Amanshausers Welt: 395 Italien

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Kleine Geschichten über große Locations.

Es könnte zentraler nicht liegen, und doch ist es ziemlich versteckt: das Bagno alla Lanterna, beim Volk auch als „El Pedocin“ bekannt, im Dialekt „die kleine Laus“, was auf eine frühere Entlausungsstation hinweist. Es ist das letzte öffentliche Bad Italiens, das säuberlich den Männer- vom Damenbereich trennt. Errichtet wie von Taliban liegt es hinter drei Meter hohen Mauern mitten im Hafenbecken. Der Eintrittspreis: ein Euro. Ich stehe nachdenklich vor der Kasse, nicht wegen des Preises, sondern weil es noch so kalt ist.

„Flatrate“, lacht der Billeteur. Also gut, zu den Herren. Kenne ich ja. Ein Referendum in den Achtzigerjahren ergab die Beibehaltung der Geschlechtertrennung. Kinder bis zu zwölf Jahren dürfen in beide Bereiche. Ab diesem Alter wird streng getrennt.

Auf dem Kiesstrand sehe ich eine Dusche mit der Aufschrift „Seife verboten“. Sie fließt direkt ins Meer ab. Hinten sonnen sich alte Männer mit nacktem Oberkörper. Ob sie je ins Wasser gehen? Vielleicht im August. Sie begrüßen jeden Neuankömmling mit „Buona sera“, und sonst hört man aus ihren gedämpften Unterhaltungen nur das wiederkehrende „mia moglie“ heraus. Doch immer wieder blicken sie neugierig zu mir.

Daher gehe ich auf sie zu. Nicht breitbeinig wie ein Cowboy, sondern meine ungebräunte Hand erhoben als weißes Friedensleintuch.

Schnell ist klar, wer der Chef ist. Der Älteste, ein nackter, ausgemergelter Berlusconi. Er fragt mich, wer ich sei und wie oft ich denn in Zukunft zu kommen gedenke. Ein Tourist? Gute Frage.

Auf meine Frage, wie lang es das Bad schon gibt, sagt der Berlusconi: „Ewig!“ Einer seiner Kumpane meint stirnrunzelnd: „Es stammt aus dem 18. Jahrhundert“, und er sieht, während er das behauptet, mindestens genauso alt aus. In Wirklichkeit wurde das Pedocin im Jahr 1902 errichtet, als Schule, in der die k. u. k. Soldaten, die auf der Flotte dienen wollten, oft aus Binnenländern kommend, das Schwimmen lernten.

„Wir haben viele Juden und Muslime“, sagt der Berlusconi entschuldigend, als hätte ich die Geschlechtertrennung kritisiert. „Und Leute, die ihre Fettwülste oder Celulite dem anderen Geschlecht nicht zumuten wollen – da gibt es eine ganze Menge.“ Die Mauer zwischen dem Damen- und Herrenbereich will keiner niederreißen. „Als ich ein Kind war, hat man sie ein paar Meter verlegt, der Damenbereich wurde vergrößert, im Sinne der Gerechtigkeit. Es ist jetzt halb-halb.“

Ort

Historischer Badespaß. Der Autor war eingeladen von der Agenzia Turismo Friuli Venezia Giulia, turismofvg.it, Bagno della Lanterna (Pedocin): Molo Fratelli Bandiera 3, Triest.

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