Pearson Lloyd: Das digital-soziale Wesen

Luke Pearson und Tom Lloyd.
Luke Pearson und Tom Lloyd.(c) Mark Cocksedge
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Das Designduo Pearson Lloyd schafft Möbel für den Austausch: von Gedanken und Ideen. In Räumen, die noch immer Büros heißen.

Designer sind immer auch Verhaltensforscher. Luke Pearson und Tom Lloyd schauen ganz genau hin, wie Menschen aufeinander zugehen. Wie sie sich zueinander setzen, miteinander umgehen und kommunizieren. Wie ein unerklärliches Fabelwesen steht der Wissensarbeiter im Fokus: Wie teilt er das, was er weiß, mit anderen Menschen, die auch viel wissen. In einem Habitat, das noch immer Büro heißen wird, solange es keinen besseren Ausdruck gibt für die Orte, wo sich jeden Tag Menschen zur Arbeit hinbegeben.

Der gemeinsame physische Ort des Austausches ist für Wissensarbeiter noch immer unerlässlich, meint das Designduo Pearson Lloyd aus London, auch wenn das Büro heute überall sein kann, selbst in der Hosentasche. Das System „Parcs“, das sie für den österreichischen Hersteller Bene entwickelt haben, basiert auf dieser Hypothese. „Parcs“ konfiguriert Räume in Bürolandschaften, bricht lineare Büroarchitektur bewusst auf. Für den Austausch mit Kollegen, für konzentriertes Teamwork oder für informelle Konversation. „American Diner“, eines der Elemente, wurde in diesem Jahr in die Sammlung des Wiener Museums für angewandte Kunst aufgenommen. Das „Schaufenster“ traf die Designer im Kaffeehaus, auch um darüber zu sprechen, wieviel Kaffeehaus in Bürokonzepten steckt.

Austausch. Das Elemente-System „Parcs“ von Bene konfiguriert Räume neu.
Austausch. Das Elemente-System „Parcs“ von Bene konfiguriert Räume neu. (c) Beigestellt

Wie sehr können Möbel tatsächlich das Verhalten der Menschen beeinflussen? Etwa die Intensität des kommunikativen Austausches?

Luke Pearson: Möbel sind unglaublich einflussreich. Das ist in jeder Kultur so. Menschen agieren immer in verschiedenen ‚Settings‘, die prägen, aber gleichzeitig auch darauf reagieren, wie sich Menschen verhalten. Es ist eine Art symbiotische Beziehung. Möbel beeinflussen Menschen. Und umgekehrt.

Das heißt, Möbel, die Sie entwerfen, bestimmen, wie gut man miteinander spricht und wie gut man zuhört?

Tom Lloyd: Ich glaube, das hat so viel mit der Konfiguration der Möbel zu tun wie mit den Möbeln selbst. Es gibt viele Architekten und Designer, die über den Einfluss ihrer Entwürfe auf den Menschen gar nicht erst nachdenken. Oft haben sie eher stilistische Fragen oder auch den Raum als Ganzes im Sinn. Doch wenn man sich bewusst ist, was Möbel vermögen, dann kann man mit ihnen tatsächlich auch Verhalten steuern. Je nachdem, was man bezweckt. Auch wenn man einfach nur will, dass Menschen entspannter miteinander reden.


In Wien gelten natürlich auch die Kaffeehäuser als Arbeitsplätze oder Orte der Konversation. Wie sehr sollten aktuelle Büros Kaffeehäuser sein?

Tom Lloyd: Eines der wichtigsten Dinge beim Entwurf vieler ­Möbelsysteme und -konzepte für das Büro ist natürlich die Frage von Distanz, Nähe, Intimität und Öffentlichkeit. In Kaffeehäusern werden solche Themen fast wie von selbst und ganz selbstverständlich abgehandelt. Die Verhaltensweisen sind wirklich ähnlich wie im Büro. Es gibt vertraulichere Gespräche und informellere Konver­sationen. Also, ja: Kaffeehaus und Büro haben definitiv etwas gemeinsam.


Wie recherchieren Sie zu den Themen Nähe, Distanz, Privatheit? Da sind ja auch immer kulturelle und psychologische Faktoren mit im Spiel.

Luke Pearson: Wir berücksichtigen diese Perspektiven. Aber unsere Herangehensweise ist vor allem die Methode der Beobachtung. Aus diesen Erkenntnissen heraus entstehen unsere Entwürfe wie Hypothesen, die wir wiederum testen und verifizieren, innerhalb des Designprozesses. Wichtige Dinge sind neben den Distanzen auch die Akustik sowie die Privatsphäre. Oft kann man eben auch aus Orten außerhalb des Büros Qualitäten für das Büro mitnehmen. Wie etwa die emotionalen Merkmale des Kaffeehauses.

Lange Zeit hat sich die Büroarchitektur nicht wirklich als sehr innovativ erwiesen.

Tom Lloyd: Das Problem des Büros war tatsächlich, dass es viel zu lange viel zu statisch war. Viele Jahre ist technologisch und architektonisch so gut wie gar nichts passiert. Glücklicherweise für Arbeitsbedingungen in den Büros, aber auch für unsere Arbeit und die Arbeit von Büromöbelherstellern wie Bene, für die wir schon intensiv gearbeitet haben, sind die Menschen um einiges experimentierfreudiger geworden.


Wenn das digitale Zeitalter uns alle so frei macht, macht es uns nicht auch frei von fixen Arbeitsplätzen und dem Konzept „Büro“? Warum brauchen wir noch einen Tisch, an dem wir mit anderen zusammenkommen?

Luke Pearson: Menschen suchen den direkten Kontakt zu anderen Menschen. Wir brauchen einfach die Face-to-Face-Kommunikation. Und vor allem, wenn wir Ideen und Wissen mit anderen teilen, brauchen wir auch die physische Präsenz im selben physischen Raum. Wir sind soziale Wesen, auch im digitalen Zeitalter. Wir wollen andere Menschen sehen, treffen und mit ihnen in physischen Kontakt treten. Schon kleine Gesten, Gesichtsausdrücke, gemeinsames Kritzeln und Scribbeln auf Papier während Meetings können große Unterschiede in der Kommunikation machen. Elektronisch kann man gewisse Kommunikationsebenen einfach nicht vermitteln.


Braucht die Ideenfindung, die Kreation immer die physische Interaktion von Menschen?

Tom Lloyd: Menschen sind auch für sich allein kreativ und schöpferisch, klar. Aber selbst ein Maler, der introvertiert seine Bilder malt, braucht jemanden, der sein Bild betrachtet und darauf reagiert. Wenn man etwas kreiert, ist es, glaube ich wichtig, dass man mit jemandem darüber spricht. Bei uns ist das ja auch so. Wenn wir etwas designen, kann das Tage dauern. Aber manchmal genügen zwei Sätze von jemandem, der uns Feedback gibt. Und schon haben wir einen Katalysator, der den Entwurf in eine ganz andere Richtung dreht. Die Interaktion mit anderen ist wichtig, um Dinge manchmal klarer zu sehen. Aber auch, um einfach nur den eigenen Gedanken eine Pause zu gönnen.


Auch in den Creative Industries existiert diese Doktrin vom Co-Working. Was ist mit den Introvertierten, die nicht ständig Lust auf Austausch haben?

Luke Pearson: Natürlich gibt es Menschen, die nicht in dieses Schema passen, das auch die Kreativwirtschaft da hochstilisiert. Aber selbst Autoren müssen recherchieren, damit sie ihr Wissen irgendwo zusammenbekommen. Und auch das hat mit Menschen zu tun. Die Wirtschaft selbst dreht sich in erster Linie um Austausch, von Geld und von Waren. Das interaktive Moment im Business ist grundlegend, weil der Austausch von Ideen und Wissen einfach nur eine neue Form der Wirtschaft ist. Und die Ideen­findung ist noch dazu nie ein linearer Prozess. Sondern eine Entwicklung, die ständig überraschend neue Abzweigungen nimmt, weil sie von außen, vom Feedback und vom kreativen Austausch in neue Bahnen gelenkt wird.

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