Queensland: Traumpfade

(c) Carsten Heinke
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Am Pazifik grillen, über dem Dschungel schweben, in Wasserfällen baden: Eine Reise im Wohnmobil durch den tropischen Norden des australischen Bundesstaats Queensland.

Wo der Pazifik tiefblau mit dem Horizont verschmilzt, eröffnet sich im Vordergrund ein endlos breiter, grüner Fleckenteppich dem Auge. Unter dem Glasboden der Schwebebahngondel liegt der australische Regenwald. Mehr als 500 Kilometer zieht sich der Dschungel an der Küste von Queensland entlang, fast parallel zum Great Barrier Reef. Die Fahrt mit dem Skyrail Rainforest Cableway durch den Dschungel des Daintree-Nationalparks ist atemberaubend, die von Rangern geführten Wanderungen zwischendurch spannend und lehrreich. Doch all das ist nur ein Vorgeschmack. Das wahre Abenteuer kommt erst: der Great Tropical Drive, eine über 1500 Kilometer lange Selbstfahrertour im Wohnmobil, quer durch den tropischen Nordosten Australiens, immer schön auf der linken Fahrbahnseite.

Da steht es also, ein komplett eingerichtetes, 7,21 Meter langes, 3,25 Meter hohes Motorhome – mit Betten, Dusche und WC, Herd und Kühlschrank, Töpfen und Geschirr. Alles, was man braucht, um es vor- und rückwärts zu bewegen, ist auf der falschen Seite. Für rechtsgeeichte Kleinwagenfahrer eine echte Herausforderung. Doch die anfängliche Skepsis ist bald vergessen. Nachdem der Camper aus dem Hof des Autovermieters herausbugsiert ist, rollt er scheinbar von allein. Nur: Was rumpelt so? „Wir sind zu weit links, da ist keine Straße mehr“, tönt es vom Beifahrersitz. In der Kurve knallt und rasselt es. Der Küchenschrank war nicht verriegelt.

(c) Carsten Heinkee

Die erste Kreuzung, der erste Kreisverkehr, das erste Überholmanöver. Mit der Kilometerzahl wächst die Routine. Die Natur, das weite, unbebaute Land wecken Gefühle von Freiheit und Abenteuerlust. Bei der Ankunft auf dem Campingplatz von Mission Beach sind die
australischen Straßen um ein paar neue Helden reicher – das Rückwärtseinparken nicht mitgerechnet. Inzwischen ist es dunkel, doch das mobile Heim steht – in der richtigen Lücke, korrekt verkabelt und verstöpselt und bereit für die wohlverdiente Gemütlichkeit mitten in der Wildnis. Diese findet zunächst draußen statt. Peter, Timo und das Bier sind am Elektrogrill am Strand. Evelyn und Uschi schnippeln den Salat. Die anderen testen, welcher Wein zum Essen passt. Wie schön, wenn Freunde Arbeit und Vergnügen teilen.

Meeresrauschen, Lagerfeuer. Der Himmel voller Sterne. Sogar die Milchstraße ist klar zu erkennen. Ein Rascheln. Es ist etwas im Busch. „Ein Wallaby“, sagen die Nachbarcamper. „Es wohnt hier und mag Kartoffelschalen.“ Tatsächlich, sehr possierlich! Ob es den Menschen übel nimmt, dass sie einen Artverwandten zum Abendessen verspeist haben? Bei vielen Aussies heute eher als minderwertig verpönt, ist das rote, fettarme Fleisch der Kängurus früher sowohl bei Ureinwohnern als auch bei den weißen Siedlern ganz oben auf dem Speiseplan gestanden – bis Rinder und Schafe es von dort verdrängt haben. Mangels natürlicher Feinde vermehren sich einige der rund 60 Känguruarten sehr stark. Ihre gesetzlich streng geregelte Jagd soll vor allem landwirtschaftliche Schäden vermeiden. Das Fleisch der erlegten Tiere wird zu 80 Prozent exportiert, der Rest hauptsächlich zu Hundefutter verarbeitet.

Das Große Känguru wird das gewiss nicht stören, denn es lebt in der „Traumzeit“, dem Schöpfungsmythos der Aborigines. Die Camper begegnen seinem Geist im Tully River. Nach einer wunderbaren, vor lauter Aufregung viel zu kurzen Nacht im Wohnmobil und einem Frühstück direkt am Ozean treffen sie Caroline. Die junge Aborigine nimmt die fremden Weißen zu einem Walkabout auf ihrem Traumpfad mit. Der ungewöhnliche Morgenspaziergang auf den Spuren ihrer Ahnen folgt dem Flusslauf. Alle stapfen durch das Wasser, lauschen dem Glucksen, den Geräuschen des Waldes und der Aborigine. Legenden von der Regenbogenschlange, die den Uluru und die Welt erschaffen hat, und vom Großen Känguru, das Mensch und Tier ihre Sprachen geschenkt hat, mischt sie mit Biologie und Kochrezepten, Handwerkstipps und Arzneimittelkunde.

(c) Carsten Heinkee

Wie ihr Volk aus Zweigen Hütten baut, aus Ästen Waffen und aus Lehm sowie Pflanzensäften Farben herstellt, um damit Gesicht und Körper zu bemalen, zeigt Aboriginal-Mann Roy im Regenwald von Mossmann Gorge. Bei einer Smoking-Zeremonie laufen wir durch den Rauch von Holz und frischen Pflanzen. Das soll Geist und Körper reinigen und sowohl böse Geister als auch Stechinsekten fernhalten. „Für unser Volk ist die Natur Wohnort, Kirche, Supermarkt, Baumarkt und Apotheke“, sagt Roy, dessen Vorfahren schon vor Jahrtausenden hier gelebt haben.
Vorbei an riesigen roten Termitenhügeln führt der Weg weiter in den Undara-Volcanic-Nationalpark. 64 erloschene Vulkane gibt es dort. Riesige, bis zu 100 Kilometer lange Lavatunnel, viele von unzähligen Fledermäusen bewohnt, faszinieren mit ihrer von Naturgewalten geschaffenen Höhlenarchitektur und bezaubernden Mineralfarben.

Noch steiniger präsentiert sich bei Mareeba der Granite Gorge Nature Park mitten im Busch der Atherton Tablelands. Meist glatt und rundlich, teilweise an Tiergestalten erinnernd, bieten die vulkanischen Felsen beste Klettermöglichkeiten, fantastische Aussichten und mit dem klaren Bach, der zwischen ihnen plätschert, eine erfrischende Badegelegenheit. Ein Ort der Stille, an dem keiner lang allein ist. Denn kaum lässt man sich nieder, kommen neugierige Felskängurus und setzen sich dazu. In einem Krankenhaus nahe Atherton wartet das nächste Naturabenteuer: Alle Patienten im Tolga Bat Hospital sind Flughunde und Fledermäuse. „Verletzt oder verwaist werden sie zu uns gebracht. Wir heilen sie und päppeln sie auf“, sagt Klinikchefin Jenny Maclean. Am schwierigsten seien Resozialisierung und Auswilderung, so die Wissenschaftlerin.

Mit großen, klugen Augen beobachten die Flugsäuger
die menschlichen Besucher, die einige Volieren betreten dürfen. In einer hängen, kopfunter und zusammengefaltet, circa 30 „Flying Foxes“ diverser Spezies wie Regenschirme von der Gitterdecke. Die größten erreichen eine Flügelspannweite von einem Meter. Jetzt, tagsüber, sind die nachtaktiven Flatterer eher müde. Mit ihren langen Fingerkrallen haken sie sich aus und ein und bewegen sich so, an der Decke hängend, vorwärts. Auch getrunken und gefressen wird in dieser Position. Nur für dringende Geschäfte, die an das Abfeuern einer Wasserspritzpistole erinnern, hängt man sich kurz „verkehrt herum“.

(c) Carsten Heinkee

Baumkänguru. „Beeilt euch, wenn ihr Geoffrey treffen wollt. Er wird nicht lang bleiben“, hat Margit Cianelli am Telefon gesagt. Also, auf geht’s zu Margit in die Lumbholtz Lodge. Vor 41 Jahren aus Schwaben ausgewandert, macht sich die gelernte Tierpflegerin seitdem in Queensland um den Schutz bedrohter Arten verdient. Geoffrey sitzt auf dem Küchentisch und frisst Spaghetti. Als hätte er Angst, etwas abgeben zu müssen, ignoriert er die Ankömmlinge. Das ändert sich schnell, als sie ihm Obststückchen anbieten. Der pelzige, etwas schrullig wirkende Geselle ist ein Baumkänguru, neun Jahre alt. Gefunden wurde er als Baby, nachdem er seine Mutter durch einen Autounfall verloren hatte. Wie viele andere verwaiste Tierkinder zog ihn Margit mit der Flasche auf, trug ihn in einem Stoffbeutel am Körper und gewöhnte ihn beizeiten an das Leben in der Wildnis.
„Im Gegensatz zu anderen ehemaligen Zöglingen besucht mich Geoffrey regelmäßig. Ein- bis zweimal pro Woche steht er auf der Veranda und klopft an die Tür. Ich öffne ihm, er geht in die Küche und wartet auf sein Futter. Wie früher will er dann herumgetragen werden, später verschwindet er wieder in den Bäumen“, erzählt die Pflegemama, die derzeit vier Beuteltierbabys aufzieht, darunter ein Filander und ein Possum.

So toll es ist, in einem Wohnmobil zu schlafen – noch dazu im Regenwald –, als Margit die Camper einlädt, in ihrem Haus zu übernachten, können sie nicht widerstehen. Wann kommt schon einmal ein Kängurukind zum Gute-Nacht-Sagen ans Bett gehüpft? Alle sind sich einig: Diese Reise steht unter einem guten Stern. Zusammen mit zigtausend anderen lässt er sich an diesem Abend von der Terrasse aus bestaunen. Der Große Wagen fehlt, denn er scheint nur im Norden. Dafür stehen vier mittelgroße Wagen vor der Tür, bereit zu neuen Abenteuern.

Tipp

Lokal. Creaming Soda von Bundaberg. bundaberg.com

Versatil. Gut für Strand und Waldausflug, Schuhe von Marc O´Polo. marc-o-polo.com

Feingliedrig. Armband der australischen Designerin Amber Sceats. ambersceats.com

Anreise: Wien–Cairns–Wien u. a. mit Singapore Airlines via FRA, SIN, DWR ab ca. 1240 Euro. singaporeair.com


Wohnmobil: Camper von Maui sind über Reiseveranstalter buchbar, z. B. bei Dertour; dertour.at Ein Maui Platinum Beach mit vier Betten kostet in der
günstigen, für das tropische Queensland perfekten Reisezeit vom 1.  Mai bis 30.  Juni inkl. unbegrenzter Kilometer, Basisversicherung und kompletter Ausstattung sowie Campingausrüstung ab 125 Euro (bei mind. 21 Miettagen) bzw. ab 136 Euro (bei fünf bis 20 Miettagen).


Campingplätze: Die „Big Four“-Plätze sind die luxuriösesten unter den Camp Grounds. Sie bieten neben den üblichen Einrichtungen wie Duschen, Küche und Grillplätzen meistens einen Pool, freies WLAN, Mini-Supermarkt und Kinderspielplatz. Touristen sollten spätestens um 18 Uhr einen Campingplatz angesteuert haben, da viele dann schließen. Außerdem wird es zu dieser Uhrzeit schnell dunkel. Mehr Infos: http://qld.big4.com.au


Nützlich: Die App Drive North Queensland hilft mit zahlreichen praktischen Infos und Tipps. Die Entfernungsanzeige der App hilft beim detaillierten Planen des Reiseverlaufs, die Positionsanzeige informiert über den genauen Aufenthaltsort. Auskünfte über aktuelle Wetter- und Straßenbedingungen runden das Service ab. Die App für Smartphones und Tablet-PCs steht kostenfrei im Google Play Store und im Apple App Store sowie unter www.DriveNorthQueensland.com.au zur Verfügung.

Info: Die Reise wurde gesponsert von Tourism Queensland und Cathay Pacific. www.Queensland-Australia.eu/de

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