Amanshausers Welt: 331 Malta

(c) Martin Amanshauser
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Kleine Geschichten über große Locations

Hinter der langgezogenen Runway, hinter Zeltstädten afrikanischer Boatpeople, irgendwo im Nichts eines Industriegebiets, steht die berühmte Playmobil-Produktionsstätte. Im dazugehörigen Fun-Park werden die Kinder beschäftigt, wer älter als fünf ist, darf die Fabrikhalle besichtigen. Seit den Siebzigerjahren lässt die größte Spielzeugmarke Deutschlands sämtliche Playmobil-Männchen und -Frauchen und die meisten Kleinteile ausnahmslos auf Malta das Licht der Welt erblicken. Sie entstehen aus einer Sauce aus 300 Grad heißem Plastik, werden in Form gedrückt, bedruckt, verpackt. Wenn einem der knapp acht Zentimeter großen Typen ein Kopf oder ein Arm fehlt, zeigt die Waage die Abweichung – er kommt zur Ausschussware und wird eingeschmolzen. Jährlich hundert Millionen Figuren verlassen die Fabrik und werden nach Sizilien verschifft, von wo sie per Lastwagen zur Zentrale bei Nürnberg fahren. Mit bewährter Logistik: Insgesamt haben die maltesischen Spritzgussmaschinen seit den frühen Siebzigerjahren über 2,5 Milliarden Figuren per Injektionstechnik hergestellt.

In der Halle riecht es nach Schmelzplastik. Dutzende Spritzgussmaschinen spucken im Sekundentakt Arme, Beine und Köpfe aus. Greifarme schrauben den Schädel eines braven Familienvaters in den Rumpf, zwei Stempel printen ihm ein gestreiftes Krawattenmuster unter den Hals. Die Maschinen ruhen nicht, bis jedes einzelne Männchen mit Halstuch, Hut oder Waffe versehen, in luftdichte Folie verschweißt, in Kartonage geschlichtet ist. Komplexere Arbeitsabläufe sind Menschenwerk. Eine Arbeiterin setzt ihren blauen Kleinwagen zusammen, eine Choreographie von sieben sich wiederholenden Bewegungen. Vor den Fließbändern sitzen junge Leute und „bedienen“ die Erzeugnisse, stecken sie zusammen, ordnen, kontrollieren, machen das, was die Maschinen nicht ganz so gut können. Über der Szenerie liegt ein dumpfes Surren – das Atmen des Plastiks?

Playmobil Malta steht niemals still. Drei Schichten, von 6 bis 14, 14 bis 22 und 22 bis 6 Uhr, schuften hier, 5 bis 6 Euro pro Stunde verdienen 1100 Angestellte und 250 Heimarbeiterinnen. Horst Brandstätter, der deutsche Chef, ist auch manchmal hier. Er hat in einer Epoche auf den Standort Malta gesetzt, als Asien noch nicht der bestimmende Spielzeugplayer war. Dafür kann Playmobil heute schneller reagieren als die Mitbewerber. Fehlt ein Männchen, steht es in wenigen Tagen in Bayern.

Ort

Der Autor war unterwegs auf Einladung der Malta Tourism Authority; Playmobil-FunPark, www.playmobilmalta.co, Industrial Estate, Hal-Far, Malta.

Tipp

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