Sport, Sex und Porno: Am Zenit der Männlichkeit

Ein Neologismus, der mehr verspricht, als überhaupt haltbar scheint: Mit der "Spornosexualität" ist wohl der Gipfel der Männlichkeitskonstrukte erreicht.

Auf einmal war er da, jener unsägliche Neologismus, der konsequenten State-of-the-Art-Männern nun das Leben schwermacht. Nicht "metrosexuell" haben sie sein zu wollen, auch keine Hipster mehr, und Post-Metrosexualität reicht auch nicht mehr aus, um jenes Männlichkeitskonstrukt zu beschreiben, das nun dem einstigen Metrosexualitätserfinder Mark Simpson vor dem inneren Auge erschienen ist.

Neuerdings hat Mann also "spornosexuell" zu sein. Der Terminus technicus ist offenbar eine nicht weiter auseinander zu klaubende Mischkulanz aus sportlich, pornografisch und, nun ja, sexuell. Erste Begriffsinterpreten fassen den spornosexuellen Typus als einen Sportler, der zugleich seine Porno-Qualitäten zur Schau stellt, zusammen.

Das wieder ist irgendwie verwirrend, weil ja bis auf jene der Anhänger von Disziplinen wie Cannoli-Wettessen die Körper der meisten Sportler so schön sind, dass sie sich ohne weiteres herzeigen ließen. Oder haben sich, von allen unbemerkt, Sport und Sex-Appeal bisher gegenseitig ausgeschlossen?

Des weiteren verwirrend: Parallel zum Auftauchen des Begriffs begannen Bilder von durchaus metrosexuell anmutenden TV-Stars aus Großbritannien im Internet zu kursieren. Die beiden Herren zeigten sich, gezupfte Augenbrauen, enthaarter Intimbereich und solariumsgebräunte Haut inklusive, in kessen Männer-Monokinis.

Ohne allzu weit vom Thema abzuschweifen, ist doch bezüglich des Männer-Monokinis, einer bizarren Konstruktion, die sich durch die Pobacken und einseitig um das Gemächt des Mannes windet, zu bemerken, dass die Mode offenbar noch nicht an die Grenzen des Denk- und Machbaren in puncto grundlegend neuer Kleidungsstücke gestoßen ist. Das könnte man begrüßenswert finden, wäre nicht das konkrete Ergebnis so grauenhaft. Besonders "spornosexuell" wirken diese Monokini-Träger nicht.

Wenig trägt zur Klärung der Spornosexualitäts-Terminologie auch die Tatsache bei, dass bei einer Bildersuche im Internet zu besagtem Thema nicht wenige Aufnahmen ausgerechnet von David Beckham auftauchen (auch hier als Model seiner eigenen Bademode-Kollektion für H&M zu sehen, die seit kurzem im Handel ist). Bedenkend, dass Beckham in den Neunzigern als Musterbeispiel für den Metrosexualitäts-Mann herhalten musste, als dieser gebraucht wurde, ist man versucht zu fragen: Also doch alles beim Alten? Oder ist allen Ernstes das zu Muskelentblößungszwecken ausgezogene Leiberl die "petite différence", um die es hier geht?

Wobei sich Herr Beckham natürlich mittlerweile auch ein paar Peckerl zugelegt hat (für die nicht-österreichischen Leser: die Rede ist von Tätowierungen), die er auf Oben-ohne-Bildern umso besser zur Schau stellen kann. Geht es also auch um das üppige Ornat auf der Haut des Mannes? Herr Loos, weder metro- noch gar spornosexuell, dafür aber bekennender Feind allen Ornaments, würde hierin gewiss einen Entmodernisierungsschritt erkennen.

Eine offene Frage, die wahrscheinlich von Kommentatoren, die sich auf Themen wie rasierte Körperbehaarung spezialisieren, geklärt werden kann, ist folgende: Welche Schamhaarfrisur wird dem Männer-Monokini-Träger anzuempfehlen sein, so sich, horribile dictu, das Kleidungsstück durchsetzt?

Und wie ist die Spornosexualität mit dem ja auch noch nicht so lange bekannten Phänomen der Normcore-Modeästhetik zu verbinden? Pornografisch-sportlich und sexualisiert, dabei doch ohne Auffälligkeiten jedweder Art, is it all the same? Aber von Norm- zu Hardcore ist es ja auch wieder nur ein Katzensprung, zumindest silbenaustauschtechnisch. Die nächste neologistische Kernfusion (sporharnormcoresexuell?) wird also erahnbar.

Ob sie sich auch in so Harmlosem wie einem ausgezogenen Leiberl, bunten Tätowierungen oder im Popo festgezwickten Stoffstreifen manifestieren wird, bleibt abzuwarten.

Zur Person

Daniel Kalt ist "Schaufenster"-Chefredakteur und auch auf Twitter und Instagram zu finden.

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