Der Modestil der Hanseaten: Reich wird man vom Behalten

Prachtstück. Die besten Architekten der Welt seien Herzog und de Meuron, sagt Karl Lagerfeld. Die von ihnen geplante Elbphilharmonie wurde Ende 2016 fertiggestellt und bewog den Designer, der Stadt eine Kollektion zu widmen.
Prachtstück. Die besten Architekten der Welt seien Herzog und de Meuron, sagt Karl Lagerfeld. Die von ihnen geplante Elbphilharmonie wurde Ende 2016 fertiggestellt und bewog den Designer, der Stadt eine Kollektion zu widmen.(c) REUTERS
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Wenn man an das modische Verständnis der Hanseaten denkt, kann einem folgendes Zitat in den Sinn kommen: „500 Jahre Protestantismus haben ihre Spuren hinterlassen.“

Doch nur der Hang zu einem eher spröden, puristischen Auftritt, wie ihn Jil Sander aus der Stadt in die Welt hinausgetragen hat, trifft es nicht, da muss man schon ein wenig mehr hinter die Kulissen blicken. Die Einheimischen scheinen ihr Stilempfinden jedenfalls im Blut zu haben. Anders lässt es sich nicht erklären, dass das Herz eines Hanseaten bei feinen Kaschmirqualitäten und der Farbe Marineblau schneller schlägt. Die Klassik ist es, die den Hamburger erfreut. Avantgardismus oder gar der Hang zum Experimentellen – keiner kann sich erinnern, dass derlei auf modischem Gebiet hier schon einmal eine Rolle gespielt hätte. Hamburg ist eine Kaufmannsstadt: Man kalkuliert gern sicher; das Risiko des Unberechenbaren überlässt man anderen.

Hafenfantasie. Mit der ­Métiers-d’Art-Kollektion ­verbeugt sich Chanel vor dem lokalen Esprit von Städten wie Salzburg, Edinburgh, Dallas und Mumbai. In Hamburg ließ sich Karl Lagerfeld von Inspirationen rund um die hanseatische Seefahrt leiten.
Hafenfantasie. Mit der ­Métiers-d’Art-Kollektion ­verbeugt sich Chanel vor dem lokalen Esprit von Städten wie Salzburg, Edinburgh, Dallas und Mumbai. In Hamburg ließ sich Karl Lagerfeld von Inspirationen rund um die hanseatische Seefahrt leiten.(c) APA/AFP/PATRIK STOLLARZ

Dass Mode hier mehr mit Disziplin zu tun hat als mit fantasievoller Verspieltheit, wie sie zum Beispiel der Pariser Couture anhaftet, begreift man bald. Denn man spricht hier lieber von „Bekleidung“ als von „Mode“. Reich wird man schließlich vom Behalten, und wenn man sich vom lieben Geld trennt, dann muss das zumindest auf Jahre hinaus einen einwandfreien Auftritt garantieren. „Buntes“, wie kräftige Farben despektierlich genannt werden, sieht man selten; die Farbpalette ist gedämpft. Farben gelten als mutig, und Mut wird in dieser Stadt durchaus nicht als Tugend angesehen. 

Schlichter Chic. Die sogenannte Eisente aus den Elbvororten kleidet sich dementsprechend in Twinset, Perlenkette und passende Ohrstecker: Blankenese in Reinform, und gern im Partnerlook von Mutter und Tochter. In der Innenstadt und Eppendorf kombinieren Frauen ihren Kaschmirmantel immerhin zur Jeans. Da haben sie sogar ihren nationalen Denimhelden, denn die „Pedal Pusher“ von Closed kommt aus der Stadt. Darunter trägt man einen grauen Rundhalspullover – am liebsten von Iris von Arnim, der anderen großen Hamburger Designerin.

Seemannsgarn. Matrosenstrick von Chanel als hanseatisches Must-have.
Seemannsgarn. Matrosenstrick von Chanel als hanseatisches Must-have.(c) Karl Lagerfeld für Chanel

Die Tradition wird also großgeschrieben in dieser Stadt. Bloß mit der Elbphilharmonie haben die Hamburger etwas gewagt in puncto Kühnheit der Architektur. Weltweit wurde über das Haus berichtet, und das hat wohl auch Karl Lagerfeld dazu bewogen, der aus der ganzen Welt anreisenden Klientel von Chanel diese Stadt ans Herz zu legen. Die Prinz-Heinrich-Mützen, die einst die Seeleute trugen, und das feste Schuhwerk der Hamburgerinnen hat der schlaue Lagerfeld gleich als Reminiszenz an Hamburg „chanelisiert“. Ein bisschen Hamburger ist er halt doch geblieben, und manchmal gibt er das auch gern zu. „Das Schlichte bemerkenswert machen“ wie es Coco Chanel ausdrückte, vielleicht kann er das ja deshalb besonders gut, weil er seine Wurzeln in dieser Stadt hat.

Der Autor ist Modeexperte und Gestalter. Er lebt in Hamburg und Südfrankreich.

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