Petra Lindenbauer: Tonangebend

Ton und Glasur. Alle Stücke entstehen in Petra Lindenbauers Werkstatt in Stadtschlaining.
Ton und Glasur. Alle Stücke entstehen in Petra Lindenbauers Werkstatt in Stadtschlaining.(c) Emmerich Mädl
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Menüs im Steirereck oder im Wiesergut, Kochbücher von Konstantin Filippou, Bernie Rieder oder Max Stiegl: Petra Lindenbauers Geschirr ist derzeit omnipräsent.

Machst du Hobbykurse?“, lautete lange Zeit die erste Frage, die Petra Lindenbauer gestellt wurde, wenn sie ihren Beruf erwähnte. Keramiker wurden in Österreich lange Zeit stiefmütterlich behandelt, erzählt sie. Das sei ihr besonders im Ausland, etwa in London, bewusst geworden, wo Kunsthandwerk einen ganz anderen Stellenwert hat. In den letzten Jahren aber, und hier ist vor allem die Spitzengastronomie mit ein Auslöser, hat es einen deutlichen Schub gegeben: Wenn Toplokale rund um den Globus nicht nur bei den Zutaten in der Küche auf Handverlesenes, auf eigens Angebautes setzen, sondern auch beim Geschirr (und zunehmend auf Glas, siehe nächste Seite), ändert dies das Image eines Berufszweigs. Die Arbeit von Keramikern verbindet man heute nicht nur mit Töpferwerkstätten im Vorstadt-Souterrain, sondern auch mit Adressen wie dem Steirereck in Wien, dem Eleven Madison Park in New York, dem Noma in Kopenhagen. Oder auch mit kleineren Lokalen wie dem Mochi in Wien, für das der in Japan ausgebildete Österreicher Matthias Kaiser immer mehr Geschirr produziert, demnächst auch für das geplante Ramen-Lokal.

Alpin. Im Wiesergut in Hinterglemm stammt fast das gesamte Geschirr aus Lindenbauers Händen.
Alpin. Im Wiesergut in Hinterglemm stammt fast das gesamte Geschirr aus Lindenbauers Händen.(c) Beigestellt

Mehr oder weniger unregelmäßige Keramik mit Glasuren, denen durchaus ein Eigenleben zugestanden wird, war in den letzten Jahren ein wichtiger identitätsstiftender Aspekt der einflussreichen Nordic Cuisine. In der – man nehme das Beispiel Gemüse – das Glatte, das perfekt Tournierte und akkurat Gestiftelte abgelöst wurde von einzelgängerischen und bitte gern windschiefen Solo­karotten mit Stammbaum und verkohlter Schale. Weißes, steriles Gastroporzellan passt nicht zu dieser Philosophie. „Wenn beim Essen großer Aufwand um regionale Herkunft betrieben wird, kann man doch nicht ein Geschirr verwenden, das von irgendwo herkommt“, meint Petra Lindenbauer. Die Gerichte der weltbesten Restaurants, die dank diversen medialen Kanälen um die Welt gehen, werden heute aus diesem Grund (und natürlich auch aus Gründen der Individualität) kaum mehr auf anonymem Porzellan angerichtet. Sondern auf eigenständigen und – zwar gedeckt, aber doch – oftmals farbigen Tellern und Schalen. Auf Geschirr, das entweder tatsächlich von Keramikern auf der Töpferscheibe geformt wurde oder zumindest so tut, als ob – dank tausendfach gleichen, weil in der Gussform implementierten Pseudounregelmäßigkeiten.

Süße Küche. Bernie Rieder ließ sich auch für sein jüngstes Kochbuch wieder ausstatten.
Süße Küche. Bernie Rieder ließ sich auch für sein jüngstes Kochbuch wieder ausstatten.(c) Beigestellt

Omnipräsent. Bei Petra Lindenbauers Serien stammt jedes Stück aus ihrer Hand. Während man Porzellanguss auslagern könne, sei dies bei handgeformten Stücken nicht möglich, „man würde das sofort sehen“. Lindenbauer, die nicht nur Keramik gelernt, sondern auch Kunstgeschichte und Archäologie studiert hat, lebt und arbeitet im burgenländischen Stadtschlaining; wenn sie nicht gerade für internationale Ausstellungsbeteiligungen und zum Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten auf Reisen ist, etwa in Belgien oder China. In Stadtschlaining produziert sie einerseits Geschirr für Kochmagazin-Fotos und Kochbuchproduktionen: Bernie Rieder richtete seine Kreativknödel genauso auf Lindenbauers Geschirr an wie Meinrad Neunkirchner seine Wildkräuterideen oder Max Stiegl, dessen Kochbuch „Mein Pannonien“ demnächst präsentiert wird, seinen Schnepfendreck. Anders als bei Fotoprojekten ist die von Lindenbauer geforderte Stückzahl im Falle von Restaurantkooperationen naturgemäß deutlich höher, wobei sie zunächst jeweils Probeexemplare fertigt. Das Steirereck ließ sich von ihr genauso ausstatten wie Wachter-Wieslers Ratschen im Burgenland, Werzers Badehaus am Wörthersee oder Konstantin Filippou in Wien, dessen bald erscheinendes Kochbuch übrigens ebenfalls mit ihren Stücken fotografiert wurde. Petra Lindenbauer versorgte auch schon ein ganzes Hotel mit Geschirr: Das Wiesergut in Hinterglemm, ein Designhotel mit eigener Rinder- und Hühnerzucht und einem omnipräsenten Faible für naturbelassene Materialien und raue Schlichtheit, ließ sich von der Keramikerin vom Espressobecher bis hin zum Platzteller so ziemlich alles auf der Töpferscheibe maßschneidern. Damit hier – man gestatte einen Keramikwortwitz – alles aus einem Guss ist.

Pannonisch. Für Max Stiegls Kochbuch „Mein Pannonien“ fotografierte Luzia Ellert auf Geschirr von Lindenbauer.
Pannonisch. Für Max Stiegls Kochbuch „Mein Pannonien“ fotografierte Luzia Ellert auf Geschirr von Lindenbauer.(c) Luzia Ellert (Max Stiegl, Krenn-Verlag)

Korrespondierend. Lindenbauer geht in ihrer Arbeit auf das Umfeld des Auftraggebers ein: Während sie sich im rohsteindominierten Wiesergut mehr Rustikalität, mehr Derbheit erlaubte – abzulesen an den mitunter dunklen Glasuren oder den deutlich sichtbaren Spuren, die ihre Finger im Ton hinterließen, war im Steirereck mehr Zartheit und Glätte gefragt. Weiße Teller mit dünnen, an manchen Stellen absichtlich ausgefransten Rändern etwa. Oder kleine Podeste aus grauem, teils weiß glasiertem Ton für Amuse-Gueules – das Weiß und das Grau mit den Möbeln im neuen lichtdurchfluteten Trakt korrespondierend.

Es sind bei solchen Auftragsarbeiten für Restaurants gewissermaßen immer vier Parteien beteiligt, zählt Petra Lindenbauer auf: „Der Koch, die Gäste, die Örtlichkeit und ich als Keramikerin.“ Heinz Reitbauer etwa, Chef des Steirereck, ließ ihr viel Freiheit. „Er sagte anfangs nur: ,Ich hab’ alles, aber ich brauch’ alles.‘“ Für Lindenbauer war klar, dass sie farblich zurückhaltend bleiben wollte, schließlich sollten mit ihrem Geschirr die Steirereck-Gerichte ins rechte Licht gerückt werden, nicht umgekehrt. Was ihr bei dieser Kooperation auch wichtig war: „Ich wollte unbedingt Ton in so ein Haus bringen, nicht Porzellan. Um zu zeigen, wie elegant auch dieses Material sein kann.“

Tipp

Keramik. Petra Lindenbauer lebt und arbeitet in Stadtschlaining. www.petralindenbauer.at

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