Havaianas und Kunst: Eine bunte Mischung

Melting-Pot. Naia  Ceschin schöpft aus der Energie São Paulos.
Melting-Pot. Naia Ceschin schöpft aus der Energie São Paulos.(c) Beigestellt
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Die brasilianische Gestalterin Naia Ceschin hat den weltberühmten Havaianas ein neues Gesicht verpasst. Oder eher: eine kesse Sohle.

Der Beginn dieser Erfolgsgeschichte ist charakteristisch für das an Kulturen so reiche Brasilien. Ausgerechnet die japanische Community in São Paulo war Inspirationsquelle für die Fertigung einer sehr erschwinglichen Zehensandale in den frühen Sechzigerjahren. Vorlage für die aus Gummi gefertigten Havaianas waren traditionelle Zori-Sandalen aus Japan mit ihrem Fußbett aus Stroh (was sich übrigens in der Oberflächenstruktur spiegeln soll). Die fernöstliche DNA dieses Alltagsgegenstandes, der bald flächendeckend in Brasilien zum Einsatz kam, trat mit der Zeit in den Hintergrund, und Havaianas gelten heute längst als Inkarnation von Copacabana-Lebensgefühl.

Voraussetzung für die Internationalisierung der Marke und infolgedessen auch eines Image-Upgrades war eine in den späten Achtzigerjahren vorgenommene Anpassung der Ästhetik: Gab es die Sandalen ursprünglich nur in vier Farbtönen und nicht einmal als monochrome Version mit gleichfarbiger Sohle und Zehenriemen, begann man im dritten Jahrzehnt des Bestehens, mit Farben, später auch Formen (schmälere Sohlen, neue Modelle) zu experimentieren. Begleitet von der Begeisterungsfähigkeit anderer Länder für die äußerst exportfähige „Brasilidade“ kennt auch das Wachstum der Havaianas kaum mehr ein Halten. In ihrem Heimatmarkt zählt die Marke zu den bekanntesten überhaupt, in Europa versucht man, ausgehend von der iberischen Halbinsel zu reüssieren. Damit die Freizeitschuhe auch in Breitengraden, wo nicht das ganze Jahr sandalenfreundliche Temperaturen herrschen, Zuspruch finden, setzt man zudem auf die Kooperation mit jungen Kreativen, die die Sandale zum Hingucker machen, wenn gerade kein Fuß in ihr ruht.

floral. Vorlagen für  Muster findet Ceschin  in der Natur.
floral. Vorlagen für Muster findet Ceschin in der Natur.(c) Beigestellt

Alte Bekannte. Neben regelmäßig wiederholten Kooperationen mit bekannten Modemarken (Jean-Paul Gaultier etwa schickte Havaianas sogar über seinen Pariser Laufsteg) soll das im Vorjahr gestartete Kooperationsprojekt namens „Retratos do Brasil“ (Porträts von Brasilien) für eine Steigerung des kreativen Kapitals im Havaianas-Universum sorgen. Und da es ja darum geht, ein Abbild des besonderen Potenzials von Brasilien zu zeichnen, arbeitet man dafür auch mit Kreativen aus dem eigenen Land zusammen. Für die aktuelle Version der Havaianas-Retratos wurde die junge Gestalterin Naia Ceschin, aus São Paulo gebürtig und auch dort arbeitend, zur Kooperation eingeladen.

Nach dem Abschluss eines Kommunikationsdesignstudiums sammelte sie schon vor Jahren Erfahrungen in der Kreativabteilung von Havaianas: „Ich nahm an einem Wettbewerb teil, bei dem ein neuer Designer gesucht wurde, und konnte diesen für mich entscheiden. Das war eine großartige Erfahrung und ein Sprungbrett in meine Karriere als selbstständige Kreative“, erzählt Ceschin, die eigens für Interviews mit der europäischen Presse nach Lissabon geflogen ist. Nach drei Jahren als Mitglied des In-House-Kreativteams trennte sich Ceschin dann von Havaianas – offenbar im Guten, sonst wäre es wohl kaum zur aktuellen Zusammenarbeit gekommen. „Ich hatte einfach Lust, mich in neuen Zusammenhängen auszuprobieren und verstärkt auch im reinen Kunstbereich zu arbeiten“, erzählt sie.

Ressourcen schonen. Ohne eine formelle Ausbildung im Bereich der Malerei absolviert zu haben, setzte Ceschin in den vergangenen Jahren ihre Leidenschaft für das Gestalten farbenfroher Muster, die Formen der Natur geometrisch übersetzen, fort. Hatte sie einst in erster Linie digital gearbeitet, so malt sie nun mit Acrylfarben auch auf Leinwänden, gestaltet getrocknete Blätter von Kokospalmen oder fallweise auch in der Natur gefundene Holzstücke. „Die Natur ist so reich, sie inspiriert mich mit ihrer Farben- und Formenvielfalt. Außerdem finde ich, wo immer möglich, sollte man mit bereits Vorhandenem arbeiten, damit nicht immer noch Neues erzeugt werden muss“, so Ceschin.

Ihr aktuelles Projekt passt dazu freilich weniger, doch es bleibt zu hoffen, dass die künstlerisch wertvollen Sommerschuhe (es gibt ein Paar für Herren und eines für Damen) als limitierte Sammlerstücke ein der Wegwerfgesellschaft enthobenes Dasein fristen dürfen. Einer wird sie gewiss wertschätzen, und zwar doppelt: „Mein Vater hat Havaianas schon gesammelt, als ich noch ein Kind war.“ Die von seiner Tochter Naia gestalteten Sandalen werden also gewiss einen Ehrenplatz im väterlichen Schuhregal finden.

Der Autor reiste auf Einladung von Havaianas zum Interview in Lissabon.

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