Daniel Rybakken: Wider das Designdiktat

In der Garderobe. Daniel Rybakken sitzt inmitten seiner „Kiila“-Kollektion.
In der Garderobe. Daniel Rybakken sitzt inmitten seiner „Kiila“-Kollektion.(c) Kalle Sanner and Daniel Rybakken
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Der norwegische Designer Daniel Rybakken mag die Abweichung von der Norm. Und betrachtet Spiegel aus ganz neuen Blickwinkeln.

Das Licht ist das liebste Element von Daniel Rybakken. Vielleicht auch deshalb, weil es in seiner Wahlheimat Schweden ein paar Monate im Jahr nicht allzu viel davon gibt. Auch wenn es reflektiert wird von einem Spiegel, wirft Licht ein paar ganz neue Möglichkeiten der Gestaltung in den Raum, vor allem, wenn sich ein Tüftler wie Rybakken damit beschäftigt. Und dabei auch gern einmal die eingelernten Konventionen bricht, etwa die Vorstellung, wo so ein Spiegel hängen soll. Für den finnischen Hersteller Artek hat sich der norwegische Designer da so seine Gedanken gemacht, auch darüber, wie man das Formenerbe des Design-Übervaters Alvar Aalto, das Artek hütet, sanft aktualisieren könnte.

Sie sind Norweger, der in Schweden lebt und für einen finnischen Hersteller arbeitet. Eine ziemlich nordische Designverbindung. Ist Göteborg ein gute Stadt für Gestaltung?
Manche verwechseln ja noch skandinavisches Design mit dem nordischen. Zu Letzterem gehören schließlich auch Finnland und Island. Und natürlich gibt es auch so etwas wie Hauptstädte des nordischen Designs, da gehört Göteborg wahrscheinlich nicht unbedingt dazu. Aber ich mag die Stadt, weil sie einfach auch langsamer ist als Stockholm etwa. Dort herrscht ein Konkurrenzkampf, jeder will als bester, größter, erfolgreichster Designer gesehen werden. Doch über den erfolgreichsten Designer aus Göteborg, da zerbricht man sich nicht so sehr den Kopf.

Spiegelkabinett. „124 Degree“, der Spiegel, den Rybakken für Artek entwarf.
Spiegelkabinett. „124 Degree“, der Spiegel, den Rybakken für Artek entwarf. (c) Zara Pfeifer


Obwohl es gut sein könnte, dass Sie es sind. Auch weil Ihr Portfolio verrät, dass Sie die Konventionen in der Formgebung ein wenig austesten. Wie funktioniert das bei einem naturgemäß kommerziell orientierten Kunden?
Es ist einfach dieser Mechanismus des menschlichen Gehirns, der die Wahrnehmungen, diesen ständigen Stimulus-Overflow, irgendwie vereinfachen und verarbeiten muss. Dazu gehört das Kategorisieren in stereotype Schubladen. Da entstehen Wahrnehmungsgewohnheiten. Wenn man die hinterfragt, irritiert das natürlich auch. Viele Designer arbeiten sehr konventionell. Mir gefällt das nicht so gut. Ich arbeite lieber so, dass ich mit gewissen impliziten Er­wartungshaltungen bewusst breche. Aber es ist natürlich das Dilemma, dass man, wenn man traditionellere Formen hinter sich lässt, manchmal nicht kommerziell genug ist für manche Her­steller.


Wie weit aus dem konventionellen Rahmen haben Sie sich etwa mit dem Spiegel, den Sie für Artek entworfen haben, gelehnt?
Der Spiegel „124 Degree“ für Artek ist natürlich auch ein konzeptionelles Objekt, aber gleichzeitig ein kommerzielles, es soll sich natürlich verkaufen. Einzigartig ist es auf jeden Fall. Wir haben einen kleinen Twist mit einem großen Effekt eingebaut: Wichtig war mir, dass der Winkel, in dem die zwei Spiegelflächen zueinander stehen, nicht 120 Grad ist, sondern mehr als das. Denn 120 Grad, das wäre wieder so eine visuelle Erfahrung, die nicht ganz neu ist. Das ist eben ein Drittel von 360 Grad. Deshalb haben wir ein paar Grad mehr draufgelegt, mit einem ganz anderen perzeptiven Ergebnis. Jetzt sind es 124 Grad. So heißt der Spiegel auch. Diese vier Grad wirken sich gleich in den Reflexionen ganz anders aus, abhängig von der Größe des Raums, in dem der Spiegel hängt. Er funktioniert erst als Spiegel, wenn man in der richtigen Position zu ihm steht. Andere Spiegel sind immer nur Spiegel. Egal, von welcher Position aus.

Lichtsteigerung. Für Luceplan entwarf Daniel Rybakken „Ascent“.
Lichtsteigerung. Für Luceplan entwarf Daniel Rybakken „Ascent“. (c) Beigestellt


Mit diesem Projekt haben Sie die Konvention, wo so ein Spiegel hängt, auch ein wenig aufgeweicht. Hauptsache, er hängt an der Wand. Aber wo?
Er kann überall hängen. Weil er eben erst zum Spiegel wird, wenn man in einer gewissen Position vor ihm steht. Ich liebe ja die flachen, weißen Wände generell. Weil sie ein guter Rahmen sind für viele Dinge, die ich mache. In meinem Portfolio sind einige Produkte, die an der Wand ästhetisch am besten funktionieren. Auch Leuchten. An der flachen Wand können die Dinge für sich stehen, wie auf einer Leinwand oder wie auf einem vertikal gekippten Podium.


Im Wohndesign leben ja die Designkunden unter einer ganzen Reihe von Diktaten. Wie viel schreiben Sie dem Nutzer vor?
Viele Menschen schauen tatsächlich in Magazine oder Blogs und lassen sich diktieren, wie und womit man leben soll. Bei meiner Kooperation mit Artek stand von Anfang an fest, dass die Dinge nichts diktieren sollen, sondern eher offen lassen. Manche Artek-Produkte schreiben nichts vor. Da funktionieren Hocker etwa genauso gut als Beistelltische. Mein Spiegel kann ein Spiegel sein oder der Rahmen für etwas, was man in der Wohnung highlighten will. Es ist ja gerade so üblich, dass Designhersteller sich bemühen, den Menschen und Konsumenten besonders viele Optionen in die Hand zu geben. Aber meist zeigt die Beobachtung: Der Nutzer kann damit wenig anfangen.

Glanzvoll. Mit „Stochastic“ versuchte sich der Norweger auch am Luster.
Glanzvoll. Mit „Stochastic“ versuchte sich der Norweger auch am Luster. (c) Beigestellt


Das heißt, die Designindustrie erfindet Bedürfnisse, die der Konsument nie hatte. Wie etwa das Flexibelbleiben.
Das modulare Denken hat meiner Meinung nach oft mehr Sinn während der Produktion. Wie wir es für die „Kiila“-Kollektion bei Artek gemacht haben. Gewisse Elemente kommen an unterschiedlichsten Stellen zum Einsatz.


Auch der „Urbane Nomade“ ist doch so eine Erfindung der Designindustrie.
Ich denke auch. Faltbare Möbel? Das war so ein Trend, als die Mobilität der Nutzer so bemüht wurde. Aber niemand benutzt das. Ein stapelbarer Stuhl, der verkauft sich.

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