Renaissance: Wege zum Rum

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Unter den fassgereiften Bränden war Rum lange das Schmuddelkind. Das Image als Disco-Spirituose hat sich gewandelt.

„Wenn man die Gäste erst einmal dazu bekommt, Rum pur, ohne fünf Eiswürfel, zu trinken, sind sie meist überrascht, wie vielfältig der Geschmack ist“, sagt Frank „Johnny“ Schütten. Der Pianist hat das familieneigene Landhaus Appesbach in St. Wolfgang im Vorjahr um eine Strandbar erweitert, in der er im Alleingang Überzeugungsarbeit für seine Lieblingsspirituose leistet. Seither stehen in der ehemaligen Villa des englischen Kurzzeitkönigs Eduard VIII. der La Mauny aus Martinique, eine kubanische Grand Reserve, aber auch Haitis Rhum Barbancourt einträchtig neben schottischen Single Malts. Die nächste Tour in die Karibik hat Schütten für Februar geplant, Kuba und die Bahamas stehen auf der Liste.

Das Coca-Cola-Sakrileg. Dass der Markt in Österreich durchaus vorhanden ist, bestätigt Mario Morandell vom gleichnamigen Getränkehandel in Wörgl, der 2014 in das Rumgeschäft einstieg: „Die für das erste Jahr geplante Menge hatten wir nach wenigen Monaten erreicht, der Toprum Ambassador (179 Euro pro Flasche, Anm.) ist mittlerweile sogar ausverkauft.“ Der von den Tirolern importierte Diplomático wird von den Destelerias Unidas in Venezuela hergestellt, deren Produktionsleiter Tito Cordero sich über die österreichische Cola-Unsitte nur wundern kann: „Unter den Maestros Roneros gilt es als ,sacrílego‘, den Rum zu mischen. Wenn man einen Rum schätzen will, muss man ihn eigentlich pur trinken.“

Großen Anteil an der hiesigen Rum-Renaissance hat Ron Zacapa: Die guatemaltekische Marke platzierte sich neben Cognac, Armagnac und Whisky auf vielen Digestif-Karten. Wegen der schmeichelnden Süße „wissen heute viele, dass man Rum auch pur trinken kann“, meint etwa der Chef der Heuer-Bar am Karlsplatz, Bert Jachmann. Die 25 verschiedenen Produkte in seiner Bar machen durchaus Sinn, meint Jachmann: „Dass es unterschiedliche Rumstile gibt, ist schon durchgedrungen. Da wird dann bewusst ein Rhum agricole verlangt.“

Denn bei der Rumherstellung herrscht eine bemerkenswerte Vielfalt. Je nach kolonialer Zugehörigkeit der mittel- und südamerikanischen Erzeugerländer werden unterschiedliche Brennverfahren angewendet. Kolonnen-Destillen nach französischem Vorbild bringen leichte Rums und buttrige Aromen, fruchtigere Brände stammen aus Batch-Kettle-Anlagen nach US-Vorbild, und die aus der Whiskyproduktion bekannten Pot Stills bringen die kräftigen Brände hervor. Dazu kommt die Entscheidung für das Ausgangsmaterial, das nicht zwangsläufig Melasse aus der Zuckerproduktion sein muss. Daneben wird nämlich auch Virgin Cane Honey gebrannt, eine Art Konzentrat aus Zuckerrohrsaft, dem durch Erhitzen Wasser entzogen wird. In den französischen Antillen hingegen wird der Saft des Zuckerrohrs gewonnen, um Rhum agricole zu erzeugen.

Damit noch nicht genug der Vielfalt: Die Lagerung bringt weitere Unterschiede hervor. „Sechs Prozent beträgt bei uns der jährliche Verlust durch Verdunstung“, rechnet die jamaikanische Destillateurin Joy Spence von Appleton Estate vor. Dieser gewaltige „Angels’ share“, der negative Zinseszins für Brenner, macht in den heißen Produktionsländern zwölf Jahre alten Rum zum Luxus. Dagegen lassen Hersteller in Kolumbien, Venezuela oder Guatemala ihre Fässer bewusst im Hochland lagern, um auch 20 Jahre und länger gereifte Abfüllungen präsentieren zu können.

Wie war das Rumjahr? Tito Corderos Diplomático gibt es sogar als Jahrgangsrum; nach 1997 und 2000 kommt heuer der Single Vintage 2001 auf den Markt. Kennt auch Zuckerrohr Jahrgangsunterschiede? „Beim Rum ist – anders als bei Wein – der Einfluss der Produktion und des Alterns auf die Qualität höher. Es kommt nicht so sehr auf den Jahrgang an, da die Destillation einiges korrigieren kann.“ Der Single Vintage verdankt sich also nicht dem vorteilhaften Klima eines Jahres, sondern herausragend gereiften Fässern. Insofern fällt auch die Entscheidung erst nach einigen Jahren. „Aktuell halten wir zwölf oder 13 Jahre für ideal.“

Heuer-Bartender Bert Jachmann empfiehlt, fünf Zentiliter Rum mit drei Zentilitern Lime Cordial (gesüßtem Limettensaft) zum Gimlet zu vermischen. „Die Limette schließt – ähnlich wie Wassertropfen beim Whisky – die Spirituose auf. Was pur eher ruppig wirkt, kann zur Aromabombe mit Bananen-Noten und viel Frische werden“, so erläutert er die Metamorphose anhand des Gosling’s von den Bermuda-Inseln. Eines sei aber wesentlich, da dunkle Spirituosen durchaus höhere Temperaturen vertragen: „Immer straight up servieren“, also ohne Eis, lautet Jachmanns Rumrat. So weit geht Destillateur Cordero nicht. Fragt man ihn, wie man Rum trinken soll, heißt es nur: „Häufig!“

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