Effektiver Minimalismus

Der Möbelproduzent Rimadesio feiert 60. Geburtstag. Die Hälfte dieser Zeit ist Giuseppe Bavuso Chefdesigner und sorgt nach wie vor für studentischen Esprit.

Giuseppe Bavuso und Davide Malberti stehen im Wiener Rimadesio-Showroom. Der eine, Malberti, Geschäftsführer der italienischen Möbelfirma, der andere, Bavuso, Chefdesigner des Hauses, das es seit 60 Jahren gibt. Die Hälfte dieser Zeit ist Bavuso dort im Amt. Kennengelernt haben sich Malberti und Bavuso Ende der 1980er-Jahre in Köln. „Wir waren beide erpicht darauf, unsere Visionen umzusetzen“, sagt Malberti und schaut Bavuso an, sie beginnen zu lachen: „Wir waren ziemlich verrückt!“ Die Visionen der zwei Männer für das Haus Rimadesio, das Malberti schließlich erbte, waren zudem sehr ähnlich: Möbel für das moderne Leben. Technologieorientiert und minimalistisch, dennoch glamourös und elegant. Die zwei Männer, die im Rahmen der Vienna Design Week im Einrichtungshaus Grünbeck die österreichische Rimadesio-Geburtstagsparty feiern wollen, wirken noch immer schelmisch, auch wenn die Anzüge besser geschnitten sein dürften als damals, als sie sich als junge Männer kennenlernten.

Bavuso hatte damals gerade einer Reihe Schlafwaggons neue Innenausstattung verpasst. Das war sein erster Job nach dem Studium am Mailänder Polytechnikum. Und das habe, meint Bavuso rückblickend, erstaunlich gut für den Einstieg bei Rimadesio gepasst. „Es war höchst technisch, sehr spezifisch.“ Malberti wollte aus seiner Familienfirma, die 1956 als Glasereibetrieb im norditalienischen Desio startete, ein zeitgeistiges Unternehmen machen; dem jungen Bavuso traute er zu, die Ideen umsetzen zu können, die klare, moderne Handschrift zu finden, die er suchte. Sie hatten dieselben Vorstellungen und entschieden sich für eine langfristige Partnerschaft. „Ich habe mir dann Gedanken darüber gemacht, wie man die Modernität am besten umsetzen könnte“, sagt Bavuso. Ein großes Signature-Stück sollte es werden. Es wurde: eine Tür.

Stil. Die Funktion soll bei Rimadesio auch immer als Designelement genutzt werden.
Stil. Die Funktion soll bei Rimadesio auch immer als Designelement genutzt werden.(c) beigestellt

Geschichte und Philosophie. Für Bavuso war sie ein fehlendes Element auf dem Möbelmarkt: „Es gab keine Tür, die auch schön, ein dekoratives Element war“, sagt er. Er verfolgte – mit Malberti – den Ansatz, mit der Einrichtung die Architektur eines Hauses quasi zu verlängern. Türen, Schiebetüren im Speziellen, waren in dem Fall ein Element des Open-Space-Gedankens: offene Räume, freie Flächen, Flexibilität, Modernität.

Die Idee für das Türsystem sei somit schon länger in seinem Kopf gewesen, erinnert sich Bavuso an den Entstehungsprozess. Umgesetzt wurde sie schließlich 1992 – und sofort mit Designpreisen bedacht. Das System, „Siparium“, benannt nach Kulissen im antiken römischen Theater, war ein definierender Moment in der Firmengeschichte. Alles, was danach bei Rimadesio passiert ist, trägt nicht nur Bavusos Handschrift, sondern auch den Geist der Tür mit sich.

Die Tür als Objekt ist bedeutungsschwanger, insofern ist sie als Unternehmensmeilenstein durchaus passend. Die Türen von Rimadesio sind mit ihrem Magnetschließsystem leise, unauffällig, höchst elegant: Sie verbergen Dinge ebenso, wie sie selbst ein Statement im Raum sind, ganz Bavusos Anspruch folgend, der Funktion auch eine Designaufgabe zu übertragen. „Die Tür“, sagt er, „ist nicht die bloße Trennung zweier Räume. Sie ist die Verbindung von Räumen.“ Auch an dieser – seiner – Philosophie liege es, meint Bavuso, dass Rimadesio-Türen keine schlichten architektonischen Notwendigkeiten, sondern Interieurelemente seien.

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Filter des täglichen Lebens. Heute ist Rimadesio auch durch den technologieaffinen Zugang einer der großen Player auf dem ohnedies großen italienischen Designmarkt. Der internationale, glatt-elegante Stil des Hauses manifestiert sich in den magnetischen Türsystemen, die Bavuso aus Aluminium und Glas entwickelte. Aus den verwendeten Materialien der Türenreihe entstand in weiterer Folge auch die gesamte Möbelkollektion, die die Formsprache weiterträgt: dunkles Holz, matt schimmernde Metallobjekte, sattes Leder – als „effektiven Minimalismus“ bezeichnet Bavuso seine Designsprache. Lineares Wachstum, lineare Produktentwicklung.

Dass Aluminium so ein essenzielles Element für seine Arbeit geworden sei, meint Bavuso lachend, sei ziemlich interessant, wenn er an sein erstes Projekt – die Zugwaggons – zurückdenkt. Das klingt sehr technisch, doch die Inspiration für seine Arbeiten, ergänzt er, kämen nicht aus der Industrie, sondern aus dem täglichen Leben: „Wie sich Leute kleiden, wie sie sich bewegen, wie sie miteinander reden, wie sie essen. Ich filtere diese Beobachtungen, interpretiere sie, um herauszufinden, was den Menschen gefällt und was ihnen fehlt.“ 

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