichzeitig spannendste Teil dieser Arbeit“, erklärt Carpineti. Ihr Auftraggeber lässt ihr dabei freie Hand. Und so hat sie für die jüngste Ausgabe eine interessante Künstlerin in London ausfindig gemacht, deren Vasen sie für eine der Fotostrecken verwendet hat. In einer anderen sieht man eine Installation mit den japanischen Wurfsternen Shuriken, anderswo Vintage-Lampen und bunte Fornasetti-Objekte.

Wohngeschichten. Erst wenn jedes Detail feststeht, macht sich Paola Carpineti zur Location auf. Die Bewohner kennt sie, wie erwähnt, meist nicht. „Doch selbst wenn, mein Layout beeinflussen sie nicht. Ich richte mich nur nach meinem idealen Bewohner – und natürlich nach der Innenarchitektur“, erläutert sie. Ihre Vorliebe gilt Altbauten; aber auch mit Licht durchflutete Räume, in denen durch die großen Glaswände die Natur greifbar nahe wirkt, haben es ihr angetan.

(c) Fabrizio Bergamo

Nimmt die Vorbereitung auch einige Monate in Anspruch, braucht man für das Shooting meistens aber nicht mehr als drei Tage. „Das hat auch damit zu tun, dass ich ein eher ungeduldiger Mensch bin“, gibt die Stylistin zu. In der Tat ist es eine sehr kurze Zeit, und bei jedem Shooting können neue Hürden für das Team auftauchen: „Zum Bespiel könnte das Schlafzimmer off-limits sein. Dann heißt es eben aus einem der anderen Zimmer ein Schlafzimmer zu zaubern.“ Bei der Arbeit geht man systematisch vor, man räumt nicht alles gleich aus, sondern baut ein Set auf, fotografiert, räumt wieder die ursprüngliche Einrichtung ein, und macht sich erst dann an das nächste Wohnambiente. Was am Ende entsteht, ist jedes Mal ein eigenständiges Storyboard. Eine vollendete Geschichte, an der aber jeder noch weiterbasteln und seine eigene Note hinzufügen kann.

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