Geschmacksfrage: Grand Ferdinand

Das Restaurant im Grand Ferdinand entspricht einem alten Bubentraum. Und dazu gehören natürlich Kinderkrankheiten.

Restaurantkritiker halten sich für wahnsinnig genial, prophetisch, stilsicher und generell für bessere Menschen, weil sie besseres Essen erkennen und für die Verbesserung der Küchen kämpfen. Kurz: Sie sind ziemlich unsympathische und eingebildete Zeitgenossen. Nachdem dies geklärt wäre, darf ich wieder frei von der hoffentlich rosafarbenen Leber Eigenlob und angewandte Klug-Diarrhö betreiben. Vor Kurzem hatten wir die lustige Idee, unserer geschätzten Freundin Lena Hoschek zum zehnjährigen Label-Geburtstag einen "Schaufenster"-Schwerpunkt zu widmen. Ich versprach in einem Moment der Umnachtung die einmalige Wiederaufnahme der "Geschmacksfrage" und überlegte mir ein passendes Lokal. Die Wahl fiel auf das damals noch nicht eröffnete Restaurant im neuen Hotel Grand Ferdinand in Wien. Stilistisch eine sichere Bank, die Betreiber führen angesagte Hotels wie das Daniel und das Weitzer in der Steiermark und Wien und haben es geschafft, einen eigenen Grazer Hipster-Stil zu entwickeln.

Dass Frau Hoschek im Grand Ferdinand dann Details zu ihrer Sause verraten würde, wusste ich noch nicht, aber ... siehe oben. Damit nicht genug der Weisheit: Ich träumte immer von einem großen Brasserie-Lokal mit gefliesten Wänden, in 1930er-Jahre-Schlichtheit gehalten, livrierte Kellner schieben breite Bratenwagen durch den Saal und säbeln den Gästen große Scheiben ab. Böhmisch-österreichische Küche auf ebensolchem Porzellan. Ganz so groß wurde das Ferdinand-Lokal zwar nicht, aber der Stil geht in diese Richtung. Nun müsste ich in der Logik eines Geburtagsgasts der verehrten Lena Hoschek schreiben, wie großartig die Küche sei. Und wie freundlich das Service. Zweites geht, erstes noch nicht.

(c) Stanislav Jenis


Die Schinkenfleckerln bröseln sehr trocken, die sehr gepresste Fülle der Paprika wirkt unschön. Gewürzt ist das alles gut, aber etwas beilläufig zubereitet. Und das wirklich gut kombinierte, amüsant teure Fleischlaberl-Gericht mit Spinat, Dotter und Sauce tyrolienne la Metternich schmeckt schon recht rund, die Fleischkonsistenz könnte aber luftiger sein. Dank meiner unglaublichen Erfahrung habe ich den Grund für die Anfangsschwierigkeiten herausgefunden: Es wird einfach zu stark geheizt, dadurch wird allen zu warm, und die Gerichte werden trocken. Man kennt das von Skihütten. Daher sollte die Küche schnell zu einer besseren Form finden, wenn es kälter wird. Das spart Stromkosten, und wir ziehen uns üppige, wärmende Kleider von Lena Hoschek an. Hotelempfehlung!

Info

Grand Ferdinand, Schubertring 10-12, 1010 Wien, 01/91 880, täglich 12 - 24 Uhr

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