Erklären wir Jazz zur Konzeptkunst!

Was kann die Institution Jazzfestival retten? Teurer Luxus, Abschaffung des Jazz - oder Ideen.

Das Salzburger Festival ,Jazz in der Altstadt' sucht auch im vierten Jahr nach einem eigenständigen Profil", meldet die Apa, und das kann man so stehen lassen, höchstwahrscheinlich auch im fünften, sechsten Jahr usw. Das liegt nicht so sehr an Salzburg, sondern am Jazz und an der Institution Jazzfestival.

Jazz ist tot - im Sinn von: Er entwickelt sich nicht weiter, er wird nur mehr gepflegt, konserviert. Dieser Satz war vor 40 Jahren eine Dummheit, vor 30 Jahren eine Gemeinheit, vor 20 Jahren eine Kühnheit, er ist seit gut zehn Jahren ein Gemeinplatz. Das wissen selbstverständlich alle Veranstalter von Jazzfestivals, seien es hoch offiziöse (und subventionierte) wie das Jazzfest Wien oder nur von den Wirten und vom "Altstadt Marketing" geförderte wie jenes in Salzburg.

Das macht nichts. Auch Kulturformen, die ihre Geschichte hinter sich haben, erfreuen die Leute. Man kann musikalische Revolutionen wie Punk oder Freejazz Jahre später nachvollziehen - und einen gut Teil der Glut noch hören. Das spezielle Problem des Jazz: Ihm hat die Konservierung an den Konservatorien gar nicht gut getan: Ob in Graz oder New York, Jahr für Jahr lernen z. B. ganze Klassen von Saxofonisten, so zu spielen wie John Coltrane oder Ornette Coleman, und so geht der wilde Reiz der Originale verloren, die man - im Gegensatz zur Klassik - jederzeit auf Platte hören kann. Dazu kommt, vor allem in den USA, die Verschränkung des Jazz mit der - gezielt zur Untermalung, als "akustische Tapete" produzierten - New-Age-Musik. Und niemand fährt zu einem ländlichen Festival oder drängt sich in Bars, um Musik zu hören, die fürs (luxuriöse) Wohnzimmer geschneidert ist.

W
ie retten sich die Veranstalter? Wenn sie es sich (mit Subventio nen) leisten können, bekennen sie sich offensiv zum Luxus - wie das Wiener Jazzfest, das ja nur dadurch "exklusiv" ist, dass es zum Teil in der Staatsoper stattfindet. Oder sie vergessen den Rahmen des Jazz und präsentieren einfach Spannendes oder Populäres aus dem - noch lebendigeren - Pop-Bereich.

Oder sie bemühen sich, die letzten, natürlich längst postmodernen Vor- und Nachdenker des Jazz zu versammeln - so wie das alle Jahre wieder spannende Festival in Saalfelden. Dort verlangt man den Musikern freilich Gedankenarbeit ab, Ideen, ja: Konzepte. Diese, so aufgesetzt sie in der bildenden Kunst oft wirken mögen, können den - allzu gern auf bequeme emotionale Reflexe bauenden - Jazz beflügeln. Also: Erklären wir den Jazz zur Konzeptkunst! Vielleicht wird noch was draus. Muss ja nicht gleich ein "eigenständiges Profil" sein.

thomas.kramar@diepresse.com

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