Maison Martin Margiela: Kreativ im Kollektiv

Belgischer Minimalismus und schwedisches Understatement: Das Maison Martin Margiela bringt über H&M eine breitenwirksame Best-of-Kollektion in den Handel.

Fünf Fragen an das Margiela-Team

Das Maison kommuniziert, wie schon Martin Margiela das tat, nur als ein anonymisiertes „Wir“, zugleich gibt es keinen Nachfolger von Margiela, der 2008 die Marke verließ. Bedeutet die Anonymität zugleich das Fehlen jeder Hierarchie und allumfassende Harmonie? 
Unser Kreativteam funktioniert nicht anders als jene in anderen Designorganisationen, egal, welchem Tätigkeitsbereich sie angehören. Der Unterschied besteht darin, dass wir aktiv den Ansatz kollektiven Arbeitens verfolgen. Konkret heißt das, dass die Anregungen von jeder und jedem Einzelnen anerkannt werden – unabhängig von der hierarchischen Position im Team.

Und es ist für alle Mitglieder der Kreativmannschaft gleichermaßen in Ordnung,  sich nie die Lorbeeren für einen Entwurf in der Öffentlichkeit abholen zu dürfen? Oder ist es schon vorgekommen, dass jemand wegen dieser obligaten Anonymität das Maison verließ?
Wir alle empfinden große Wertschätzung für die Möglichkeit, uns in erster Linie auf unsere Arbeit zu konzentrieren, und freuen uns über die Chance, uns über Ideen und Anregungen frei auszutauschen. Das Maison Martin Margiela hat diesen Ansatz seit der Gründung 1988 verfolgt. Unsere Arbeitspraxis ist klar und transparent – eine Vorgangsweise, die für uns immer funktioniert hat und das auch weiterhin tut.

Was die Zusammenarbeit mit H&M betrifft: Waren da alle Teammitglieder gleich begeistert über die Kooperation?
Wir waren froh über die Möglichkeit dieser Zusammenarbeit und hatten Spaß dabei, die Archive des Maisons auf der Suche nach passenden Stücken für die Kollektion zu durchsuchen.

Ist zufälligerweise noch jemand aus dem Haus mit Martin Margiela selbst in Kontakt und weiß vielleicht, was er von dieser Kooperation hält?
Wir haben noch nie über einzelne Mitglieder unseres Kreativteams in seiner bestehenden oder vergangenen Form kommuniziert und werden das auch weiterhin nicht tun.

Auf welche Aspekte der Margiela-Ästhetik haben Sie sich bei der Kollektionserstellung für H&M konzentriert?
Als H&M auf uns zugekommen ist, wurde uns versichert, dass das Interesse dem unverfälschten Spirit des Hauses gilt. Darum haben wir Kleidungsstücke für diese Re-Edition ausgewählt, die alle markanten Designthemen abdecken. Ein Fokus gilt Schnittführung und Volumskonstruktion, ein anderer der Adaptation von männlichen Schnitten für den weiblichen Körper. Außerdem wichtig: Oversize-Kleidung, der Prozess des Schneiderns, das Verwirrspiel von Trompe-l’Œil und die Transformation von Objekten und Kleidungsstücken.

TIPP

Der Countdown läuft. Am 15. November ist die Kollektion von Maison Martin Margiela für H&M ab 8 Uhr in ausgewählten Dépendancen erhältlich, ab 10 Uhr auch online via www.hm.com

Fünf Fragen an Margareta van den Bosch von H&M

Früher haben Sie mit bis zu hundert internen Designern gearbeitet, jetzt stehen Sie in Kontakt mit externen Kreativstars: Genießen Sie die neue Aufgabe?
Es ist wunderbar, mit so unterschiedlichen kreativen Geistern in Kontakt zu kommen und zu sehen, wie die Labels funktionieren. Die Methoden der Designer unterscheiden sich sehr voneinander und sind oft so einzigartig wie ihre Kollektionen.

Wissen Sie, ob Martin Margiela vom Maison, das heute zu Renzo Rossos Diesel-Konzern gehört, je selbst konsultiert wurde? Immerhin gibt es hier erstmals eine Kooperation von H&M mit einer Marke, die den Namen eines lebenden, aber nicht mehr aktiven Designers trägt.
Das Maison spricht nie über einzelne Mitglieder seines Teams, und ich sehe keine Veranlassung, mit dieser Praxis zu brechen.

(c) Beigestellt
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Glauben Sie nicht, dass es ohne die vorzeigbare Person eines Chefdesigners gerade für H&M besonders schwierig sein könnte, die Kollektion zu bewerben?
Dafür gibt es meiner Meinung nach überhaupt keinen Grund. Das Maison Martin Margiela hat ja seit 1988 ohne einen im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehenden Designer operiert und ist ungeachtet dieser Tatsache zu einer der bedeutendsten und richtungsweisendsten Marken der letzten drei Jahrzehnte angewachsen. Ich finde es gerade interessant, dass ein Modehaus so einflussreich werden kann, ohne eben die traditionellen, vom Modesystem vorgegebenen Wege zu beschreiten.

H&M kooperierte wiederholt mit „Blockbuster“-Designern wie Lagerfeld oder Versace; Marken wie Marni oder Martin Margiela ziehen eine andere Klientel an – passt Avantgarde in Ihr Konzept? 
In der Mode sind längst alle Schranken zwischen unterschiedlichen Stilrichtungen gefallen, die Menschen mixen Marken und Looks. Unsere Kooperationen greifen auf diese Einstellung zurück und lassen unsere Kunden den Glamour von Versace, die Fantasieprints von Marni und die avantgardistische Coolness von Margiela innerhalb weniger Monate erleben.



Modehäuser erhoffen sich von solchen Kooperationen oft werbewirksames Auftreten. Was motiviert aber H&M?
Im 21. Jahrhundert ist High-End-Mode immer zugänglicher geworden; Designkooperationen sind eine gute Möglichkeit für uns, an dieser Entwicklung teilzuhaben. Ich bin stolz auf alles, was wir in den letzten Jahren erreichen konnten.

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