Möbelmanufaktur Wittmann: Hoffmanns Erben

Begutachtung. Franz Wittmann mit dem Josef-Hoffmann-Sessel „Villa Gallia“.
Begutachtung. Franz Wittmann mit dem Josef-Hoffmann-Sessel „Villa Gallia“.(c) Wittmann
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Die Möbelmanufaktur Wittmann wird 120 Jahre alt. Das österreichische Unternehmen ist das einzige weltweit, das die Möbel von Josef Hoffmann herstellen darf.

Wie es so oft ist im Leben: Etwas funktioniert nicht so recht, man muss sich für einen neuen Weg entscheiden oder ihn zuerst einmal suchen. Im Fall der Sattlerei Wittmann im niederösterreichischen Etsdorf am Kamp musste man ebenfalls, nun ja, umsatteln. Franz Wittmann gründete vor 120 Jahren, ebendort im Weinviertel, eine Sattlerei, in der per Hand die Sattel für die Pferde der Bauern in der umliegenden Gegend gefertigt wurden. Um die Einnahmen der Wittmann-Werkstatt aufzubessern, begann Franz Wittmanns Sohn Rudolf damit, die Polster der Pferdekutschen zu reparieren. Das war der erste Kontakt der Manufaktur mit dem Handwerk der Polsterei; heute steht der Name Wittmann freilich dafür.

In die Zeit zwischen 1896 und 2016 fielen auch zwei Weltkriege. Von Rudolf Wittmanns drei Söhnen kamen nur zwei zurück aus dem Zweiten Weltkrieg; Franz Wittmann junior über Umwege – über die Kriegsgefangenschaft in den USA. Dort vertiefte er sich in Bücher der Kunstgeschichte. Sein Bruder Karl wurde indes zunächst Tierarzt, verschrieb sich später aber ebenfalls der Kunst. Immerhin: Das Pferd als Nutztier wurde immer unbedeutender. So traf Franz Wittmann junior die Entscheidung, nur bei der Produktion von Polstermöbeln zu bleiben, und begann damit, die Entwürfe bedeutender Architekten der Nachkriegsmoderne umzusetzen; in den 1960er-Jahren etablierte sich Wittmann als Marke in Wien und in Europa.

Eine besondere Arbeitsbeziehung, fast eine Freundschaft, verband Franz Wittmann junior mit dem Architekten Johannes Spalt – eine, die das Unternehmen einzigartig machen sollte. 1956 war der Architekt Josef Hoffmann gestorben, er war eine Ikone gewesen, eine Wiener Ikone noch dazu: Hoffmann hatte unter Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste studiert, war schon mit 29 Professor an der heutigen Universität für angewandte Kunst gewesen; mit Joseph Maria Olbrich hatte er die Wiener Secession, mit Koloman Moser die Wiener Werkstätte gegründet. Sein Werk umfasst eine kaum enden wollende Liste an Entwürfen, Bauten, Interieurs.

Klassiker. Hoffmanns Möbel „Alleegasse“ (oben),  „Kubus“.
Klassiker. Hoffmanns Möbel „Alleegasse“ (oben), „Kubus“.(c) Wittmann

Hoffmanns Witwe Carla bat nun eben Johannes Spalt um Rat, nachdem eine italienische Firma sie wegen der Rechte an den Möbelentwürfen ihres Ehemannes kontaktiert hatte. Spalt schlug Franz Wittmann vor, die Rechte zu erwerben, die Hoffmann-Möbel in Etsdorf herzustellen. 1969 verlieh Carla Hoffmann Wittmann schließlich die alleinigen Rechte an den Entwürfen. Bis heute bleibt das Unternehmen weltweit der einzige Produzent, der autorisiert ist, die Möbel nach Hoffmanns Originalentwürfen zu bauen.

Beständig. Die Geschäfte bei Wittmann führen heute Ulrike Wittmann und Hartmut Roehrig, bis Ende 2015 war auch Ulrike Wittmanns Ehemann Heinz Hofer-Wittmann Teil der Geschäftsführung. Als gemeinsames Charakteristikum der Firma und der Hoffmann-Entwürfe nennt das Paar deren Zeitlosigkeit. Ihre Lieblingsstücke: „Das Polstermöbelstück ,Alleegasse‘ aus dem Jahr 1912. Es ist bequem, charmant und lässt sich flexibel kombinieren“, meint Ulrike Wittmann. Ihr Ehemann ergänzt: „Der Fauteuil ,Kubus‘ aus 1910. Ein Klassiker. Ich mag das Quadrat als Leitmotiv dieses Möbelstückes.“ Die beiden Modelle zählen auch zu den beliebtesten Stücken der Kunden. Alle Möbel von Wittmann werden auftragsbezogen produziert; zehn Prozent davon sind Hoffmann-Modelle.

Günter Diendorfer, der Produktionsleiter der Wittmann-Manufaktur, kennt die Auftragslage genau: „Der ,Kubus‘ wird weltweit am häufigsten bestellt, die ,Alleegasse‘ von den Schweizern und das ,Palais Stoclet‘ von Kunden aus den Benelux-Ländern. Die Möbel werden nach den Entwürfen von Josef Hoffmann originalgetreu von uns per Hand gefertigt. Doch es gibt Unterschiede: Zur Zeit Josef Hoffmanns waren das Know-how und die Verfügbarkeit der Materialien nicht auf demselben Stand wie heute. Die Holzgestelle werden in einem zeitgemäßen Herstellungsverfahren gefertigt und der Polsteraufbau wurde verbessert.“ Mit dem Pferdesattel von einst hat das vielleicht nicht mehr allzu viel zu tun. Doch die Beständigkeit über Generationen zeichnet bei Wittmann nicht nur die Möbel, sondern auch das Unternehmen aus, trotz – oder vielleicht gerade wegen – des Umsattelns.

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