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Kleine Geschichten über große Locations.

Es gibt Zeiten im Leben, in denen man für Blödsinn hoch geeignet ist. Mir widerfuhr als Halbwüchsiger jeden Tag eine Peinlichkeit, ich dachte: Okay, so einer bin ich. Irgendwann stand ich als halbwegs Erwachsener da, sammelte Erfahrungen, steckte Rückschläge ein, glaubte aber unerbittlich, dass das Leben endlos und ohne größere Probleme zu bewerkstelligen sein werde.

Der junge männliche Star beweist sich pausenlos, führt große Reden, springt von Türmen, klettert in Höhlen, während im Idealfall Partnerinnen, die er als infrage kommend ausgewählt hat, dabei zusehen. Kurz gesagt, unbelehrt bleibt er, hochnäsig, übermäßig von sich überzeugt und dem Wahn zugeneigt. Garantiert bildet er sich auch ein, scharf essen zu können. Er hält sich vermutlich für jenen, der das Allerschärfste verträgt. Im Ausland, wo schärfer gekocht wird als hierzulande, darf er sich beweisen. (In Thailand hat er schon einmal einen Beefsalat zurückgehen lassen, er hat ihn nicht hinuntergekriegt. Und den Döner des Pakistani in London, den er „hot“ geordert hat, musste er nach Hause tragen und an der rinnenden Wasserleitung verschlingen, denn Kneifen hat damals nicht gegolten.) Kurz und gut, er hat Erfahrung mit der Schärfe des Lebens.

Sofort sprach mich das Angebot des Wirts mit den Küchenrollen auf dem Tisch an: Hier auf Sanibel Island gab es „dead parrot wings“, das Gericht war ausdrücklich „not recommended“, denn „they are so hot, they could raise the dead“. Wer es hinunterkriegte, erhielt jedoch ein Freibier. (Freibier hatte in dieser Lebensphase einen hohen Stellenwert. Im Kleingedruckten stand auch etwas von zehn Liegestützen.) Mir gefiel das Angebot und das Lokal mit seinen Schiffslukenfenstern. Ich war guten Mutes, der Aufgabe gewachsen zu sein.

Der Wirt lachte böse und servierte nach etwa 30 Minuten den „dead parrot“, eine in Tabasco gebackene und übersalzene Art Schuhsohle unklarer Herkunft, die ich ohne Hilfe jeglicher Wasserleitung, aber mit viel Küchenrolle Stück für Stück hinunterwürgte. Der Wirt schlug bei jedem Bissen einen Gong am Tresen, wodurch sich eine neugierige Runde formierte, die meinem „Sieg“ johlend zugetan war. Als ich mit den Liegestützen durch war (jeder einzelne ein Gong) klatschten die Bestien in Ekstase, und abschließend wurde das Freibier serviert. Für eine Wiederholung müsste man mir heute schon eine kleine Eigentumswohnung in guter Lage bieten. Was müsste man Ihnen bieten?

Ort

Toter Papagei: Lazy Flamingo, 1036 Periwinkle Way, Sanibel Island, Florida, USA.

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