Die Testerinnen: Gasthaus Zum Wohl

(c) Stanislav Jenis
  • Drucken

Zum Wohl: ohne alles, mit Geschmack.

(c) Stanislav Jenis

Am Nachbartisch sitzt eine fünfköpfige Familie, drei Personen leiden an Zöliakie. Nicht, dass ich lauschen würde, aber die Freude, einfach alles drauflos bestellen zu können, war wirklich nicht zu überhören. Das Gasthaus Zum Wohl hat offenbar Potenzial, ziemlich viele Leute ziemlich glücklich zu machen. Es ist ein Lokal für Allergiker – alles ohne Gluten, ohne Laktose. Christina und Albert Schmidbauer haben dafür sichtbar viel Geld in die Hand genommen. Zwei Jahre lang bauten sie das heruntergekommene Etablissement im Sechsten zu dem erdig-schicken Wirtshaus um. Also eigentlich genau zu jener Art von Lokal, wo man mit Unverträglichkeiten eher unentspannt isst. Man kennt ja die Reaktionen auf Sonderwünsche und Fragen an das Personal. Jetzt gibt es ein unbedenkliches Gasthaus. Das ist gut und neu. Und weil die beiden Nachahmer fürchten, wurde gleich auch ein Bistro eröffnet – weitere Expansionspläne liegen in der Schublade. Genügend Investitions­kapital und Wissen über komplizierte Esser auch – den Schmidbauers gehört nämlich Biogena, eine Nahrungsergänzungsmittelfirma. Für das Zum Wohl sortieren die hauseigenen Experten Inhaltsstoffe, Küchenchef Patrick Lechner kreiert Rezepte dazu. Nur beim Gebäck braucht es noch eine Runde. Die Semmel schaut aus wie Plastik und schmeckt staubtrocken. Nein, in diesem Fall ist die Mischung aus Soja- und Reismehl nichts für Allesesser. Außer, dass man dankbar ist, kein Allergiker zu sein. Das weiße Tomatenmousse mit glaciertem Fenchel und Basilikumpesto ist dafür umso fluffiger. Wie die geschmorten Steckrüben, auch wenn sie mehr Säure vertragen hätten. Als Hauptspeise stehen auch Labonca-Schwein, Paprikahenderl oder Rindgsulasch auf der Karte. Letzteres schmeckt einfach nur total normal, das ist ja auch das Ziel. Außen knusprig, innen leicht kommt die Polentaterrine mit Pilzen aus der Küche. Das cremige Buchweizenrisotto gehört auch zu den gelungenen Ergebnissen. Die Eiernockerln schauen zwar grau aus, schmecken aber wirklich okay. Statt Weizenmehl greift Küchenchef Patrick Lechner zu Teff, glutenfreiem Mehl aus äthiopischer Zwerghirse. Das erzählt der Kellner. Er weiß übrigens auf jede Fra­ge zum Essen eine Antwort, die nicht lautet: Da muss ich in der Küche fragen.

Tipp

Gasthaus Zum Wohl, Stumpergasse 61, 1060 Wien, Tel: 01/595 31 66, Restaurant: tägl. offen, 11.30–14.30 Uhr Mittagstisch, 17.30–23 Uhr.

Mehr Kolumnen auf: → Schaufenster.DiePresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.