Amanshausers Welt: 403 Deutschland

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Kleine Geschichten über große Locations.

Salzburggeschichte? Ich kann das schwer. Vielleicht ahnen Sie, dass ich ein Schreibnerd bin. Ich habe die alle schon rausgeschleudert, bin ein Nerd und habe nur zwei Interessensgebiete: mit den Kindern spielen und von früh bis spät Texte schreiben. Geht ja gar nicht anders, sonst würde ich vorliegende Kolumne, die Reisegeschichten und schwergewichtige Nebenprodukte wie meinen Roman nicht fertig kriegen – übrigens ist heute der Tag, an dem er erstmals in den Buchhandlungen stehen müsste. Die Handlung spielt sich auf einer Kreuzfahrt ab, auch die Feinde von Kreuzfahrten werden zufriedengestellt, es geht um Beziehungen und Liebe, das Buch ist ein Sommerbuch und gut lesbar. So werde ich das den Medien sagen, falls sie mich danach fragen sollten.

Oft saß ich hier in Mein Haus am See am Rosenthaler Platz in Berlin-Mitte und schrieb wie ein Irrer. Jetzt im Sommer sollte ich endlich tauchen, baden oder „relaxen“. Andere fahren rund um die Welt, fotografieren für Facebook ihre Badeschlapfen oder Zehennägel im Sand, belästigen uns mit dem Sonnenuntergang, als wäre es die erste oder letzte Sichtung des Himmelskörpers. Und wo bin ich? Wieder in Mein Haus am See, sogar am heißesten Julitag der Berliner Geschichte, über 38 Grad. Das Lokal verfügt zwar über keinen See, doch für mich fühlt es sich perfekt an. Echt Berlin, die Wände sind kaputt, die Musik ist laut, mich stört sie seltsamerweise nie, die Kunden sitzen an den Tischen voneinander absentiert und lassen einander sein. Ich blicke durch die Panoramafenster auf erschreckt hereinstarrende Touristen und auf den Rosenthaler Platz mit dem gegenüberliegenden Lokal St. Oberholz. Da drüben sitze ich ungern, ich hasse diese Selbstbedienungsorte.

Gegen Abend, wenn sich „Mein Haus am See“ mit Menschen füllt, die in ganz anderen Jahrzehnten als ich geboren sind – es hält ja 24 Stunden offen – beschleicht mich ein Unzugehörigkeitsgefühl. Ich ziehe mich zurück, wechsle nach nebenan zum türkisch-italienischen Billiglokal.

Mein Haus am See sei keine Bar, kein Club, sondern „etwas Sexieres dazwischen“, heißt es. Viele finden es „ein bisschen in Mode“, doch untertags merke ich davon nichts. Es ist gemütlich und warmherzig, und niemand belästigt mich mit irgendwas, außer die durchtätowierte Kellnerin mit Rhabarber-Schorle oder Honigtee, aber das hab ich ja bestellt. Es ist wie gemacht für Dadster wie mich, die grundsätzlich nicht mit Hatern chillen. So sagt man das hier.

Ort

Schreibort. Für: Martin Amanshauser, Mein Fisch in der Streichholzschachtel, Roman, Deuticke Verlag 2015.

Lokal: Mein Haus am See, Torstraße 125, Berlin, Deutschland.

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