Amanshausers Welt: 479 USA

TANSTAAFL: There ain’t such a thing as a free lunch.
TANSTAAFL: There ain’t such a thing as a free lunch.(c) Beigestellt
  • Drucken

Kleine Geschichten über große Locations.

Mein erstes American-Football-Match sollte die Super Bowl LI sein (römisches LI steht für die 51. Auflage), eine Art jährliches Champions-League-Finale eines Minderheitensports, bei dem nur Mannschaften eines einzigen Landes teilnehmen. Die New England Patriots aus Boston sind Favorit gegen die Atlanta Falcons. Für wen bin ich? Ich entscheide mich für Atlanta, kriege mit, dass der US-Präsident für Atlanta ist, bin kurz für die Patriots, ehe ich mitkriege, dass ich mich geirrt habe und er für die Patriots ist, wodurch ich wieder für Atlanta bin. Fühle mich lächerlich. Wir besuchen die öffentliche Übertragung des Spiels – mit Kindern (5, 8) – in einer methodistischen Kirche. Neben dem TV-Gerät hängen Plakate: „Jesus is our Saviour“ und „His name is Jesus“. (Offenbar zur Sicherheit; Christen zweifeln ja immer ein bisschen an ihren Dogmen.) Zum Essen gibt es schmierige Fleischbällchen mit Soletti-Brezeln, der Chef (Priester? Hauswart?) ist genuin freundlich. Ob die wissen, dass ich ungetaufter Atheist bin, quasi jungfräulich? Muss ich am Ende der Sekte beitreten? Beunruhigt fällt mir ein amerikanisches Kürzel ein: „TANSTAAFL!“

Der American-Football-Religion trete ich wohl nie bei. Schon das dichte Regelwerk schreckt mich ab. Das gewalttätige Spiel bietet zwar taktische Finessen, kaum gerät etwas in Fluss, wird jedoch unterbrochen. „Die Werbung ist so oarg“, sagt der Achtjährige, „da gehts nur um Kampf . . . Erwachsenenfilmewerbung.“ Atlanta führt ziemlich schnell ziemlich hoch, was mich freut. Die Halbzeitpause heißt „Alfa Romeo Halftime“, und niemand lacht darüber. Lady Gaga tritt auf. Man spekulierte, sie würde gegen den Präsidenten agitieren, doch die lässt sich nichts vorschreiben und wickelt eine ganz brave Show ab: „We’re here to make you feel good tonight!“ Es gibt 41.000 Tweets pro Minute – erfahren wir – mit dem Wort „Gaga“, ein Gaga-Weltrekord! Im dritten Viertel meint der einschlafende Achtjährige: „Ich glaube, das schafft niemand, so ein langes Spiel anzuschauen . . . oder nur ganz wenige . . .“ Die Methodisten lassen uns gehen, ohne Predigt oder Abkassierung. Niemand nötigt einen zum Beitritt. Wir seien immer willkommen. (Die merken das einfach, wenn du Jungfrau bist!) Daheim nicke ich bei der historischen Aufholjagd der Patriots mehrfach ein. Stunning!, rufen alle. Finde ich nicht. Bayern oder Barcelona gewinnen ja auch am Ende.

Ort

Super Bowl LI. Methodistenkirche, Bowling Green, Ohio, USA.

Tipp

www.amanshauser.at Kolumnenbuch: Martin Amanshauser, „Typisch Welt“, Picus Verlag 2016.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.