Reise ins Duftparadies

Bienvenue. Ein Duftbrunnen ist Namenspatron des Anwesens Les Fontaines Parfumées.
Bienvenue. Ein Duftbrunnen ist Namenspatron des Anwesens Les Fontaines Parfumées.(c) Beigestellt
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In Grasse ist die siebenteilige Parfumkollektion von Louis Vuitton entstanden. Ein Treffen mit ihrem Schöpfer, Jacques Cavallier Belletrud.

Der eine oder andere Kollege von Jacques Cavallier Belletrud wird im stillen Kämmerchen wohl eine Träne zerdrückt haben. Schließlich passiert es nicht alle Tage, dass eine der bekanntesten Luxusmarken der Welt sich erstmals seit Jahrzehnten in den Bereich der Haute Parfumerie vorwagt und dafür eine eigene Hausnase, wie es in der Branche so schön und fast Gogol’sch heißt, engagiert: ein Traumjob also, sogleich vergeben.

Verschmitzt. Jacques Cavallier Belletrud hat einen Traumjob unter Parfumeuren ergattert.
Verschmitzt. Jacques Cavallier Belletrud hat einen Traumjob unter Parfumeuren ergattert. (c) Beigestellt

Doch der Reihe nach: Vor etwas mehr als vier Jahren wurde bekannt, dass das Maison Louis Vuitton sich in den Bereich der Haute Parfumerie vorwagen würde. Zwar hatte es Anfang des 20. Jahrhunderts bereits Düfte gegeben, „Je, tu, il“ etwa oder „Heures d’Absence“. Diese Originalformeln sind aber ebenso verloren, wie es die Marke später unterließ, an diese frühen parfümistischen Fingerübungen anzuschließen. Und dann, fast aus dem Nichts, sickerte vor etwa vier Jahren die Neuigkeit einer absehbaren Parfumlancierung durch. Details wurden nicht bekannt, auch die Pressestellen gaben glaubwürdig zu Protokoll, über keinerlei Einzelheiten informieren zu können. Bald ließ sich im Internet zumindest der Name des von Louis Vuitton engagierten Parfumeurs finden (dass man wie Chanel, Dior und Hermès einen In-House-Experten engagieren würde, war fast obligat). Bei Besuchen in Grasse konnte man sich zudem mit den vor Ort so zahlreichen Branchenkennern darüber unterhalten, dass in einer einstigen Parfummanufaktur Umbauarbeiten begonnen hätten. So wusste man zwar noch nicht viel, und genau genommen gerade über das Wesentlichste, nämlich den entstehenden Duft, rein gar nichts. Immerhin stand aber fest: Jacques Cavallier Belletrud war auserkoren worden, in einem Anwesen namens Les Fontaines Parfumées für Louis Vuitton an der Duftorgel zu spielen.

Innovativ. Für das Leder von Louis Vuitton wurde ein Extraktionsverfahren entwickelt.
Innovativ. Für das Leder von Louis Vuitton wurde ein Extraktionsverfahren entwickelt.(c) Beigestellt

Kostbare Auslese. „Wieviele Parfums ich in den letzten vier Jahren gemacht habe? An die 90“, sagt Jacques Cavallier im Gespräch mit dem „Schaufenster“ lachend. Denn mittlerweile ist es vollbracht, im Herbst hat Louis Vuitton die vor Neugier berstende Perfumista-Community nicht mehr länger auf die Folter gespannt: Nicht nur ein Duft ist es aber geworden, sondern – im Nachhinein betrachtet ist das natürlich das einzig Sinnvolle – gleich eine Heptalogie, die also sieben exquisite Stückchen spielt: „Rose des vents“, „Apogée“, „Turbulences“, „Matière noire“ heißen die Düfte etwa, und sie decken alle relevanten Genres der Parfumeurskunst ab. Ein aufwendig gemachter Rosenduft ist dabei, ein Maiglöckchen (die Franzosen lieben ihr „Muguet“ als Frühlingsboten), eine Tuberose, ein orientalischer Vanilleduft, eine (mittlerweile schon zum ersten Mal ausverkaufte) Oudh-Kreation sowie, das ziemt sich so bei Louis Vuitton, zwei eigenständige Leder-Kompositionen.

Wie alle Parfumeure ist auch Jacques Cavallier besonders auf die technologischen Innovationen stolz, die seine Arbeit einzigartig machen. Im vorliegenden Fall ist das etwa eine neuartige Extraktionsmethode auf Alkoholbasis, die auf das in den Ateliers von Asnières verarbeitete und nach einer eigenen Methode gegerbte helle Leder von Louis Vuitton angewandt wurde. „Dans la peau“ heißt das Parfum, das etwa mit Referenzen an die hellen Lederelemente der „Monogramme“-Taschen spielt und gleich nochmals interessanter ist, weil für die Umsetzung nicht nur die innovative Leder-Extraktion zur Anwendung kam, sondern auch erstmals kostbarer Jasmin aus Grasse mit flüssigem Kohlendioxid gewaschen wurde und so seinen Geruch abgab. „Der Jasmin aus Grasse ist einzigartig wegen seiner fruchtigen Note“, unterstreicht Cavallier, „und durch die zum ersten Mal für Jasmin angewandte CO2-Extraktion tritt diese so deutlich zutage wie nie“. Ein beerenrotes „Capucine“-Handtaschenmodell ließ den Parfumeur wiederum auf die Idee kommen, in „Mille Feux“ einen überraschenden Leder-Himbeer-Akkord zu komponieren, der mit seinem herb-fruchtigen Charakter überzeugt.

Vielfalt. Die Düfte der Kollektion entsprechen sieben Geschmäckern.
Vielfalt. Die Düfte der Kollektion entsprechen sieben Geschmäckern.(c) Beigestellt

Familienangelegenheit. Seine Sensibilität für die Haute Parfumerie konnte Jacques Cavallier Belletrud, der in seinem beruflichen Vorleben für den Duftstoffkonzern Firmenich tätig war, während seiner Kindheit in Grasse schulen. „Mein Vater war Parfumeur und erzählte zu Hause, wie er bei Reisen nach Japan als Star gefeiert wurde. Meine Mutter war Assistentin des legendären Dior-Parfumeurs Edmond Roudnitska, und bei uns am Mittagstisch wurde eigentlich ständig über Parfums geredet“, erinnert sich Cavallier an eine Kindheit, die sogar für Grasse überdurchschnittlich viele Berührungspunkte mit der in dieser kleinen Stadt so geschätzten Parfumindustrie aufweist.

„Wissen Sie, das werden Sie in Frankreich natürlich in jedem zweiten Ort zu hören bekommen – wegen des Weins, wegen sonstwas –, aber in Grasse gibt es wirklich ein außergewöhnliches Mikroklima“, unterstreicht der gebürtige „Grassois“, der wegen seines Engagements durch Louis Vuitton nun wieder in seine Heimatstadt gezogen ist. Die Mittelmeerküste im Süden, das Gebirge der Alpes Maritimes im Hinterland, die aufeinandertreffenden Winde führten, so Cavallier, dazu, dass auch die Pflanzen ganz eigene Resistenzen entwickeln. „Und darum riechen einige Arten, besonders die Mairose, der Jasmin, auch die Tuberose aus Grasse so wie nirgendwo sonst, schon zehn Kilometer weiter westlich nicht.“ Da in den letzten Jahren vermehrt Experimente mit Schwertlilien-Anpflanzungen unternommen wurden (die qualitativ hochwertigste Iris, von der die Wurzel für die Parfumerie verarbeitet wird, stammt aus der Toskana), darf man somit gespannt sein, ob auch da ein neuer Quantensprung absehbar geworden ist.

Vorläufer. Vor fast 100 Jahren entstanden „Je, tu, il“ und „Heures d’absence“.
Vorläufer. Vor fast 100 Jahren entstanden „Je, tu, il“ und „Heures d’absence“.(c) Beigestellt

Für seine sieben Kreationen im Dienste des Hauses Louis Vuitton ließ sich Jacques Cavallier von einem Leitgedanken inspirieren, und zwar, wiederum eine Verbeugung vor der Geschichte der Marke, dem Reisen: „Das entspricht ja der Parfumerie und der Tatsache, dass ihr Weltzentrum in Grasse liegt. Die Inhaltsstoffe kommen von überallher – Osmanthus aus China, Adlerholz aus Laos, Vanille aus Madagaskar –, reisen um die halbe Welt und werden dann hier von uns Parfumeuren verarbeitet.“

Fortsetzung folgt. So ist wohl auch das Storytelling zu verstehen, das Cavallier mit seinen Kreationen erreichen möchte, denn „da geht es um etwas, das die Menschen berührt. Natürlich ist die Haute Parfumerie poetisch, aber sie darf nicht so komplex sein, dass man sie nicht versteht.“ Entsprechend wichtig ist der Louis-Vuitton-Hausnase auch das Sinnliche und Verführerische seiner Kreationen, was wiederum ein ziemlich harsches Urteil zur Folge hat: „Ich halte nichts vom Konzept des Unisex-Parfums. Von mir aus mache ich Damendüfte, die Männern nicht verboten sind.“ Umso beruhigender ist es zu erfahren, dass er vor geraumer Zeit die Arbeit an einer maskulinen Erweiterung zu seinem ersten Meisterstück aufgenommen hat. Ob es wieder mehrere Düfte sein werden oder man sich ein anderes Konzept ausgedacht hat, verrät Jacques Cavallier Belletrud an diesem Tag in Grasse aber noch nicht. Es muss ja auch noch Gesprächsstoff bei einem späteren Besuch geben.

Die Reise nach Grasse erfolgte auf Einladung von Louis Vuitton.

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