Keine Spur von Harvey Weinstein

Harvey Weinstein
Harvey WeinsteinAPA/AFP (ROBYN BECK)
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Hollywoods meistgehasster Mann ist abgetaucht. Vielleicht wartet er in einem seiner vielen Millionen-Domizile auf eine zweite Chance.

Eigentlich wäre es Hochsaison für Auftritte des Filmproduzenten an der Seite von Stars, um die Werbetrommel für Oscar-Kandidaten zu rühren. Auch keine Feier zum zehnten Hochzeitstag am 15. Dezember - Weinsteins Ehefrau Georgina Chapman hatte sich im Zuge des Missbrauchsskandals schnell von dem 65-Jährigen getrennt.

Doch wo hält sich der einst mächtige Filmmogul auf? Macht er noch in einer Luxus-Klinik in Arizona eine Therapie, wie US-Medien im Oktober berichteten, nachdem ein "New York Times"-Artikel mit den Schilderungen von Schauspielerin Ashley Judd und anderen Frauen eine Lawine von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs ausgelöst hatte. Sein Sprecher-Team schweigt - eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nach Weinsteins Verbleib blieb ohne Antwort.

Hollywoods meistgehasster Mann ist abgetaucht, vielleicht in einem seiner vielen Millionen-Domizile in Kalifornien, New York oder Westport im US-Staat Connecticut. Mitte Oktober wurde er noch von Paparazzi in Los Angeles vor dem Haus seiner Tochter Remy aufgespürt. "Ich brauche Hilfe", sagte er damals in die Kameras. Er hoffe auf eine "zweite Chance".

Das ist in weite Ferne gerückt. Die Zahl von Schauspielerinnen, Models und früheren Mitarbeiterinnen, die ihm Belästigungen, Vergewaltigung und Einschüchterungen vorwerfen, ist auf mehrere Dutzend angestiegen. Er flog bei der eigenen Produktionsfirma raus und wurde von der Oscar-Akademie gefeuert.

Mehrfach hat Weinstein über sein Sprecher-Team Vorwürfe von "nicht einvernehmlichem Sex" zurückgewiesen. Zuletzt dementierte der gestürzte Filmproduzent Mitte Dezember Vorwürfe der Schauspielerin Salma Hayek, er habe sie zu sexuellen Handlungen zwingen wollen und auf ihre Ablehnung mit Wut und Androhung von Gewalt reagiert. "Harvey Weinstein war auch mein Monster", schrieb Hayek 15 Jahre nach dem gemeinsamen Film "Frida" in der "New York Times".

Die "Weinstein"-Dokumentation

Auch wenn er sich öffentlich nicht blicken lässt, in den Schlagzeilen ist er fast täglich. Die Polizei in Los Angeles, New York und London ermittelt, vor Gericht gehen unzählige Klagen ein. Kurz vor Weihnachten zog die Produzentin der Netflix-Abenteuerserie "Marco Polo" in New York gegen Weinstein vor Gericht. Alexandra Canosa klagt wegen angeblich jahrelanger sexueller Übergriffe und Einschüchterung auf zehn Millionen Dollar Entschädigung. Sie geht auch gegen die von Harvey und Bruder Bob gegründete Firma The Weinstein Company vor.

Zahlreiche Opfer sollen außerdem in einer geplanten "Weinstein"-Dokumentation zu Wort kommen. Der britische Sender BBC kündigte kürzlich an, einen abendfüllenden Film über den Skandal und Hollywoods Machtstrukturen zu drehen.

Stoff gibt es offensichtlich genug. Die Weinstein-Enthüllungen brachten die #MeToo-Lawine ins Rollen, eine weltweite Bewegung, bei der Hunderttausende Betroffene über eigene Erfahrungen reden und Missbrauchsvorwürfe publik machen.

Schnell rollten die Köpfe

Nach Weinstein, Regisseur James Toback und "House of Cards"-Star Kevin Spacey wurden auch Oscar-Preisträger Dustin Hoffman, "Rush Hour"-Regisseur Brett Ratner und "Transparent"-Star Jeffrey Tambor mit Dutzenden Vorwürfen sexueller Belästigung konfrontiert.

Für Oscar-Preisträger Spacey kam bei der Netflix-Serie "House of Cards" prompt das Aus für seine gepriesene Rolle als skrupelloser US-Präsident Frank Underwood. Zahlreiche Männer werfen Spacey vor, ihnen gegenüber sexuell übergriffig geworden zu sein, teilweise als Minderjährige. Der Schauspieler nehme sich "die nötige Zeit für eine Analyse und Behandlung", teilte sein Sprecher Anfang November mit.

Zuvor hatte Spacey auf Twitter und Facebook eine recht vage Entschuldigung formuliert, in der er "unangemessenes betrunkenes Verhalten" einräumte und sich gleichzeitig als schwul outete. Seitdem sind die sozialen Netzwerke des Schauspielers verstummt, er ist aus der Öffentlichkeit verschwunden und - in einem filmischen Präzedenzfall - auch aus seinem letzten Film. Im November schnitt Regisseur Ridley Scott alle Szenen mit Spacey aus dem bereits fertig gedrehten Entführungsdrama "Alles Geld der Welt" heraus, sie wurden mit Christopher Plummer nachgedreht.

Wandel in Sicht

Ein radikaler Einschnitt in Hollywood? Viele glauben, dass sich der Umgang in der Filmindustrie nach dem Weinstein-Skandal grundlegend wandelt. "Wir können den Wandel sehen, er passiert gerade", sagte unlängst die deutsche Schauspielerin Diane Kruger ("Aus dem Nichts") in einer Talkrunde des US-Magazins "The Hollywood Reporter". "All diese Männer sind weg." Sie sei erstaunt, wie viele Unternehmen sich sofort von Männern getrennt haben, die mit sexuellen Übergriffen in Verbindung gebracht wurden. "Die bekommen nicht nur einen Klaps auf den Rücken und kommen dann zurück."

(APA/dpa)

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