Peter Cornelius: Der Blues und das Blau

Peter Cornelius ist für seine Fans unverwüstlich: „Das lasse ich mir gern gefallen.“
Peter Cornelius ist für seine Fans unverwüstlich: „Das lasse ich mir gern gefallen.“(c) Cornelius
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Mit „Unverwüstlich“ legt Peter Cornelius das beste Album seit vielen Jahren vor. Am 9. 11. startet seine breit angelegte Österreich-Tour.

Er ist mittlerweile 66 Jahre alt – und er wird mit jedem Jahr kämpferischer. Anstatt sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, legt Austropop-Star Peter Cornelius den Finger in das, was er als die Wunden der gegenwärtigen Gesellschaft ansieht. „Unverwüstlich“ heißt sein eben ediertes Album. Es ist sein 22. Und es wartet mit starken Melodien auf wie lange nicht. Der Gestus der Rebellion ist schon im ersten Song, „Raue Haend“, auszumachen. „Bist du zum Widerstand fähig?“, fragt Cornelius. Er, der ein Dutzend Klassiker des Austropop komponiert und gesungen hat, von „Süchtig“ bis „Reif für die Insel“, von „Du entschuldige – I kenn’ di“ bis „Segel im Wind“, ist weit davon entfernt, selbstzufrieden auf seine Lebensleistung zurückzublicken.

Vom bedauernswerten Zustand unserer Sprache. „Ganz Wien hat den Blues“, befand er einst in einem Song. Und jetzt heißt es „Wenn der Blues zu Besuch ist“. Gitarre und Stimme sprühen nur so vor Authentizität. Niemand sonst brauche ihn zu besuchen, wenn der Blues im Haus ist, singt Cornelius mit drängender Stimme. Der Mann ist halt ein Virtuose im Sich-Sorgen-Machen. Der bedauernswerte Zustand der österreichischen Sprache ist ihm ein gern strapaziertes Thema. Deutsche Filmsynchronisation, Zuwanderung ohne Spracherwerb und ein von der Digitalisierung ausgehender Schwenk von der Schrift- zur Bildkultur ängstigen Peter Cornelius. „Wenn man von heute auf morgen aus zaubertheatralischen Gründen das Internet abschalten würde, da würde sich zeigen, dass viele Menschen ohne Suchmaschinen wie Google kaum noch etwas wissen“, ist er überzeugt. „In Wien konnte man immer blendend formulieren, mittlerweile hat die sprachliche Verarmung leider auch auf uns übergegriffen.“

Und dann gibt es die raren Momente, in denen auch ein Cornelius loslassen kann. In der wundersam schwebend klingenden Ballade „Vergessenland“ sehnt er sich selbst nach Transzendenz. „Ich war ja nie einer vom Stamm der Liedermacher. Das war mir stets musikalisch zu dürftig. Aber das Unbehagen, das derzeit viele haben, musste ich einfach in Lieder verwandeln.“

Aufgenommen hat er große Teile des Albums wie schon früher in seiner Sehnsuchtsstadt New York. Dort fühlt er sich am lebendigsten. Wesentliche Teile von „Unverwüstlich“ nahm er mit amerikanischen Sessionmusikern auf – etwa mit seinem Lieblingsschlagzeuger Lorne Entress, der gleich den sensiblen Gitarristen Jon Herington mitbrachte, der viel mit Donald Fagen und Steely Dan gearbeitet hat. Auch Tim Lefebvre, der Bassist des letzten David-Bowie-Albums „Blackstar“, war mit von der Partie. „Das sind alles In­stinktmusiker. Die spielen einfach, was sie empfinden. Musik in New York zu produzieren, das ist so natürlich wie Skifahren in Tirol. In New York herrscht eine besondere Energie, da fluktuieren andere, frischere Gedanken als in Europa.“

Cornelius schwärmt von der Arbeitsethik der Amerikaner. „Ich gebe kaum was vor. Mit Vorgaben kann ich selbst spielen. Mich interessiert, dass die Amerikaner spielen, wie sie es fühlen.“ Das funktioniert offenbar recht gut: „Ganz selten bin ich nicht glücklich mit etwas Entstandenem. Wenn ich dann um eine Änderung bitte, dann bleiben die total cool und probieren andere Varianten. Die sind einfach offen, verbarrikadieren sich nicht hinter dem Ego.“ Cornelius, der viele seiner frühen Erfolge mit dem deutschen Musiker Michael Cretu (der später mit Enigma Welterfolge gefeiert hat) eingespielt hat, sieht den Status quo in Deutschland düster. „Merkel hat das Land ins Koma regiert. Mit ihrer Flüchtlingspolitik fällt ihnen der Zweite Weltkrieg zum zweiten Mal auf den Kopf. Es schmerzt mich, dem zuzusehen. Ich verdanke Deutschland sehr viel und habe so viele gute Leute dort kennengelernt“, sagt er.

Ein Verschwörungstheoretiker. „Was dort passiert, ist mir völlig unbegreiflich.“ Für ein zentralistisch von Brüssel aus regiertes Europa sieht Cornelius, der eine „Re-Republikanisierung Europas“ fordert, ziemlich schwarz. „Im günstigsten Fall ist es eine halbe Sekunde vor zwölf. Wir können doch nicht tatenlos dabei zusehen, wie unsere Kultur, unser Denken, unser Menschenschlag, unsere Art, über Dinge nachzudenken, zum Verschwinden gebracht werden.“

Fragt man nach, dann nennt er den Hooton-Plan, den Coudenhove-Kalergi-Plan und die Ideen des amerikanischen Militärstrategen Thomas P. M. Barnett als das Übel, das gerade passiert. Cornelius glaubt leidenschaftlich an das, was andere Verschwörungstheorien nennen. Vor diesem Ausdruck zeigt er keine Scheu. Seine Replik? „Wer heute nicht ein bisserl ein Verschwörungstheoretiker ist, ist entweder zu faul, zu ängstlich oder zu dumm.“

Leidenschaftlich wettert er gegen die Gebote der Political Correctness. „Die gehört ganz dringend abgeschafft, weil sie ein Mittel ist, Dinge nicht beim Namen nennen zu müssen. Political Correctness dient vor allem der Bequemlichkeit der politischen Kaste.“ In seinen Liedern abstrahiert er seine Ängste. Die Ballade „Zwei verschiedene Blau“ schwärmt vom „Sich-leer-Schauen“ am Meer. Im schon erwähnten „Wenn der Blues zu Besuch ist“ dekuvriert er, dass ihm sein existenzieller Grant heilig ist.

Die frischen 1960er-Jahre. Ein Lied nennt sich „Selbstverwirklichung“, ein Terminus, den manche für Unsinn halten. Cornelius nicht. „Das ist etwas, das ich streckenweise erleben durfte. Andere fangen erst in der Pension an, sich um ihre kreative Ader zu kümmern. Immer noch beginnt er zu strahlen, wenn er der Aufbruchszeit der Sechzigerjahre nachsinnt. „Die Musik der Beatles, der Kinks und der Rolling Stones ist immer noch so frisch wie nichts aus dem aktuellen Pop. Und was die politische Analyse anlangt, da begeistert mich so etwas wie Mick Jaggers Solosingle ,England Lost‘. Der Mann lässt sich nicht mundtot machen.“ Cornelius selbst wohl auch nicht mehr. „Unverwüstlich“, der Albumtitel, bezieht sich auf eine Zuschreibung seiner Fans: „Die lass‘ ich mir gern gefallen.“

Tipp

„Unverwüstlich“ von Peter Cornelius (Reif für die Insel/Vertrieb Warner Music). Tournee ab 9. 11. (u. a.: 17. 11., Salzburg, 21. 11., Graz, 22. 11., Linz, 30. 11., Wien) www.petercornelius.com

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