Das Ende einer Wiener Institution

Inhaber Wolfgang Ruff schließt mit Mitte August das Feinkostgeschäft Böhle.
Inhaber Wolfgang Ruff schließt mit Mitte August das Feinkostgeschäft Böhle. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Seit 1939 ist Feinkost Böhle in der Wollzeile die Anlaufstelle für Spezialitäten wie Kaviar, Madeira, Käse oder frische Waldheidelbeeren.

Wenn sich jemand verabschiedet, stellt sich Ruhe ein. Statt alltäglicher Hektik werden die Menschen um ihn herum bedächtiger, fast ehrfürchtig. Das lässt sich dieser Tage auch in dem Feinkostgeschäft Böhle in der Wiener Wollzeile beobachten. Vor ein paar Wochen musste Betreiber Wolfgang Ruff einen Konkursantrag einbringen („Die Presse“ berichtete). Obwohl darin schon von der Schließung des Geschäfts die Rede war, hoffte Ruff bis zum Schluss, dass es vielleicht doch noch irgendwie weitergeht. Leider vergeblich.

In der Auslage des Wiener Traditionsgeschäfts verabschieden sich die Betreiber nun wehmütig von ihren Stammkunden. „Ein paar Tage“ habe man noch offen, sagt Ruffs Vater Werner, der in den 1980ern das Geschäft von dem namensgebenden Herrn Böhle gekauft hat und seinen Sohn nun in den letzten Tagen unterstützt. Sie wollen noch so lange offen halten, bis die Ware weg sei. Und dabei handelt es sich nicht nur um die berühmten Spezialitäten, sondern auch um das Inventar. „Nostalgie-Teller“, Bier- und Weingläser, Auflegeplatten für Wurst und Käse oder Besteck wird hier ebenso zum Verkauf angeboten wie Lachsmesser oder Krebsscheren.

Das Wohnzimmer der Wiener

Ein bisschen erinnert die Stimmung im Feinkost Böhle an eine Beerdigung, aber auch an ein Museum, das man sich noch einmal ehrfürchtig anschaut. Selbst wenn mehrere Kundinnen vor der Verkaufsvitrine stehen, hier hat es niemand eilig, es wird nicht gedrängelt. „Ich bin traurig“, sagt eine Kundin, die noch einen der wenigen Becher steirische Waldheidelbeeren kauft. „Wer nicht“, sagt Werner Ruff und wendet sich ab.

Wolfgang Ruff bittet in das Bistro, das er in den 1990er-Jahren im hinteren Teil des kleinen Geschäfts eingerichtet hat. „Das war früher die Hausmeisterwohnung, dann wurde es zum Wohnzimmer der Wiener“, sagt er und nimmt Platz – bevor er zwei Kunden noch zwei Gläser Weißwein einschenkt. „Aus wirtschaftlichen Gründen“ müsse er nun schließen. „Es ist sich einfach nicht ausgegangen, ich habe die Reißleine ziehen müssen.“ Seit 1939 besteht das Geschäft auf der Wollzeile, 1982 hat es Werner Ruff übernommen, 1991 übernahm dann Wolfgang Ruff das Geschäft. „Wir mussten leider sieben Angestellte entlassen, mein Vater hilft mir jetzt noch und meine liebe Gattin.“

Begonnen haben die Probleme mit dem Wegzug des Gerichts und des Finanzamts in unmittelbarer Umgebung. „Das ist schon zwölf, 15 Jahre her. Es wurde uns immer versprochen, dass in das alte Gericht ein Hotel einzieht, aber daraus wurde nichts.“ Den „effektiven Todesstoß“, wie es Werner Ruff nennt, habe dem Geschäft aber dann „die Politik gegeben“. Er meint damit die Compliance-Regeln, die teuren Kundengeschenken – etwa mit Spezialitäten gefüllten Geschenkkörben – ein Ende setzten. „Früher hatten wir im Dezember in einem Monat den Umsatz vom ganzen Jahr. Da haben hier 30 Leute gearbeitet“, erinnert sich Werner Ruff. Hinzu komme, dass die alten Stammkunden irgendwann nicht mehr gekommen sind, die Jungen aber lieber auswärts essen. Und dass sich die Wollzeile als Geschäftsstraße verändert hat. „Hier wohnt fast niemand mehr, also wird auch nicht eingekauft“, meint Werner Ruff.

Jetzt aber wolle man einmal die letzten Tage über die Bühne bringen. „Wir haben noch einige Jahrgangsschmankerln“, sagt Werner Ruff mit Verweis auf den Likörwein Madeira. Bis ins Jahr 1795 gehen die Jahrgänge zurück. „Das gibt es sonst in ganz Österreich nicht“, sagt Wolfgang Ruff. An die 300 bis 400 Euro koste eine Flasche. Verkaufen würden sich die Spezialitäten aber nach wie vor. Auch eine eigene Sonderabfüllung von Armagnac habe man noch im Sortiment. Hier stammt der älteste Jahrgang aus 1920. Daneben wird gewöhnliche Haushaltsschokolade ebenso angeboten wie Dattel-Balsamico aus Algerien.

„Ein Trinkgefäß, sobald es leer, macht keine rechte Freude mehr“ steht auf einem Schild in der Auslage. Schon bald wird das auch auf das Feinkostgeschäft Böhle zutreffen.

Zur Person

Wolfgang Ruff hat 1991 das Feinkostgeschäft Böhle in der Wollzeile 30 in der Wiener Innenstadt von seinem Vater Werner Ruff übernommen. Der wiederum hat das Traditionsgeschäft 1982 vom namensgebenden Herrn Böhle gekauft. Das Geschäft besteht seit 1939 und hat sich auf heimische und internationale Delikatessen spezialisiert. Mitte August schließt „der Böhle“, aus wirtschaftlichen Gründen. Die Familie Ruff hat zuvor drei Geschäfte im dritten Bezirk betrieben. Wolfgang Ruff kann sich vorstellen, wieder etwas Ähnliches zu machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2016)

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