Ana Roš, die beste Köchin der Welt: „Ich schreie nicht in der Küche“

Ana Roš bei ihrem Wien-Besuch im Restaurant Konstantin Filippou im Interview mit Karin Schuh und Rainer Nowak (von links).
Ana Roš bei ihrem Wien-Besuch im Restaurant Konstantin Filippou im Interview mit Karin Schuh und Rainer Nowak (von links). (c) Akos Burg
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Die slowenische Küchenchefin Ana Roš hat bei ihrem Wien-Besuch mit der „Presse“ über den Druck an der Spitze und den Frauenmangel gesprochen.

Es ist kein einfacher Titel. Die slowenische Köchin Ana Roš darf sich seit Anfang des Jahres beste Köchin der Welt nennen. Das Restaurant Magazin hat sie dazu gekürt. „Viele Leute glauben, ich habe das beste Jahre hinter mir, aber ich muss sagen, es war das schlechteste“, sagt sie bei ihrem Wien-Besuch im Restaurant ihres Kollegen Konstantin Filippou. 

Denn zum Kochen kommt sie nun weniger, vielmehr muss sie Interviews geben – bis zu 15 pro Tag –, reisen und Veranstaltungen besuchen. Sie schafft es dennoch im Schnelldurchlauf, sehr anschaulich über den Druck, ihre Arbeit und den Dauerbrenner Vereinbarkeit von Beruf und Familie Auskunft zugeben.

Denn einfacher sei durch den Titel gar nichts geworden, sagt die Autodidaktin, die in ihrer Kindheit in der Ski-Junioren-Nationalmannschaft war, eigentlich Diplomatin hätte werden sollen und mit ihrem Mann Valter Kramar – dem Sommelier des Hauses – das Restaurant Hiša Franko in der Kleinstadt Kobarid betreibt. „Wenn man Zweiter ist, will jeder, dass du Erster wirst.

Aber wenn man Erster ist, will jeder prüfen, ob du das auch verdient hast.“ Der Druck sei groß, ihr kleines Lokal – das durch die Netflix-Serie Chef's Table Bekanntheit erlangt hatte – sei auf diesen „Tsunami“ an Gästen nicht vorbereitet gewesen. Immerhin handelte es sich um ein Familienlokal, das natürlich wachsen wollte. Sie habe auch Fehler gemacht – etwa jenen, für die Gäste aus der Nachbarschaft keinen Tisch frei zu halten, weil plötzlich Foodies aus aller Welt bei ihr essen wollten. „Aber daraus lernt man.“

Sie habe auch niemals ein Hehl daraus gemacht, froh darüber zu sein, dass es in Slowenien keine Michelin-Sterne gibt. Sie dürfte geahnt haben, welchen Hype solche Auszeichnungen bringen. Dass sie ihren Küchenstil deshalb ändert, kommt für sie aber nicht in Frage. „Ich bin, wie ich bin, und ich koche, was ich will. Ich will mich nicht ändern, niemals“, sagt sie und schiebt ein „I am my own hero“ hinterher. Sie schreie nicht in der Küche. „Das passiert vielleicht einmal im Jahr, und wenn ich schreie, weine ich danach. Weil es ein Zeichen von Schwäche ist. Wenn du schreist, hast du die Situation nicht unter Kontrolle.“

Die alpine Küche ist es, die ihr am Herzen liegt. Sie sieht Slowenien, Österreich und Italien als eine kulinarische Region. Frigga, ein traditionelles Speck-Käse-Omelette, sei ein gutes Beispiel dafür. Das gibt es in dem Dreiländereck schon immer. Grenzen haben sich verändert, Menschen sind gewandert, aber das Gericht bleibt.

Die Kompromisse der Frauen

Was es aber gibt, ist die ewige Frage nach den wenigen Frauen in der Spitzengastronomie. Roš, selbst Mutter zweier Töchter, hat auch darauf eine Antwort. „Es hat nichts mit Chauvinismus zu tun, aber es ist eine körperlich harte Arbeit und das 16 bis 18 Stunden pro Tag.“ Das werde sich nicht so schnell ändern, auch wenn sie in ihrem Restaurant die Arbeitszeiten etwas reduziert habe. Der Beginn hat sich von neun auf elf Uhr verschoben, somit komme ihr Team, das übrigens zur Hälfte aus Männern besteht, auf zwölf Stunden. Die gute Atmosphäre wirke sich auch auf die Speisen aus.

Dass es einen eigenen Award für Küchenchefinnen gibt, stört sie nicht. Im Gegenteil. Man müsse das Thema noch viel mehr diskutieren – auch im Privaten. Denn im Gegensatz zu den männlichen Kollegen haben Frauen selten jemand daheim, der sich um alles kümmert. „Junge Frauen müssen sich entscheiden: Will ich ein normales Leben oder will ich Köchin werden. Welcher Mann muss solche Kompromisse eingehen?“

Zur Person

Ana Roš wurde zum „World's Best Female Chef 2017“ gekürt. Sie betreibt mit ihrem Mann Valter Kramar das Restaurant Hiša Franko in der slowenischen Kleinstadt Kobarid. Die beiden haben zwei Kinder. Roš ist Autodidaktin, war in ihrer Kindheit Teil der Ski-Junioren-Nationalmannschaft und hätte eigentlich Diplomatin werden sollen. Ihr Restaurant ist durch die Netflix-Serie Chef's Table bekannt geworden. Seit der Auszeichnung ist es noch schwieriger, einen Tisch zu bekommen. www.hisafranko.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2017)

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