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Seenahe Lacken: Alois Lang stellt das Fernrohr ein.
Seenahe Lacken: Alois Lang stellt das Fernrohr ein.(c) Beigestellt
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Kleine Geschichten über große Locations.

Ausflug zum Neusiedler See, zu viert. Wegen des Nationalparks, und zum Ganslessen. Am Ende des Tages werde ich immer noch grübeln, was „Martiniloben“ ist. Die Burgenländer feiern dieses Fest rund um meinen Namenstag.

Alois Lang begrüßt uns im Informationszentrum des Nationalparks mit einer ethnographischen Bemerkung: „Damit die Ostösterreicher zum Neusiedler See kommen, müssen zwei Ereignisse eintreten: Es muss Wochenende sein. Eine Art Naturgesetz. Und Sonne im Wetterbericht.“ Ich fühle mich nur halb betroffen, zwar ist Samstag, andererseits der kälteste Herbsttag.

Anhand eines 3-D-Modells erklärt der eloquente, charmante Lang den Nordwestwind (beeinflusst den Schilfbewuchs), das geologische Gefälle, die Verlandungsspuren (seenahe Lacken), das graue Seewasser (losgelöster Sand) – und die 340 Vogelarten, Brutvögel, Überwinterer und Durchzügler. Viele kommen nicht zuletzt wegen der hohen Salzkonzentration in Böden und Gewässern. Auch Experten sei unklar, wie Zugvögel entscheiden, wo sie rasten oder bleiben: Magnetfelder, Gestirne, Wasserläufe? So besuchen Kormorane den See grundsätzlich nur, wenn die Lacken im Vorwinter nicht eingefroren waren und der Fischbestand ins zweite Jahr geht. Woher sie das wissen? „Kann man sich nur durch E-Mail-Korrespondenz erklären“, scherzt Alois Lang.
Hinaus in die Landschaft: Kaninchen, die Biomasse für Greifvögel, hüpfen herum, weiße Esel blicken neugierig, ihre Beweidung ist artenfördernd. Alle tragen zur Vielfalt der Kulturlandschaft bei. „Hier tummelten sich vor wenigen Wochen noch 6000 Kraniche“, erzählt uns Lang im Hochstand, „heute kein einziger.“ Wir sehen Reiher, Graugänse, Stockenten, Rohrweihen, Rebhühner, Schwarzkopfmöwen und Fasane, die die Einheimischen „Jägerpapageien“ nennen.

In Jois bei der Seejungfrau essen wir Martinigansl. Das Gansl hatte Auslauf, war glücklich, schmeckt auch so. Als wir zufrieden weiterfahren, stelle ich fest, dass ich wieder nicht weiß, wieso die Burgenländer Martini „loben“. Meine Freundin zeigt auf den Menschenauflauf in Jois. Die zögen von einem Weinkeller zum nächsten, vulgo „Martiniloben“. Ich spüre, wie mir drei, vier Schuppen von den Augen fallen. „Aha, i überlauert wieder nixe“, sag ich in Kunst-Salzburgerisch, das ich verwende, wenn ich auf der Leitung stehe. „Wo lauern viele Nixen?“, fragt der Siebenjährige von der Rückbank, und ich antworte: „Im Neusiedler See.“

Ort

Martiniloben. Der Autor war Gast von der Seejungfrau und vom Nationalpark Neusiedler See –Seewinkel.

Tipp

www.amanshauser.at

Neues Buch: Martin Amanshauser, „Typisch Welt“, Picus Verlag 2016.

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