Sou Fujimoto, der Baumeister der Bäume

Baumfreund. Der japanische  Architekt Sou Fujimoto baut  geradezu organische Strukturen.
Baumfreund. Der japanische Architekt Sou Fujimoto baut geradezu organische Strukturen.(c) David Vintiner
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Der japanische Architekt Sou Fujimoto schlägt kreative Brücken zwischen natürlichen Wäldern und artifiziellen Häusern.

Der Wald scheint das Habitat seiner Ideen zu sein. Zumindest verzweigen sich die Gedanken des japanischen Architekten Sou Fujimoto gern zu Objekten, Gebäuden und Projekten, in denen man immer wieder den Baum zu erkennen glaubt. Im Maßstab einer Bushaltestelle im Bregenzerwald genauso wie in einer künstlerischen Installation für die Modemarke Cos in Mailand, die kein Holz und kein Blattwerk gebraucht hat, um trotzdem ein Wald zu sein, ein Forest of Light, ein Lichterwald. Bei Fujimoto wachsen die Bäume nicht wie früher bei Hundertwasser aus den Fenstern der Häuser, eher sind die Häuser selbst die Bäume. Die Architektur bleibt artifiziell, doch sie kann organisch wachsen, und ihr Zugang kann ein ganz natürlicher sein, sagt Fujimoto im Interview mit dem „Schaufenster“.

Architektur und Design sind oft ziemlich dogmatisch. Die Gestalter, die Bauherren und die Hersteller sagen uns, wie wir leben sollen. Welchen Freiraum können Architekten uns noch lassen?
Wenn die Architektur so ist, wie Sie sie beschreiben, dann ist es keine gute Architektur. Denn gute Architektur lässt natürlich Raum für Inspiration und Kommunikation, sie setzt sich auch mit den Gefühlen der Menschen auseinander. Und ja, auch unter wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen, unter ökonomischem Druck, sind Projekte möglich, die gute Lösungen bieten, die versuchen, gut und kreativ mit dem Raum und dem menschlichen Leben umzugehen.


Einen Großteil der Zeit verbringen Sie im Flugzeug, hört man. Einmal hat es Sie auch in den Bregenzerwald verschlagen. Dort haben Sie für das Bus:Stop-Projekt ein Buswartehäuschen in Krumbach gestaltet. Wie war die Erfahrung für Sie dort?
Ich war wirklich tief beeindruckt, welche architektonischen Visionen dort verfolgt werden. Und spätestens als ich die Liste der eingeladenen Architekten für das Projekt gesehen hatte, konnte ich nicht mehr Nein sagen.

Bushaltestelle. In Krumbach in  Vorarlberg hat Fujimoto eine  Bushaltestelle realisiert.
Bushaltestelle. In Krumbach in Vorarlberg hat Fujimoto eine Bushaltestelle realisiert.(c) Felix Friedmann/Bregenzerwald Tourismus


Diese lokale Ausprägung von Architektur, wie man sie in Vorarlberg vorfindet – ist das etwas, mit dem Sie sympathisieren?
Ja, natürlich. Die Ausgangslage war toll. Der Blick auf die Berge, die Integration der Natur. Ein Buswartehäuschen in der Landschaft aufzustellen ist klarerweise trotz allem eine artifizielle Aktivität, die wir gesetzt haben. Aber im Endeffekt ging es um das einfache Leben und darum, dass Krumbach ganz besondere Bushaltestellen haben wollte. Das ist schon erstaunlich. Es waren sieben Büros, die sieben Haltestellen gestaltet haben. Jede einzelne war wichtig. Wir haben uns überlegt, wie wir unsere Energie einfließen lassen können – eine Frage, die wir uns ständig stellen. Ich habe einige lokale Architekten in Vorarlberg besucht, ich war fasziniert von der Art und Weise, wie sie mit natürlichen Materialien und der Landschaft umgehen. Eindrucksvoll.


Wie viele Ihrer Projekte hat auch das Wartehäuschen in Krumbach Analogien zum Wald. Wie kommt das?
Das Wartehäuschen sollte mehr sein als das, was es ist. Selbst, wenn es für die Einheimischen vor allem eine Bushaltestelle ist. Wir wollten eine Landmark. Schließlich ist die Haltestelle sogar vom Krumbacher Rathaus aus sichtbar. Andererseits hat man eine wunderbare Aussicht von der Bushaltestelle. Das wollten wir verstärken, deshalb haben wir Stiegen gemacht. Und jetzt kann man – zugegeben ein romantischer Gedanke – dem Bus zuschauen, wie er sich über die Kurven der Straße dem Wartehäuschen allmählich nähert. Aber vor allem wollten wir in dieser Landschaft nicht zu viel Künstlichkeit erzeugen, deshalb haben wir uns entschieden, einen Wald zu machen aus weißen Pfählen. Und dieser Wald verschwimmt aus der Ferne zu einer Art weißer Wolke auf dem Hügel.


Doch der Wald selbst, und überhaupt die Natur – das sind doch fundamentale Punkte Ihrer Architektur.
Ja, das stimmt. Aber nicht in dem Sinn, dass ich Dächer begrüne oder Fassaden. Ich untersuche die Beziehung von Natur und Architektur. Worin liegen die Unterschiede, worin könnten die Ähnlichkeiten bestehen? Das interessiert mich. Unsere Hauptaufgabe als Architekten ist es doch, eine bessere Umwelt zu kreieren. Und in unserem Fall verwenden wir manchmal dazu natürliche Mittel und manchmal gar nicht. Auch bei der Installation für Cos während des Salone del Mobile in Mailand haben wir nichts Natürliches verwendet, sondern nur künstliches Licht und Spiegel. Trotzdem konnten wir eine fast natürliche Atmosphäre wie im Wald erzeugen, einen Forest of Light. Wenn wir Bäume verwenden, dann auch eher im interpretatorischen Sinn, nicht im eigentlichen. Ich will mich nicht mit der Natur befassen, weil es gerade Mode ist. Sondern ich möchte ihre Beziehung zur Architektur tiefgründiger hinterfragen.

Lichterwald. Fujimoto inszenierte auf der Mailänder Möbelmesse für das schwedische Modelabel Cos.
Lichterwald. Fujimoto inszenierte auf der Mailänder Möbelmesse für das schwedische Modelabel Cos.(c) Beigestellt



Der Wald als Motiv. Als Inspiration. Woher rührt das in Ihrem Fall?
Dazu muss ich wahrscheinlich in meine Kindheit zurückgehen. Ich bin in Japan auf dem Land aufgewachsen. Ich habe immer im Wald gespielt, das war ein geschützter, unbeschwerter Bereich meiner Kindheit. Als ich mit der Architektur begann, dachte ich: Der Wald wäre ein guter Ausgangspunkt für meine Überlegungen. Vor allem, wie man Wald in Architektur übersetzen könnte, obwohl beides vom Wesen grundverschieden ist. Aber gerade das kreative Brückenschlagen ist für mich eine Herausforderung. Man muss dabei zwangsläufig sehr innovativ vorgehen, wenn man etwa, wie bei unserer Installation in Mailand, die Atmosphäre eines Waldes schaffen will, ohne wirkliche Bäume zu haben. Es geht immer um die Kommunikation und Interaktion zwischen künstlich Geschaffenem und der Natur. In diesem Spannungsfeld finde ich meine Inspiration. Der Wald ist ein Terrain der Diversität wie kein anderes. Und meine Aufgabe ist es, diese Diversität in Architektur, in lebenswerte und innovative Lebensräume zu übersetzen.


Diese Diversität, von der Sie sprechen, ist das auch die Verbindung zu größeren, menschlich geschaffenen Maßstäben – wie etwa dem künstlichen Wald, den man Stadt nennt?
Ja, nehmen wir nur Tokio als Beispiel. Manche Orte dort sind tatsächlich wie künstliche Wälder, voller Diversität. Ich glaube aber, dass man auch im großen Maßstab der Stadt mit kleinen Eingriffen Diversität generieren und die Stadterfahrung maßgeblich mitbeeinflussen kann.


Denken Sie, dass organisch gewachsene Strukturen dem Menschen generell besser liegen als künstlich abgezirkelte?
Ich bin fasziniert – wie die meisten Leute – von den mittelalterlichen Städten, in denen sich die Straßen wie Adern in Blättern verzweigen. Aber auf der anderen Seite gibt es Städte wie Paris, denen es auch gelang, die Balance zu halten, von geometrisch abgezirkelten Achsen und sich windenden Straßen dahinter. Auch dort kann Diversität entstehen.

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