Farbverständnis: Lokalkolorit

(c) Thomas Gobauer
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Therapie gegen Chromophobie: In der Wiener Kix-Bar trafen sich Gestalter, für die Farbe viel mehr ist als nur ein Anstrich.

Ganz schön viel auf einmal, was sie leisten: Sie warnen, besänftigen, aktivieren, sättigen sogar. Und manchmal, ohne dass man es hört, schreien oder knallen sie. Wundersame Erscheinungen, diese Farben. Auf Blumenwiesen, ja, dort finden sie auch die Designer, Architekten und Einrichtungsberater toll. In der gebauten Umwelt jedoch, die sie mitgestalten, ist Beige oder ein Hauch von Grau manchmal schon zu gewagt. Als könne man sie gestalterisch schlichtweg nicht beherrschen, so sehr scheuen Entwürfe und Wohnkonzepte oft die Farben. David Batchelor hat schon vor Jahren in seinem Buch diagnostiziert: Abseits des Blumenstraußes und der Kunstgalerie herrscht Chromophobie.

Bleib du selbst, authentisch, auch beim Wohnen, das raten die Berater. Aber was tun, wenn man nicht weiß, wer man ist? Neutral, das ist gut, das passt zu allem. So wie Wasser. Das tut nicht weh, fällt keinem auf. Selbstsicher knöpfen sich die Architekten ihre schwarzen Hemden vor den Präsentationen, im Farbtopf rühren sie dafür oft unbeholfen. Die farbliche Verantwortung lagern sie deshalb auch gern aus, in Projekte wie „Kunst am Bau“, oder gleich an die Künstler selbst. Die werden ja wohl wissen, was sie tun. Das Farbverständnis von Oskar Putz etwa, das bildet sich noch heute in verschiedensten Projekten ab, die er gemeinsam mit Architekten wie Adolf Krischanitz oder Rüdiger Lainer realisiert hat. Aber besonders deutlich zeigt es sich in einer Bar in der Wiener Bäckerstraße: Die Kix-Bar eröffnete 1987. Damals war das Konzept „Bar“ in Wien noch gar nicht so richtig angekommen. Und das Interior-Konzept „künstlerisch gestaltete Bar“ noch weniger: „Für manche war das schon zu avantgardistisch“, erzählt der Gastronom Heinz Altmann.

Gestalterisches Bekenntnis. Das Büro Coop Himmelb(l)au hatte schon einen Entwurf vorgelegt, doch daraus wurde nichts. Dann begegnete Altmann Oskar Putz. Zunächst seiner Kunst in der Sezession, danach dem Künstler selbst. Der Raum in der Kix-Bar ist sechs Meter hoch. Putz löste seine Konturen grafisch auf, um sie mit satten Farbblöcken eindrucksvoll neu zusammenzusetzen. Seitdem stehen immer wieder auch Kunst- und Architektur­studenten an der Bar, hinter der heute Altmanns Sohn Valentin steht. Die Farbgestaltung von Oskar Putz wirkt auch dreißig Jahre später. Selbst gedämpft von einem Schleier aus Nikotin und Barbetrieb. Heute ist die Bar hauptsächlich betischt und bestuhlt von Modellen von Jasper Morrison, dazwischen stehen noch ein paar Originale von Oskar Putz, so silber wie der Aluminiumboden.

Mit dem Farbe-Bekennen tun sich viele Gestalter schwer. Vor allem auch in privaten Räumen. Das unverbindliche Neutrale, das sei gefragt, weiß Einrichtungsplanerin Karin Quas, vor allem, wenn es um die Farben der Möbel und ihrer Bezüge geht. Dabei könne das Unverbindliche auch „wahnsinnig langweilig“ geraten, meint sie. Eine Weder-Noch-Attitüde der Mutlosigkeit, die weder wehtut noch befriedigt, einem Paradigma verpflichtet, das kaum noch zeitgemäß ist – der Zeitlosigkeit. „Wir sind viel zu sehr abhängig von Moden, und vor allem auch in der Stadt verändern sich die Farbwelten und Stimmungen ständig.“ In ihren Möbelschauräumen in der Wiener Gumpendorferstraße sind die meisten Wände farbig, auch zuhause, erzählt Quas, sei nur eine Wand weiß, im Badezimmer. „Jeder soll seinen eigenen Stil finden und auch eigenen Geschmack entwickeln im privaten Bereich. Räume, die den Menschen, die damit leben, entsprechen sollen. Gleichzeitig hoffe ich, dass so viel Farblosigkeit, wie man derzeit sieht, den Menschen nicht entspricht.“

Raumeffekt. Nicht nur vielen Räumen steht Weiß nicht besonders gut. Auch den Möbeln nicht, die in ihnen stehen. „Holzfarben vor einem Blaugrau etwa, das sieht viel schöner aus“, meint Innenarchitektin Johanna Schuberth. Das lautstarke Knallen, das In-die-Augen-Stechen, das dimmt sie in ihren Entwürfen auch herunter, in „abgetönter“ Form, mit Schwarzanteilen visuell entschärft. „Wir glauben nicht so sehr an die klassische Farbpsychologie. Von wegen: Rot macht aggressiv, Grün beruhigt. Es kommt nämlich immer auf die Mischung, auf den Farbanteil an.“ Aber natürlich auch auf die Materialien, die man tüncht, „ein roter Teppich wirkt anders als eine rote Lackoberfläche“. Auch die anderen Farbtöne im Raumkontext „mischen“ mit: „Auch Dunkelrot kann man zum Strahlen bringen, wenn man die anderen Farbtöne bewusst wählt.“

Bei der Galerie So in der Esterházygasse im sechsten Wiener Bezirk hätte man 66 Farbtöne zur Wahl: die Kollektion Wien. „Jeder Farbe ist eine Geschichte hinterlegt“, erzählt Andreas Raicher. Viele sind aus der Farbwelt Wiens „herausgelesen“, wie etwa „St. Stephan Hell“ oder St. Stephan Dunkel“. Oder auch „Stubenring“. Da heißt dann auch der zarte Blauton „Tröpferlbad“ und das Schwarz „Fiakerschwarz“. Wenn er Farbkonzepte für Wohnräume entwickelt, entscheide nur eines: Was gefällt und was nicht. „Die Vorlieben identifizieren wir im intensiven persönlichen Gespräch.“ Im öffentlichen Bereich, in den Bars, den Geschäften, da könne man sich auch den Moden und Trendfarben als Gestalter natürlich nicht ganz entziehen. Doch „richtig“ und „falsch“ sind auch hier keine Kategorien. „Es ist wie in der Mode, es ist ein ­Stilflirren. Fast alles ist erlaubt“, sagt Raicher.

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