Miami South Beach: Südliche Schönheit

Filmreif. Blue-Lifeguard-Stand.
Filmreif. Blue-Lifeguard-Stand.(c) Greater Miami Convention & Visitors Bureau gmcvb.com
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Miami South Beach gibt es nicht nur im Kino und im Fernsehen, sondern auch im echten Leben – und zwar für alle. Als Partymeile für Models, Fahrzeuge und die anderen Menschen.

Manche kommen nur wegen dieses Parkhauses: Das Lincoln 1111, ein paar Blocks vom South Beach, ist die fantastischste Garage nicht nur von Florida und vermutlich nicht nur der USA. An diesem charmanten Klotz mit den windschiefen Linien der Basler Stararchitekten Herzog und De Meuron, erbaut im Jahr 2011, geht niemand so leicht vorbei. Ersterer beschreibt sein Werk mit der lichtdurchfluteten Treppenrampe in der Mitte als „Muskeln ohne Kleider“.

Seine Architektur wolle das Auto als „public facility“ begreifen. Die Parkfläche kann zu einem Veranstaltungsbereich umfunktioniert werden, das Gebäude beherbergt Geschäftslokale und, dies wenig originell, sündteure Eigentumswohnungen obenauf. Egal, wie man dazu steht, ein Parkhaus, dessen Zweck nur am Rande in der Unterbringung möglichst vieler Personenkraftwagen besteht und das „good looks“ über die Funktionalität stellt, passt perfekt in einen Strandstreifen, der seit seiner Erfindung Ähnliches versucht.

Ein Paparazzi-Restaurant am Ocean Drive.
Ein Paparazzi-Restaurant am Ocean Drive.(c) Greater Miami Convention & Visitors Bureau gmcvb.com

Miami Beach hatte immer das Problem, zu schön zu sein. Auch zu Beginn, als diese ovale Insel vor der Küste, auf der heute 87.000 Menschen leben, noch gar nichts war, als sie den Everglades-Sümpfen im Westen ähnelte. Carl Graham Fisher (1874–1939), floridianisches Unternehmergenie, ein Mann, der sich von einem Fahrradshopbesitzer zum Bikeracer entwickelte und später trotz seines beträchtlichen Astigmatismus zu einem Autorennfahrer und Highway-Pionier wurde. Gemeinsam mit dem vierzig Jahre älteren Farmer John S. Collins, den er als „kämpferischen Gockelhahn, großspurig und furchtlos“ beschrieb, ließ der Neomillionär die Mangrovensumpfinsel, an der Stelle, an der heute der mehrspurige Venetian Causeway über die Landenge führt, durch die Collins Bridge (1913, die längste hölzerne ihrer Ära) mit dem Festland verbinden – mit Miami. In den frühen Zeiten von Sommerfrische und der aufkommenden Bräunungsmode gründete er das legendäre Flamingo-Hotel. Der Fremdenverkehr sollte überdauern, Miami Beach ebenfalls, Fisher selbst verlor jedoch in der Großen Depression sein Vermögen und betrachtete sein Leben als verpfuscht.

Fisher Island gegenüber vom South Pointe Park – wo man heute auf einem Holzpier entlang der letzten natürlichen Sanddüne spaziert – hatte der Pionier 1919–25 noch selbst besessen, später aber für eine Yacht eingetauscht, die er wiederum verlor. Heute ist diese US-Insel (132 Einwohner) jene mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen und, will man nicht schwimmen, ausschließlich per Boot und Helikopter erreichbar. Auf der Fähre werden die Fahrzeuge auf drei Fahrstreifen in feststehender Reihenfolge entladen: Bewohner, Besucher, Bedienstete. Soviel Bs, da hatte selbstverständlich auch Boris Becker einen Wohnsitz auf Fisher Island.

Pink. Eine Flamingostatue erinnert daran, dass die Insel einst nur aus Sumpf bestand.
Pink. Eine Flamingostatue erinnert daran, dass die Insel einst nur aus Sumpf bestand. (c) Greater Miami Convention & Visitors Bureau gmcvb.com

Der irre Chic von South Beach. Miami wird breit auf der zweiten Silbe betont. Die Mayaimi waren bis zum 18. Jahrhundert ein indigenes Volk rund um den See Okeechobee. Aufgrund ihrer Vernichtung haben nur zehn Wörter aus ihrer Sprache überdauert, Mayaimi soll „großes Wasser“ geheißen haben.

Wer Miami sagt, sagt seit Fisher auch Miami Beach. Wer Miami Beach sagt, der sagt indes South Beach. Technisch gesehen ist das der Bereich vom South Pointe Park bis zur 23rd Street. In Wirklichkeit umfasst der Begriff längst nicht mehr nur den südlichen Teil, sondern eben die Strände auf der gesamten Insel. Natürlich ballt sich alles rund um den sogenannten Española Way bei der 14th, wo die Häuser europäisch wirken, die Musik kubanisch spielt und die Restaurants nicht gerade günstig sind. Vor dreißig Jahren regierten hier noch die Drogenbosse.

Die Art-déco-Bauten aus den Zwanzigerjahren und die von Experten klar davon unterscheidbaren Bauten der Streamline Moderne aus den Dreißigern sind längst blitzblank renoviert. Insgesamt reihen sich an die tausend Gebäude aus dieser Epoche, viele davon mit den charakteristischen „Augenbrauen“ über den Fenstern, die Schatten spenden sollen, an den Straßen hinter der Promenade und geben Zeugnis von einem kulturellen Aufbruch und einem wohlhabenden Jahrzehnt. Viele Hotels der Art-déco-Front auf dem Ocean Drive tragen den originalen Anstrich, weiß, blau, rosa.

Ihnen gegenüber verläuft ein Joggingweg im Schatten von Palmen, weiter vorn die Dünen. Ein Mann schiebt einen Supermarktwagen voller Kokosnüsse durch die Gegend. Es ist Business. Er verlangt auf Spanisch fünf Dollar pro Nuss, quasi ein Wahnsinn. Notfalls erhält man für fünf Dollar auch zwei Stück, „aber nur, weil die Kinder so lieb sind. Dieser Sonderpreis . . . Verraten Sie ihn niemandem!“

Lincoln Center. Parkgarage von Herzog & De Meuron mit Wohnungen obenauf.
Lincoln Center. Parkgarage von Herzog & De Meuron mit Wohnungen obenauf. (c) Greater Miami Convention & Visitors Bureau gmcvb.com

Auf dieser Höhe heißt der Ocean Drive bereits Collins Road und ist eine Partymeile für Fahrzeuge – gelbe Sportwägen, exzentrische Einräder, kühle Stretchlimousinen, wacklige Beiwagen-Vespas, dreirädrige Gartenvehikel und besprühte Skateboards. Aus einem Fahrradeinkaufskorb blitzt das starre Lächeln eines Lemurenaffen. Da die lokalgesäumte Meile nicht besonders lang ist, höchstens von der 5th zur 30th, pendeln viele der Wunder­vehikel hin und her. Es geht um das Gesehenwerden, und, je später die Stunde, desto deutlicher um das Akustische, falls die Musikanlage im Cabrio etwas hergibt. Die Verkehrsregeln unterliegen amerikanischer Interpretation. An den Kreuzungen herrscht einigermaßen Vorsicht, zwischen ihnen werden Fußgänger im Schritttempo im Zweifelsfall flachgefahren, da sie dort nicht klagen könnten.

Eine der populären Bars heißt Clevelander. Eine Kellnerin steckt in einer Mischung von Joggingoutfit und Taucheranzug, ihr Popo – auf ihm prangt die Aufschrift „Clevelander“ – reicht einem normal gewachsenen Mann bis zu den Rippen. Die Drinks serviert sie in Glaspokalen, mit denen man Formel-1-Weltmeister nach Siegen beschenken könnte und in denen im 45-Grad-Winkel eine umgedrehte Flasche Corona ruht, quasi zum Auswringen. Daneben in der Palace-Bar bieten Drag Queens mitten im Straßenpublikum ihre Show – der Schwulenstrand mit makellos gebauten Körpern und frisierten Hündchen liegt ebenso auf Höhe der 12th Street.

In der Lincoln Road, der viel gerühmten Geschäftsstraße, geht der Promenadenzauber ein bisschen verloren. Immerhin kann man shoppen, Art-déco-Gebäude studieren, man trifft kuriose Gestalten. Eine Kokosnuss mit Strohhalm kostet sechs Dollar und wird konsequenterweise auf Englisch verkauft, eine Diskussion über den Preis wäre undenkbar.

(c) Greater Miami Convention & Visitors Bureau gmcvb.com

Filmglanz und Modelalltag. Der Sandstreifen gehört nicht etwa wegen seiner außergewöhnlichen Schönheit zu den Topstränden der Welt. Er ist aufgeladen mit dem Glanz Hollywoods. Die Broschüren der lokalen Tourismusbehörde weisen bescheiden darauf hin, dass hier immerhin Streifen wie „Miami Vice“, „The Birdcage“, „Scarface“, „Bad Boys II“, „Fast 2 Furious“, „Transporter 2“ oder „True Lies“ gedreht wurden – man würde am liebsten gleich alle hintereinander sehen. „CSI Miami“ hingegen, hört man, sei wiederum nicht hier, sondern in Kalifornien gedreht worden – nur die Helikopteransichten seien original, da das Wasser bei Windstille beizeiten die türkise Farbe der Karibik annimmt. Aber es bewegt sich gern ein bisschen, handelt es sich doch auch um eine Hurrikan-Gegend.

Wo sind nun die Reichen und Schönen, die Jungen und zumindest äußerlich Gesunden, die das Image transportieren? Ein Lokalaugenschein auf der Höhe der 15th zeigt sogar im Heterobereich ein recht ansehnliches Publikum. Eine Menge Bikinis, die dazu passenden Boxershorts mit den Muskeln aus dem Steroid-Training – im Lummus Park stehen die Geräte dazu. Und da vorn rekelt sich ein weibliches Model mit beigem Bikini in der Brandung, während der Typ, der den weißen Flächenreflektor hält, von einer Welle erwischt wird. Der Fotograf schießt entnervt seine Serie. Please do it again – es sollen sich ja laut offiziellen Angaben in Miami Beach immer gleichzeitig 1500 Models befinden.

Nicht alle Menschen sehen einfach umwerfend aus, ganz im Gegenteil. South Beach ist auch der Strand für die Festland-Normalos aus Miami, jenem Anteil der 3,7 Millionen Großstadtbewohner, die am Wochenende, meist per Bus, den Weg über die chronisch verstopften Brücken finden. Eine Besonderheit hat South Beach sicherlich zu bieten: Das Oben-ohne, zur Zeit international, sieht man von der FKK-Kultur ab, sehr stark verpönt, hat sich hier gehalten. Es ist wohl der einzige Strand der USA, an dem Bikinis nicht nur zum Rückenbräunen fallen. In South Beach zeigt sich Amerika grundsätzlich von seiner toleranten Seite. Und keiner der durchgeknallten Präsidentenkandidaten, der die Wahl gegen Hillary Clinton im November gewinnen wird, hat wohl die Macht, daran etwas zu ändern.

Eine Propellermaschine quält sich für die Strandgäste durch den Gegenwind. Ihr quadratisches Spruchband – „Heute im Story: Afrojack“ – bietet ihr derart starken Luftwiderstand, dass man meinen möchte, sie falle jeden Moment vom Himmel. Andererseits bedeutet die geringe Geschwindigkeit einen Werbevorteil, eine längere Einschaltquote. Wenig später arbeitet sich die Flugmaschine in etwas größerer Entfernung, das Transparent mit jetzt spiegelverkehrten Buchstaben, durch die aufgewühlten Luftströmungen zurück, die Rückseite des Transparents einer urbanen Silhouette entgegenstreckend, die wie es selbst in Unsinnigkeit und Schönheit stirbt.

Tipp

Cremig. Angeblich das beste Eis in Miami gibt es bei www.azucaricecream.com

Pastellfarben. Ein Badeanzug von dem lokalen Modelabel www.eberjey.com

Unterkunft. The Mercury Hotel, nahe vom South Pointe, der Idealfall eines Billighotels. Zimmer groß und mit Kochzeile (amerikanische, nur Mikrowelle), extrem zurückhaltende Betreuung, nicht weit vom Meer, ein heißer Mini-Whirlpool und ein kaltes Schwimmbecken. 100 Collins Avenue, South Beach, Miami Beach, FL 33139.
the-mercury-hotel.com

Restaurants & Bars.
A La Folie
, Café français, französisches Lokal im Zentrum, laut Selbstbeschreibung „authentische und leistbare französische Küche“, das würde genau hinkommen, wenn der Dollar besser stünde. Alles von Crêpes bis Schnecken. 516 Española Way.

Big Pink, sehr miamiesk, weil sich die US- und Latinoküche mischt; der ideale Ort für Burger aller Art. 157 Collins Ave.

Puerto Sagua, originalste kubanische Küche, heilloses wunderbares Latino-Durcheinander. 700 Collins Ave.

Clevelander, gehört zum Clevelander South Beach Hotel und Restaurant, irgendwie unnötiger und irgendwie faszinierender Nachtclub an der Waterfront, 1020 Ocean Drive.

Palace Bar, tolle Schwulen-und-alles-Mögliche-Bar, ganztags eine Attraktion, immer happy, am Abend gehts rund, 1200 Ocean Drive; alle Miami Beach.

Art-déco-Museum, nicht extrem didaktisch-historisch, aber gemütlich, mit einem Geschenkshop; 1001 Ocean Drive, Miami Beach.
www.mdpl.org

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