Akquisitionen: Übernahmen heizen Aktienkurse an

Nicht nur bei Arcelor ließ ein Übernahmeoffert die Kurse steigen.

London (Bloomberg). Die Kursrally, die an den europäischen Börsen schon drei Jahre läuft, hält bisher auch 2006 an. Einer der Gründe dafür sind Übernahmeangebote, vor allem solche feindlicher Art. Ein Beispiel liefert derzeit die Stahlbranche: Mittal Steel, der weltgrößte Stahlerzeuger, gab am 27. Jänner ein 22,2 Mrd. Dollar schweres Übernahmeangebot für die Nummer zwei am Weltmarkt, den luxemburgischen Stahlkonzern Arcelor, ab. Arcelor empfindet das Übernahmeoffert als feindlich und wehrt sich dagegen. Der Aktienkurs von Arcelor schoss um 32 Prozent nach oben, als das Mittal-Offert bekannt wurde.

Ebenfalls ein unerwünschtes Übernahmeangebot erhielt Portugal Telecom, der größter portugiesische Telekomanbieter. Und auch hier ging es mit dem Aktienkurs steil nach oben, er kletterte binnen eines Tages um 18 Prozent. In beiden Fällen zogen nicht nur die Kurse der Übernahmekandidaten an, sondern die gesamte europäische Stahl- bzw. Telekombranche.

Dass das Übernahmekarussell sich derzeit wieder schneller dreht, liegt vor allem am langsameren Gewinnwachstum der Konzerne sowie den relativ geringen Fremdkapitalkosten. 2005 beliefen sich die Akquisitionen börsenotierter Gesellschaften laut Bloomberg-Daten auf 747 Mrd. Dollar. Das ist das höchste Volumen seit dem Jahr 2000. Die Übernahmeofferte seit Jahresanfang 2006 verhalfen dem Dow Jones Stoxx 600-Index zu seinem besten Start seit 1998. Das Börsenbarometer legte im Jänner dieses Jahres um 3,6 Prozent zu. Gegenüber dem Sechsjahrestief vom 12. März 2000 hat sich der Index fast verdoppelt.

"Übernahmen werden in diesem Jahr die große Antriebskraft für die Aktienkurse sein, nachdem die Gewinnentwicklung an Dynamik verliert," sagt Anna Escoriza, bei BIBM Asset Management in Andorra für die Investments verantwortlich. Bei den im Stoxx 600-Index enthaltenen Titeln dürfte sich das Gewinnwachstum, das im Vorjahr bei 22 Prozent gelegen war, heuer auf durchschnittlich knapp unter zehn Prozent abschwächen, geht aus Schätzungen von FactSet Research Systems Inc. hervor.

Allein die Übernahmeangebote für Arcelor, Portugal Telecom sowie den britischen Industriegashersteller BOC Group, nach dem die deutsche Linde AG im Jänner ihre Fühler ausstreckte, summieren sich auf 53 Mrd. Dollar. Das ist der höchste Wert seit dem Jahr 1998.

In der Vorwoche schnellte der Aktienkurs von BAA, der Betreibergesellschaft des Flughafens London-Heathrow, um 15 Prozent nach oben, nachdem der spanische Baukonzern Grupo Ferrovial erklärte, er erwäge ein feindliches Übernahmeangebot für die britische Gesellschaft.

"Die Unternehmen positionieren sich für die Zukunft und kaufen Wachstum", erklärt Reinhard Pfingsten, Fondsmanager bei Deka Investment in Frankfurt. Eine von Merrill Lynch durchgeführte Umfrage unter Fondsmanagern zeigt, dass 35 Prozent es gerne sehen, wenn die Unternehmen ihre Barreserven für Akquisitionen, Aktienrückkäufe oder Dividenden verwenden. 45 Prozent bevorzugen Investitionen.

Auch wenn derzeit zahlreiche Übernahmeofferte europaweit die Aktienkurse beflügeln, muss eine steigende Übernahmetätigkeit nicht automatisch mit steigenden Aktienkursen einhergehen. So gab es Ende der 90er-Jahre zahlreiche Akquisitionen, denen dann eine rasante Talfahrt an den Aktienmärkten folgte. Die Investoren waren offenbar der Ansicht, dass die Unternehmen bei ihren Einkäufen zu viel bezahlt hatten. "Manche Unternehmen haben eine gute Hand für Übernahmen, bei anderen wird daraus eine Katastrophe," meint Jean-Marc Fraysse, bei Park Place Capital in London für die Investments zuständig.

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