Isabel Helf: "Das Praktische führt zum Ästhetischen"

Die österreichische Designerin gewann den diesjährigen ITS Accessoires-Award.

Die 14. Ausgabe des Iternational Talent Supports (IST) 2015 fand von 10. bis 11. Juli in Triest statt. Im Jahr 2002 gegründet, werden seitdem junge, aufstrebende Kreative in ihrem Schaffungsprozess unterstützt. Die österreichische Designerin Isabel Helf hat den diesjährigen ITS Accessoires-Award in Kooperation mit dem Zippverschluss-Konzern YKK gewonnen. Kürzlich promovierte sie in London, wo sie den MA Fashion Artefact Course besuchte, nachdem sie am Wiener Schloss Hetzendorf Womenswear studiert hat. Nach dem Studium arbeitete Helf für verschiedene Marken im Bereich Accessories Design, Womenswear und Menswear. Ihr großes Interesse liegt derzeit jedoch bei dem Kreieren von Accessoires und Skulpturen zwischen Möbel-, Produkt- und Modedesign. Hier versucht sie traditionelle Handarbeit mit neuen Methoden zu verbinden. Zur Zeit lebt und arbeitet Isabel Helf in London und Österreich.

Mit uns sprach sie über ihren Sieg, den Prozess des Schaffens und persönliche Zwänge.

Was sehen Sie als Charakteristikum Ihrer Arbeit, das Ihnen zum Sieg verholfen haben könnte?

Ich glaube, es war eine Mischung aus dem Konzept, das hinter dem Design stand, den Entwürfen an sich, sowie der Qualität und der Verarbeitung meiner Produkte. Am meisten konnte ich wahrscheinlich mit meinem Konzept punkten, denn alle meine Taschen haben eine Persönlichkeit entwickelt. Das hat die Jury wohl neugierig gemacht.

Was hat es mit dem Namen Ihrer letzten Kollektion „Portable Compulsion“ auf sich?

Das Konzept basiert darauf, dass ich eine Neurose entwickelt habe, genauer gesagt einen Ordnungszwang. Das bedeutet, dass man zu  Hause eine bestimmte Ordnung halten und allem einen bestimmten Platz geben muss. Auch hat man dieses zufriedene Gefühl, wenn zwei Gegenstände perfekt zusammenpassen. Die Londoner Wohnungen werden immer kleiner und die Menschen haben dadurch weniger Platz zur Verfügung. Diese Umstände können Gründe sein, weswegen Ordnungszwänge entstehen. Infolgedessen wollte ich eine Kollektion entwerfen, die platzsparend ist und gleichzeitig diese Neurose befriedigt. Jede meiner Kreationen hat einen bestimmten Platz in der Wohnung und nimmt nicht zu viel Raum weg. Daher rührt der Name „Portable Compulsion“, eben weil meine Produkte tragbare Neurosen sind.

Wie sieht der Prozess des Schaffens  - vom kreativen Impuls bis zur Fertigstellung - aus?

Zu allererst wird geforscht. Ich bin in Museen und Theater gegangen und habe andere, aber auch mich selbst beobachtet. Wenn ich einen Ansatz habe, mache ich meistens Moodboards. Das heißt, dass ich überall in der Wohnung Fotos aufklebe, die mich, in diesem Fall, an Neurosen oder platzsparende Gegenstände erinnern. Auch erkundige ich mich, was es in diesem Bereich schon gegeben hat.

Im Anschluss beginne ich Skizzen zu zeichnen und währenddessen schon einige Prototypen, beziehungsweise Detail-Samples, anzufertigen. Ich schaue mir an, wie und ob die Dinge, die ich im Kopf habe, funktionieren. Dadurch entstehen die ersten konkreten Ideen. Wenn ich soweit bin, fertige ich den ersten richtigen Prototyp, mit den korrekten Proportionen und dem fertigen Design an.

Haben Sie an „Portable Compulsion“ eher in Wien oder London gearbeitet?

Für die Produktion von „Portable Compulsion“ bin ich sehr viel zwischen London und Wien gependelt, da ich für die Herstellung der Dinge aus Holz mit einem Wiener Tischler zusammengearbeitet habe. In der Universität hatten wir nämlich keine Holzbearbeitungsgeräte und die dortigen Tischler hätten mich meine Dinge nicht selbst fertigen lassen. Dies ist mir jedoch sehr wichtig, da mir das Produzieren am meisten Spaß macht. Das Designen ist eine Sache, doch es ist einfach toll, wenn man das gezeichnete von einem Zwei- zu einem Dreidimensionalen werden sieht. In Wien habe ich dann glücklicherweise einen Tischler gefunden, der mir einen Arbeitsplatz gab und mich Hand anlegen ließ. In London habe ich jedoch die Stücke aus Leder und Messing gefertigt. Man kann sagen, ich war in den letzten sechs Monaten viel auf Reisen.

Die Verwendung von Holz zieht sich durch die gesamte Kollektion „Portable Compulsion“. Was hat es damit auf sich?

Als ich mit der Recherche begonnen habe, habe ich gemerkt, dass viele platzsparende Gegenstände in Verbindung zu Holzmöbelstücken, wie Tischen, Kästen, oder Stufen, stehen. Diese Dinge haben mich inspiriert und deshalb habe ich beschlossen, den platzsparenden Teil meiner Taschen aus Holz zu fertigen.

Mit welchen Materialien würden Sie gerne zukünftig arbeiten?

Mit Holz! Ich habe das Gefühl, dass ich erst am Anfang stehe und es da noch so viel auszuprobieren gibt. Bis jetzt habe ich eher  Basics gemacht, das möchte ich zukünftig noch vertiefen. Der Fokus bleibt bei Holz, jedoch möchte ich auf jeden Fall auch mit Leder, Metall und Stoff arbeiten.

Ihre Kreationen sind oftmals multifunktional. Ist Ihre Herangehensweise an Mode vorrangig eher praktischer oder ästhetischer Natur?

Ich sehe die beiden Dinge verbunden. Das Praktische führt zum Ästhetischen. Dadurch, dass die Kreationen praktisch sind, wird ihnen eine bestimmte Form verliehen. So passen sie beispielsweise in eine Ecke oder auf eine Stufe, was wiederum zum Ästhetischen und zu dem Look meiner Taschen führt. Das möchte ich demnach gar nicht trenne. Die Funktionalität macht die Ästhetik aus.

Sie haben früher mit „Displaced Emotion“ und „Construction Site“ Frauenmode designt. In den beiden neueren Kollektionen haben Sie sich auf Accessoires konzentriert. Warum haben Sie sich in die Richtung weiterentwickelt?

Ich habe schon immer gewusst, dass ich etwas Kreatives studieren möchte. Aus diesem Grund habe ich mich in Hetzendorf beworben. Als ich aufgenommen wurde, habe ich es als mein Schicksal angesehen, Womenswear zu studieren. Das habe ich drei Jahre lang gemacht und es hat mir auch viel Spaß bereitet, jedoch wollte ich nach dieser Zeit etwas Neues ausprobieren. Schon in meiner Kindheit hat mich das Experimentieren mit Materialien sehr fasziniert. Dies habe ich beim Entwerfen von Frauenmode nicht in der gewünscht Art und Weise ausüben können. Als es darum ging, was für einen Masterstudiengang ich belegen möchte, bin ich auf den Fashion Artefact Kurs in London gestoßen. Dieser bezog sich nicht nur auf das Herstellen von Accessoires, sondern man war im Schaffungsprozess weitgehend uneingeschränkt. Die einzigen Bedingungen waren der Bezug der Kreationen zu Mode, sowie dem Körper und das Experimentieren mit Materialien. Ich wusste sofort, dass das das Richtige für mich ist. Ich werde weiterhin Mode machen, jedoch liegt mein Fokus bei dem Designen von  Accessoires.

Sie wohnen in Wien und London. Was sind die größten Unterschiede der beiden Städte in Sachen Mode?

Die beiden Städte lassen sich modetechnisch nur sehr schwer vergleichen. In London sind die Menschen viel offener, zugänglicher und experimentierfreudiger. Wien wird zunehmend modischer, jedoch liegt die Stadt noch um einiges zurück, da die Bewohner schüchterner mit dem Thema Mode umgehen.

Wollen Sie Ihr eigenes Label weiterverfolgen, oder können Sie sich auch vorstellen in einem Designteam zu  arbeiten. Wenn ja, welche Marke wäre Ihnen am liebsten, und warum?

Mein Traum ist es, mein eigenes Label zu gründen, allerdings noch nicht jetzt. Ich habe zwar bereits Berufserfahrung sammeln können, jedoch ausschließlich im Bereich Frauenmode. In Bezug auf Produktdesign und das Designen und Herstellen von Accessoires habe ich das Gefühl noch Erfahrungen sammeln zu müssen. Ich bin jedoch offen für alles und muss daher nicht unbedingt in London oder Wien bleiben. Sehr gerne würde ich in Produktdesign-Firmen in Schweden, Paris oder irgendwo in Italien arbeiten wollen. Meine favorisierte Marke wäre hier Moleskine. Ich habe derzeit ein großes Interesse an Produktdesign, so habe ich im Zuge meiner letzten Kollektion auch schon Scheren und Spitzer kreiert. Für mich kann es daher auch ein bisschen weg von Fashion gehen. Ich reiße mich nicht um die typischen Modeobjekte. Viel lieber würde ich die beiden Bereiche miteinander verbinden.  

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