Mode

Als heutiges Thema habe ich mir Torhüterpullover gewählt. Denn ich stamme aus einer Zeit, in der noch alle Goalies schwarze Pullover trugen, als wären sie Existenzialisten oder kurzhosige Rauchfangkehrer. Friedl Koncilia war einer der ersten, der sich ein Trikot in sattem Eidottergelb überstreifte, was für meine Kinderaugen eine Sensation war. Damit nicht genug zog er sich, um sich vom Gegner zu unterscheiden, bei der Weltmeisterschaft 1978 im Spiel gegen die Schweden einen blauen Pullover an - einen königsblauen nämlich, nicht den lächerlichen himmelblauen Pulli von Sepp Maier, der damit bekanntlich auch sang- und klanglos ausgeschieden ist. (Pedanten könnten nun anmerken, dass Maier mit genau diesem Pullover bei der Heim-WM vier Jahre zuvor im Finale gegen Holland Weltmeister geworden ist. Ja, erwidere ich, aber nur, weil der Holländische Torhüter Jan Jongbloed in einer weißen (!) Hose gespielt - und nicht einmal Handschuhe getragen hat. So geht es nicht!)

Gegen Italien in der Zwischenrunde hat Koncilia dann sogar einen knallroten Pullover gewagt - der ist bis heute mein erklärter Favorit geblieben; das Match ging aber leider trotzdem 0:1 verloren. Ganze Generationen von Italienern wiederum haben ihren traditionellen silbernen Torhüterpullovern von Zoff bis Zenga Ruhm und Ehre und Titel zu verdanken - und Traditionen bricht man nicht ungestraft: Als Buffon bei der WM 2002 plötzlich ohne ersichtlichen Grund im grellen Orange auftauchte, war mir klar, dass Südkorea leichtes Spiel haben würde. Juventus richtet er in letzter Zeit übrigens mit Schweinchenrosa zu Grunde.

Der Gipfel der Geschmacklo sigkeit passierte aber bei der WM 90, als der Dressen-Hersteller den österreichischen Torwart Klaus Lindenberger vor den Augen der Welt zum Faschingsnarrenkostüm zwang und violett-gelb vergewaltigte. Die Italiener und die Tschechen im Stadio Communale zu Florenz haben wirklich herzhaft gelacht. 1998 in Frankreich kehrte Michael Konsel zum urtümlichen Schwarz zurück: Aber das Rad der Zeit lässt sich nicht beliebig zurückdrehen. Österreich hatte die internationale Entwicklung verschlafen und war längst nicht mehr modern.

Der spanische Dichter Javier Mar¬as, leidenschaftlicher Anhänger von Real Madrid und einer, der auch Literatur im Sport schreibt, monierte sich vor der WM in Frankreich über den französischen Goalie Barthez, der sich mit einem Tormannpullover mit kurzen Ärmeln (also Pullunder) kleidete, was einer Verhöhnung des Gegners gleichkomme, was nicht anzusehen sei und dazu einlade, diesen Mann zu demütigen. Wegen dieses Tormanns, schlussfolgerte Mari s, könne Frankreich auf gar keinen Fall Weltmeister werden - und er hat sich damit vollständig geirrt: Leider hören die Sportler eines Landes ja nie auf ihre Intellektuellen.

Ironie des Schicksals, dass Barthez zum modischen Avant-Gardisten wurde und ausgerechnet der Torhüter von Real Madrid und Spanien, Iker Casillas, heute in kurzen Ärmeln spielt. Was Mar­as wohl dazu sagt und wie dadurch Spaniens Chancen stehen, endlich Europameister zu werden? Kurze Ärmel, aber Handschuhe trägt sonst nur Mickey Mouse.

Ich werde mir in den ersten Gruppenspielen ganz besonders die Torhüter-Garderobe ansehen und dann meinen Tipp abgeben.

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