„ArchiFlop“: Mahnmale des Scheiterns

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Falsch gedacht, schlecht geplant oder nur größenwahnsinnig: Manche Bauwerke sind von Anfang an Ruinen, wie das Buch „ArchiFlop“ zeigt.

Es gibt so Sünden, die man nicht erstmal beichten muss. Weil man sie gar nicht richtig verheimlichen kann, Bausünden zählen da auch dazu. Gras darüber wachsen lassen, auch das ist bei grandios gescheiterten Architekturen oft nicht die passende Bewältigungsstrategie. Das passiert zwar wie von selbst, aber es dauert. Ignorieren, dafür sind die Dimensionen zu groß. Dann lieber die Ruinen gleich als architektonische Mahnmale verstehen und belassen, dafür plädiert Alessandro Biamonti in seinem Buch „ArchiFlop“, das im DVA Verlag erschienen ist.

Große Visionen können umso dramatischer scheitern: Das zeigen die Beispiele, die der Mailänder Architekt zusammengesammelt hat. Sie zeugen von Fehlkalkulationen, Fehleinschätzungen, Größenwahn, Realitätsfremdheit, Übermut. Gebäude, die nicht so werden, wie sich das die Baumeister und Architekten vorgestellt haben, das hat‘s aber schon immer gegeben. Da ist auch schon der schiefe Turm von Pisa kunstvoll gescheitert. Auch die Sagrada Familia in Barcelona war alles andere als ein erfolgreiches Projekt. Da hat zwar bei der Umsetzung nicht wirklich viel geklappt, aber zumindest funktionieren beide Bauten heute als touristische Sehenswürdigkeit. Diese Zukunft kann man den meisten baulichen Katastrophen, die Biamonti beschreibt, wohl kaum verheißen. Zu absurd sind sie geraten. Wie jene Retortenstädte, die in China für hunderte Milliarden Dollar hochgezogen wurden, der Stadtteil Kangbashi in der Stadt Ordos etwa. Eine Million Menschen könnten die Wohnblocks dort aufnehmen, 30.000 wohnen heute tatsächlich dort. Verwaiste Wohntürme, das kommt auch in Angola vor. Oder in Taiwan, wo sich ein Immobilienentwickler in den 1970er Jahren eingebildet hat, Wohnungen müssten in Shanzi Pod City wie UFOs aus 70er-Jahre-Science-Fiction-Serien aussehen. Jetzt liegen sie als Ruinen da, wie nie bestellt und von den Außerirdischen – fast verständlicherweise – auch nie wieder abgeholt.

Überdimensioniert. Städte und Bauwerke folgen auch der Ökonomie, den Ressourcen, manchmal sogar auf künstlichen Inseln wie im japanischen Nagasaki. Dort lag eine Kohlemine vor der Küste; als sie stillgelegt wurde, wurde es auch im dazugehörigen Stadtteil ziemlich still. Und so ist es dort noch heute. Auch in Rio de Janeiro hatten Architektur-Berühmtheiten wie Lucio Costa und Oscar Niemeyer verwegene Pläne: Im Stadtteil Barra sollte eine Agglomeration von Hochhäusern entstehen. Übrig blieb ein fertiger und ein nicht einmal halbfertiger Turm, der höchstwahrscheinlich noch ewig auf Vollendung warten wird. Ein paar Längengrade nördlicher demonstriert der „Torre David“ in Caracas weithin sichtbar, wie dramatisch Immobilienvisionen bröckeln können. Zumindest wird dieser Turm, wenn auch gänzlich informell, nachgenutzt: Ärmere Familien haben sich dort, wo ursprünglich Luxus und Büros einziehen sollten, einquartiert. Und bleiben. So entstand Südamerikas erstes vertikale, informelle Community.

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