Südböhmen: Im Bier baden

Kreativ. Hipsterbärte im Braugasthaus in Prachatice. Ein Bier nennt sich „Schmuggler“.
Kreativ. Hipsterbärte im Braugasthaus in Prachatice. Ein Bier nennt sich „Schmuggler“. (c) Prachatice
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In Südböhmens putzigen, historischen Städten regiert der Karpfen. Dazu gibt es Bier. Viel Bier, denn rund um Budweis hat sich die Kleinbrauerszene ­
prächtig entwickelt.

Trotz aller Heilbäder gibt es in der Kurstadt Třeboň Stress – allerdings nur, wenn man ein Karpfen ist. Denn schon im 14. Jahrhundert wurden hier mehr als 500 Teiche angelegt, um den Fisch auf die Tische Böhmens zu bringen. Der Goldene Kanal (Zlatá stoka) sorgte für die Verbindung der 16 Gewässersysteme. Diese heute größte Süßwasserfischproduktion Europas verdankt sich dem Geschick der Rosenberger.

Das Adelsgeschlecht, dessen letzter Vertreter Peter Vok hier seine Residenz einrichtete, ließ das erste Kanalsystem von Štěpánek Netolický konstruieren. An diese Pioniertat erinnert heute das Wohnhaus des Oberfischmeisters, das – mustergültig restauriert – als Museum der Teichwirtschaft fungiert. Wirtschaftsverwalter Jakob Krčín von Jelčany perfektionierte den Goldenen Kanal, doch er blieb vor allem mit seiner zweiten Pioniertat in Erinnerung: Das Bier der bereits 1379 erwähnten Brauerei von Třeboň erhielt von ihm den Namen Regent. Bis heute kommt es unter dieser Bezeichnung aus der Fürsten-Brauerei – nach den Rosenbergern übernahm das Haus Schwarzenberg die Herrschaft in Třeboň.

Pittoresk. České Budějovice, Böhmisch Budweis.
Pittoresk. České Budějovice, Böhmisch Budweis.(c) Czech Tourism/Ladislav Renner

Motto: Karpfe diem! Jakob Krčín blickt heute als Denkmal auf die mittlerweile modernisierte Brauerei, von seinem Sockel sieht er aber auch den mittels Ausflugsschiff zu erkundenden Teich namens Welt (Svět). In der Ferne kann man von diesem Aussichtspunkt an der alten Stadtbefestigung aus die Familiengruft der Schwarzenbergs erahnen. Ob sich auch pan kníže (Herr Fürst), wie die Tschechen ihren ehemaligen Außenminister nennen, dereinst hier bestatten lässt, stellt im Südböhmischen ein beliebtes Ratespiel dar.

Karpfen in Dunkelbiersauce. Unterhaltungen wie diese führt man meist beim Karpfen in einer seiner unzähligen Zubereitungsvarianten – klassisch wäre die Dunkelbiersauce – und natürlich bei viel Bier. Für Touristen ist das tschechische Bundesland Südböhmen nach wie vor ein Schlaraffenland: Der halbe Liter Regent kostet im Weißen Einhorn (Bílý jednorožec) gerade 1,50 Euro, dazu steht Milchner mit Dill, Fischwurst oder Karpfensuppe auf der Speisekarte des hellen bistroartigen Lokals.

Ein paar Häuser weiter in der Altstadt wartet nicht nur die historische Hundeküche, eine Kuriosität aus den Tagen der Rosenberger, sondern auch eine exzellente Speiseadresse für Menschen. Schuppe und Schüppchen, so übersetzt die Namen der beiden Lokale von Pavel und Petr Müller, haben ein einzigartiges Gericht, das in der deutschen Über­setzung – Karpfenfritten – nicht annähernd so delikat klingt, wie es schmeckt. Die streng geheime Marinade des Fischs, in der Knoblauch und Paprika eine gewichtige Rolle spielen dürften, machen es schwer, mit dieser Třeboňer Knabberei aufzuhören. Sie ist neben der künstlerischen Deko – ein Riesenfisch aus Reusen schwebt von der Decke, die Sitzlehne bildet eine Muschelbank nach – das Highlight der brüderlich geführten Lokalgeschwister Šupina a Šupinka.

Urig. Nur in der Brauerei gibt es die rohe Version des Budweisers.
Urig. Nur in der Brauerei gibt es die rohe Version des Budweisers. (c) Budweiser

Kleiner als gedacht. Während der Karpfenverzehr seine Hochburg im Biosphärenreservat rund um Třeboň, das ehemalige Wittingau, hat, ist das bierige Zentrum Südböhmens die weltbekannte Brauerei Budweiser Budvar. In der Hauptstadt der Region weist ein Dinosaurier den Weg zur nach wie vor staatlichen Braustätte. Längst befinden sich ihre großen Konkurrenten in internationalem Konzernbesitz – Rivale Pilsner Urquell ging erst unlängst an die japanische Asahi-Gruppe. Selbst der Erzfeind – die Anheuser-Busch-Gruppe mit ihrem amerikanischen Budweiser bzw. Bud light – hat sich in Tschechien eingekauft. „Damit sie auch sagen können, sie haben eine Brauerei hier“, kommentiert Brau-Tour-Managerin Katerina sauer. Seit Jahrzehnten versucht man sich gegenseitig das Recht abzusprechen, den Namen der Stadt am Bieretikett zu führen – mit wechselndem Erfolg vor Gericht.

Nur in der Brauerei jedoch gibt es die rohe Version des Budweisers, die bei der Führung direkt aus dem Lagertank ausgeschenkt wird. Unpasteurisiert und nicht flaschenfertig kommt hier die Kohlensäure deutlich druckvoller zum Ausdruck, auch körperreicher schmeckt das Bier – selbst im Plastikbecher, in dem es in den langen Kellern der zehn Hektar großen Brauerei serviert wird.

Apropos Größe: Dass Generalimporteur Karl Kolarik und sein Schweizerhaus Budweiser Bier in Wien unübersehbar gemacht hat, täuscht über die reale Größe des Unternehmens hinweg. „800.000 Hektoliter gehen in den Export“, erfährt man vor Ort. Eine Menge, die auch einige heimische Brauereien locker erreichen, ohne damit allerdings zur Weltmarke geworden zu sein.

Doch der Gigant, der auch die Marke Pardál mit dem markanten Panther-Logo erzeugt, hat längst nicht mehr die alleinige Stammtischhoheit in seiner Heimat. Während im historischen Restaurant Masné krámy – wörtlich: die Fleisch-Bank, da hier einst geschlachtet wurde – Budweiser selbst den Wirt gibt, hat eine Straße weiter Jaroslav Dvořák kein Problem, wenn man nur zum Bier-Holen ins Krajinska 27 kommt. Zwar verpasst man dann die Steaks und Grillhühner des Braugasthauses, an der Produktionsstätte des Bieres muss aber jeder Gast vorbei. Hinter Glas ist hier die Maische schon beim Eingang zu sehen, „die offene Vergärung ist besser für den Geschmack“, erklärt der 38-jährige Dvořák. Für Bierfreaks ist derlei schaumiges Hefespektakel in Zeiten steriler Nirosta-Stahltanks allein schon ein Highlight. Doch auch, wer es nicht so genau wissen will, bekommt mit dem Bier die Geschichten dahinter aufgetischt: „Drei kleine Brauereien gibt es heute in der Stadt, und alle nützen das Budweiser Leitungswasser.“

Aromatisch. Die offene Vergärung ist besser für den Geschmack.
Aromatisch. Die offene Vergärung ist besser für den Geschmack.(c) Svachovka

Nur zentiliterweise wird hier das „21“ ausgeschenkt. Und das im Krügel-Land Tschechien, das mit einem jährlichen Pro-Kopf-Konsum von 140 Litern der unangefochtene Bierweltmeister ist. Dazu muss man wissen, dass man in Böhmen sein Bier einfach nach der Stammwürze bestellt, die auch den Alkoholgehalt impliziert. Der liegt bei der süßen Spezialität bei satten neun Volums­prozent, doch trotz seiner Kraft hat ihm der Braumeister eine ziemliche Süffigkeit mit­­gegeben.

Inwendig und auswendig. Diese Eigenschaft steht auch bei Martin Hrubeš hoch im Kurs, der gemeinsam mit dem Stadtbier Eggenberger – auch das steirische Geschlecht hatte hier einst was zu sagen – für die Bierversorgung der Schiele-Stadt Krumau zuständig ist. „Für mich ist Český Krumlov die schönste Stadt der Welt“, erklärt der 44-Jährige, warum er nach Jahren in Australien, Kasachstan und Russland in der Heimat eine Brauerei und Brennerei errichtet hat. Die 900 Hektoliter, die er jährlich produziert, vergären ebenfalls offen, ausverkauft ist bereits das mit Zitronengras und Portulak aromatisierte Bier. „Das auch Purzelkraut genannte Gewürz soll auf die Libido wirken“, schiebt der schalkhafte Brauer eine Erklärung für die Beliebtheit dieser Kreation nach. Mehr gibt es noch von seinem zweiprozentigen Leichtbier, das für die Golfer gedacht war, die mit dem Auto anreisen. „Aber wenn sie sich ärgern beim Spiel, ordern sie meist eh ein starkes Bier“, lacht Hrubeš. Im angeschlossenen Hotel serviert man sogar fünf Liter davon – für alle Pärchen, die das Bierbad bestellen. Inwendig und auswendig tut so der antibakterielle Hopfen seine Wirkung. Die sedierende Wirkung des Bierdampfes, der auch reinigt, ist beachtlich, die Ruheliegen stehen nicht von ungefähr drei Schritte vom hölzernen Badezuber entfernt. Hrubeš sieht seine beiden Unternehmen am Golfplatz von Mirkovice, unweit der Unesco-Stadt Böhmisch Krumau, als getrennte Beschäftigungen. „Brennen und Brauen sollte man nicht vermischen“, führt er die Biere von Glok und die Schnäpse – darunter einen noch im Keller schlummernden böhmischen Whisky – von Svach daher unter zwei Marken. Immerhin haben die Edelbrände vom Leiten-Bauer, so die Übersetzung des Hofnamens, auch einen Brauerkollegen im nahen Prachatice überzeugt.

Deftig. Spezialität im Lokal Šupina a Šupinka in Trebon: Karpfenfritter.
Deftig. Spezialität im Lokal Šupina a Šupinka in Trebon: Karpfenfritter. (c) Supina a Supinka

Sautanz und Bierverbot. Wie Hrubeš kam auch sein Schnapskunde Michal Piloušek spät zur Gastronomie; seit zwei Jahren pendelt der Prager am Wochenende zu seiner Brauerei im Renaissancestädtchen. Der zweifache Triathlon-Staatsmeister ser­viert dazu aber keine Schonkost. Der Rindsbraten in der Wurzelsauce oder ein saftiger Schweinsbraten, natürlich mit knedlíčky aus rohen Erdäpfeln, stehen nach der Dillsuppe mit Pilzen zur Wahl. „Wir beziehen frische und lokale Zutaten von den umliegenden Bauern, das macht es teurer und ist ungewohnt“, entschuldigt er die für Tschechien hohen Preise – die Entenbrust kostet bei ihm 4,50 Euro, so viel zum Thema Relativität. Auch den Sautanz hat er wieder eingeführt, Presswurst packt Piloušek seinen Gästen ebenso gern ein wie ein Bier, das sein ­Hipster-bärtiger Neffe Adam im historischen Haus braut. „Ein Zwölfer oder ein Schmuggler?“, lautet die entsprechende Frage.

Trinkverbot. Letzteres ist die neue Bierkreation von Onkel und Neffe, die auf die Grenznähe zu Oberösterreich anspielt, „natürlich gab es da Schmuggel, und das deutsche Wort kennen auch hier alle“, lacht der Neo-Gas­tronom. Während man bei Glok auf aphrodisierendes Bier setzt, liebt man hier also den Charme des Illegalen. Mit diesem Marketingkonzept wurde das Biergasthaus in Prachatice schon einmal bekannt: „Kein Alkohol an Betrunkene und Kommunisten“, ließ Piloušek über der Schank affichieren. Denn bei seinem Bier kennt er, ganz Tscheche, keinen Spaß!

Tipps

Bauikone. Täglich geöffnet (von 9 bis 17 Uhr) hat das Besucherzentrum der weltbekannten Budweiser-Brauerei, günstigen Einkauf ermöglicht der Shop, Karolíny Světlé 4, České Budějovice.
www.budejovickybudvar.cz

Bierbäder. Noch ist die Gartengestaltung eine Baustelle, doch Bier und Brände (Weichsel!) gibt es bei Martin Hrubeš im Genießer-Hotel bereits – und natürlich die Bierbäder (um rd. 32 Euro), Svachova Lhotka 1, Mirkovice,
www.de.svachovka.cz/hotel

Gasthausbrauerei. Lokale Zutaten werden bei Michal Piloušek im Kleinstadtidyll zu deftiger tschechischer Klassik, Neffe Adam sorgt als Braumeister für Biere wie das Schmuggler, Horní 174, Prachatice,
www.pivovarprachatice.cz

Schlummertrunk. Nach dem 21er aus der Minibrauerei Krajinska 27 braucht man sich nicht mehr viel vornehmen. Gegrillt wird dazu Jungrind am Josper-Grill, Pekárenská 1024/15, České Budějovice
www.krajinska27.cz

Karpfen-Pommes. Im Fischspezialitätenrestaurant Šupina (Schuppe) ist der Name Programm. Bestseller im modern gestalteten Lokal am Schlossareal sind die pikanten Karpfen-Pommes, Valy 155, Třeboň, www.supina.cz/de

Wohnen am Fluss. Neben der Moldau und ihrem Zusammenfluss mit der Maltsch (Malše) liegt das funktionale Vier-Stern-Haus Hotel Budweis. Ins Stadtzentrum sind es knapp acht Gehminuten, Mlýnská 6, České Budějovice.
www.hotelbudweis.cz

Hinweis: Der Autor wurde von Czech Tourism unterstützt.

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