Geschmacksfrage: Magnolia, Die Traube

Steirische Wochen II. Das beste Motel mit Küche steht in Graz, in Bad Tatzmannsdorf wird der Gast geknechtet.

(c) Julia Stix

INFO

Glaubt man dem Haubenverteiler aus Wien, ist Graz tiefste Provinz, eine Haube ist hier das Höchste der Gefühle. Als loyaler und vor allem wehrhafter – dieser Tage ein schönes Wort – Mitarbeiter eines Medienkonzerns mit Hauptquartier Graz geht es zur Überprüfung: Im Augartenhotel, das mit seiner Architektur auch eine US-Stadt und ein dazugehöriges Roadmovie zieren würde, gibt es das kleine Restaurant Magnolia. Platz ist in der kleinsten Hütte, das gilt weniger für den kleinen Speisebereich denn für die Schauküche, in der Herbert Schmidhofer seinem Handwerk nachgeht. Und zwar routiniert und auf jeden Fall besser als der gemeine Ein-Hauber.

Bei einzelnen Gängen zeigt der Mann großes Talent und keine Scheu vor ordentlichem Materialaufwand: Das wirklich schön intensiv schmeckende Hirsch-
carpaccio bekommt noch ein Stück Gänseleber ab und das Beef Tatar auf Erdäpfelpüree noch ein bisschen Kaviar. Genial bis abenteuerlich ist seine Kombination von Steinbutt mit Rumrosinen – René Leitgeb im Grazer Café Sacher hat übrigens einen ähnlichen Gang auf Lager. (Auch immer ein Anwärter für eine zweite, dritte Haube.)

Damit das hier keine Schleim - beziehungsweise Püreespur (im Magnolia gibt es davon fast ein bisschen zu viel) wird: Es geht auch ganz anders. Wer jemals in Bad Tatzmannsdorf das À-la-carte-Restaurant des Reiter’s Supreme (schlimme Architektur, gute Wellness) besucht, sei gewarnt: Den Tisch für die Zwei-Hauben-„Stube“ muss man bis 14 Uhr bestellen. Der Chef müsse vorkochen und etwa die Brioche frisch backen, heißt es. Ich will nicht wissen, wie das Brot geschmeckt hätte, wenn es alt gewesen wäre: Zwieback? Mehr Retro als hier ist kaum möglich. An einem Stück Pistazienschale beißt man sich fast den Zahn aus. Der Kellner schaut sich das Teil genau an und verspricht, in der Küche nachzufragen, was passiert sei. Dort sucht man offenbar noch immer nach der Antwort. Ich ahne es: Beim Zerkleinern der Nüsse für den etwas trockenen Ochsenschleppwürfel im Konfektdesign ist eben etwas passiert. Beim Fischgaren wird es wieder verlässlicher. Und welcher Idiot fährt wegen des Essens in ein Wellnesshotel? (Wegen der Weinkarte schon eher.)



Magnolia im Augartenhotel, 8010 Graz, Schönaugasse 53, Tel.: 0316/82 38 35.
Die Traube im Reiter’s Supreme, 7431 Bad Tatzmannsdorf, Am Golfplatz 1, 03353/884 16 07

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