Wiens bestkuratierter Essensmarkt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Der Indoor-Markt mit Restaurant in Wien-Neubau will der neue Hotspot für all jene werden, die gern gut einkaufen, essen und trinken.

Es sagt schon einiges, dass Lucanus Polagnoli wie selbstverständlich den Begriff „kuratieren“ in den Mund nimmt, wenn er über die Marktwirtschaft spricht. Tatsächlich ist in der Markthalle, die in Wien-Neubau aufgesperrt hat, wirklich alles ganz gezielt ausgewählt: Es gibt selbst gerösteten Kaffee von Kaffemik, Holzofenbrot von Gragger, (Blut-)Wurst vom Fleischer Dormayer, Käse vom Käsekollektiv Jumi. Nicht nur sogenannten Foodies – dieser stetig wachsenden Gruppe moderner Feinschmecker – sind diese Namen inzwischen ein Begriff.

Und auch die anderen Stände, die auf den 400 Quadratmetern zu finden sind – bis zu 25, gut die Hälfte davon wechselnd – sind handverlesen. In der mit Sichtbeton, Holz und Glas auf Loft getrimmten ehemaligen Bank (zwischendurch war die Location einmal ein Sushiladen) wird österreichisches Bio-Obst und -Gemüse verkauft, italienisches Craft Beer, portugiesische Sardinen, Emailgeschirr von Riess: Alles, was das Foodieherz begehrt.

„Es ist ein Concept Store“, sagt Ko-Gründer Polagnoli (37) einen Tag vor dem Start vor halb eingeräumten Regalen, zwischen denen Marktmanagerin Nina Kasmaei herumläuft. „Es gibt für jedes Produkt nur einen Händler“, erklärt Polagnoli. Deren Produkte sind (möglichst) regional, saisonal und bio – all das soll aber nie Dogma sein: Zentral sei hohe Qualität und die Haltung gegenüber den Produkten.

Der Einfall für die Marktwirtschaft stammt von Polagnoli und Michael Schuster, beide bei der Risikokapitalfirma Speedinvest tätig, die Start-ups finanziert („Dort finanzieren wir viele Start-ups nicht, weil die Idee nicht skalierbar ist. Hier geht das schon: Es ist nicht skalierbar – aber es ist gut.“) Was Polagnoli und Schuster, beide an guten Produkten und Kulinarik interessiert, eigentlich wollten: „Etwas, wo wir selbst hingehen können, wo wir einkaufen, trinken und essen können.“

Gleich hinter den Ständen wird im Lokal Die Liebe, hinter dem das Jessas-Kollektiv von David Kreytenberg (35) steckt, gekocht und eingeschenkt. Die Glasfront dahinter gibt den Blick in den großzügigen Garten frei, der irgendwann auch bespielt werden soll. Küchenchef Alfred Schoch – der früher im Kempinski kochte – tischt in der „Liebe“ Frühstück und Mittagessen auf, nachmittags gibt es Kuchen und Häppchen, abends Tapas, wenn möglich mit Bezug zum Markt: ein Gragger-Baguette mit Sardellen zur Jause, Blutwurst-Corndogs am Abend.

Weniger Rituale, mehr Inhalt

„Wir wollen jungen Leuten ,fine dining‘ unkompliziert zugänglich machen“, sagt Julian Steindorfer (27) vom Jessas-Kollektiv (zuletzt in den Medien, weil es seinen Club im ersten Bezirk nicht aufsperren durfte). „Sie sind kulinarisch interessiert – aber würden nicht ins Kempinski gehen. Wir bieten weniger Rituale und mehr Inhalt.“ Geschmacklich zurück zu den Wurzeln, zugleich experimentierfreudig. Auch wenn man betont, keine Trends bedienen zu wollen: Das liegt im Trend.

Barchef Hubert Peter verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Aus ziemlich allem, was es auf dem Markt gibt, wird er etwas fabrizieren. Ein paar Liköre stehen schon auf der Bar: Rote Rübe zum Beispiel, oder Paprika. Er begleitet das Essen mit „Petit Pours“ – Cocktails im Kleinformat. Auch diese sind natürlich ziemlich ausgefallen. Da wird an einen dekonstruierten Colacocktail gedacht. Oder einen mit Fett aus Chorizowurst.

AUF EINEN BLICK

Die Marktwirtschaft in Wien-Neubau will der neue Hotspot für alle sein, die an guten Produkten und gutem Essen interessiert sind. Markt und Gastronomie – auf den 400 Quadratmetern befindet sich mit Die Liebe ein zugehöriges Restaurant – sind sorgfältig „kuratiert“. An fünf bis zehn fixen und zehn bis 15 wechselnden Ständen bieten ausgewählte Hersteller ihre Produkte an – von Bio-Obst bis Sardinen und Geschirr. Geöffnet ist der Markt in der Siebensterngasse 21 seit dieser Woche, der Vollbetrieb (Di–So von 9 bis 24 Uhr) startet am 17. November.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.