Sambia: Gut gebrüllt

Rötlich. Sonnenuntergang im Südluangwa-Nationalpark in Sambia.
Rötlich. Sonnenuntergang im Südluangwa-Nationalpark in Sambia. (c) Time + Tide/Andrew Macdonald
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In Sambia, wo die Tourismusindustrie erst am Anfang steht, sind
Safaris in zwei großen Nationalparks noch veritable Abenteuer. Zum Beispiel, wenn man in der Nacht den Löwen begegnet.

„Pssst!“ Charles Sakala legt einen Finger auf den Mund und deutet, leise zu sein. Vorsichtig lenkt er den Geländewagen auf einen schmalen Trampelpfad. Links und rechts wächst dichtes Buschwerk. Der Landrover arbeitet sich langsam über die buckelige Piste, bis der Wald den Blick auf ein ausgetrocknetes Flussbett freigibt. Konzentriert suchen Charles’ Augen die Ebene ab. „Da!“, raunt er. „Eine Löwin!“ 

Die Raubkatze kauert unbewegt auf der freien Fläche. Auf den ersten Blick könnte man meinen, sie ruhe. Doch der zuckende Schwanz verrät, dass sie auf der Lauer liegt. „Sie jagen“, erklärt Charles. „Es sind noch mehr Löwinnen in der Nähe.“  Es ist Spätnachmittag, hinter den Büschen auf der anderen Seite des Flussbetts geht die Sonne unter, der Himmel hat sich in leuchtendes Rot gefärbt. Der Boden ist noch warm von der Hitze des Tages.

Im Schritttempo fährt Charles Sakala den Fluss entlang. Bald entdeckt er eine zweite Löwin, die sich an der Böschung positioniert hat. Ohne eine Regung fixieren die Raubkatzen das Gestrüpp. Charles stoppt den Wagen. „Keine schnellen Bewegungen. Nicht aufstehen.“ Den offenen Landrover und das Raubtier trennen nur wenige Meter. Zugegeben, es gibt Situationen, in denen man sich wohler fühlt. Der Safariguide hat nicht einmal eine Waffe dabei. Aber er lacht nur. „Sie sind an uns nicht interessiert.“

Gefährlich. Fluss- pferden sollte man auf dem Fluss Chongwe nicht zu nahe kommen.
Gefährlich. Fluss- pferden sollte man auf dem Fluss Chongwe nicht zu nahe kommen. (c) Time + Tide

Es ist noch keine halbe Stunde vergangen, seitdem Charles Sakala seine Abendfahrt durch den Südluangwa-Nationalpark in Sambia begonnen hat – und schon ist man mitten im Abenteuer. Der Park ist mit gut 9000 Quadratkilometern das zweitgrößte und bekannteste Wildschutzgebiet des Landes, hier leben mehr als 60 Tier- und über 400 Vogelarten. Berühmt ist er neben den Löwen auch für die vielen Leoparden. Für große Büffel- und Elefantenherden. Für die Thorneycroft-Giraffen, die Cookson-Gnus und die Crawshay-Zebras, die nur hier leben. Und für ein Safari-Erlebnis abseits ausgetretener Touristenpfade. Denn noch gilt Sambia als Geheimtipp für Safarifans. Die Regierung in Lusaka hat zwar angekündigt, bis 2030 zu einem der beliebtesten Reiseziele des Kontinents werden zu wollen. Sie hat das touristische Potenzial ihrer Wildtiere erkannt und will so auch die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Kupferabbau reduzieren. Aber die Tourismusindustrie steht noch am Beginn ihrer Entwicklung. Für die Besucher der Nationalparks bedeutet dies vor allem eins: eine Exklusivbegegnung mit Afrikas Wildtieren.

Allein vor Löwinnen. Und so steht man mit Charles Sakala und seinem Geländewagen ganz allein vor den Löwinnen und wartet mit ihnen auf Beute. Beim Mittagessen im Camp hat ein australisches Touristenpärchen erzählt, wie Löwen vor ihren Augen eine Antilope gerissen haben. Da kommt Neid auf. Eine halbe Stunde vergeht – es tut sich nichts. Auf Safaris braucht man Geduld, in der Natur lässt sich nichts erzwingen.
Charles will weiterfahren. Der nächste Programmpunkt steht an: der Sundowner, fixer Bestandteil jeder Abendsafari. Man steigt vom Wagen, trinkt Gin Tonic oder guten südafrikanischen Wein und beobachtet den Sonnenuntergang. Nach dem zweiten Glas ist es dunkel. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um nach Leoparden Ausschau zu halten oder nach seltenen Mangusten- und Eulenarten. Doch Charles will zurück zu den Löwen. Als der Wagen auf einen engen Feldweg abbiegt, erscheint im Licht der Scheinwerfer eine prächtige Löwenmähne, wenig später eine zweite. „Ginger und Garlic“, ruft Charles. Von ihnen hat der Safariguide schon erzählt. Die beiden sind berühmt, so wie der Löwe „Cecil“ im Nachbarland Simbabwe, bis er vor eineinhalb Jahren von einem amerikanischen Zahnarzt auf Großwildjagd erschossen wurde. Ein Schicksal, das auch sambischen Löwen außerhalb der Schutzgebiete erneut blühen kann, weil die Regierung ein 2013 verhängtes Jagdverbot für Löwen und Leoparden auf Druck der Jagdlobby wieder aufgehoben hat. Großwildjagd ist einfach ein zu lukratives Geschäft.

Kontaktfreudig. Hyänen sind  mindestens so neugierig wie  Safarigäste.
Kontaktfreudig. Hyänen sind mindestens so neugierig wie Safarigäste.(c) Time + Tide

Aufstehen um halb sechs. Als wir uns nähern, erhebt sich Ginger und brüllt donnernd in die Nacht. Wie auf Kommando raschelt es im Busch, zwei Löwinnen schreiten aus dem Dickicht. Es dauert einen Augenblick, bis wir erkennen, dass sie ihre Jungen im Schlepptau haben. Es sind fünf, Charles schätzt sie auf etwa sechs Wochen. Unsicher tapsen die Kleinen auf Garlic zu. Sie umklammern seine riesigen Pratzen, zwicken ihn in das buschige Ende seines Schwanzes. Der Löwe lässt sie geduldig gewähren. Und so stehen wir in der afrikanischen Nacht und sehen den Löwen beim Spielen zu, keine fünf Meter von unserem Wagen entfernt. Selbst Charles ist entzückt.

Ein Safaritag beginnt im Morgengrauen mit einem starken Kaffee am Lagerfeuer. Gegen halb sechs Uhr heißt es aufstehen, um sechs geht es auf die Pirsch – da sind die Guides unerbittlich. Der morgendliche „Game Drive“ ist das Gegenstück zur Abendfahrt und dauert bis zum späten Vormittag. Es ist jeden Tag dasselbe und doch immer etwas anderes. Einmal beobachten wir Elefanten, die am Ufer des Luangwa-Flusses planschen, der dem Nationalpark seinen Namen gegeben hat. Ein andermal erfahren wir jedes noch so kleine Detail über Warzenschweine, die im Sand nach Essbarem graben. Und nach wenigen Tagen versteht man, dass Safari viel mehr ist als nur die Big Five. Jeder Baum, jeder Strauch, jedes Insekt hat seine eigenen Geheimnisse. Und kundige Safariführer wie Charles schaffen es, die Gäste jeden Tag darüber staunen zu lassen.

Romantisch. Abendillumination in der Thorntree Lodge im  Livingstone-Park.
Romantisch. Abendillumination in der Thorntree Lodge im Livingstone-Park.(c) Dookphoto

Diese Erfahrung macht man auch im Nationalpark Unterer Sambesi im Süden des Landes. Vom Flughafen in Lusaka aus geht es mit einer kleinen Propellermaschine nach Südosten. Die Flugroute führt entlang des mächtigen Sambesi-Flusses, der Sambia von Simbabwe trennt. Von oben schon sieht man Elefanten am Flussufer, Krokodile ruhen im Sand. Nach einer Stunde landen wir auf einer Schotterpiste mitten in der Wildnis. Keine Gebäude, kein Flughafenpersonal. Nur ein Geländewagen mit einem Fahrer, der uns erwartet.

Der Nationalpark Unterer Sambesi ist knapp halb so groß wie der Südluangwa-Park und hat weniger Tiere. Da sie aber das Flussufer frequentieren, gibt es hier viel zu sehen: große Elefantenherden, Wasserbüffel und massenhaft Hippos. Abends befahren wir mit dem Boot den Sambesi. Wir müssen aufpassen, den Flusspferden nicht zu nahe zu kommen. Sie tauchen wenige Meter vor uns auf und zeigen ihre gewaltigen Mäuler. Der Sundowner auf dem Wasser findet dann vor einer Kulisse statt, an der man sich nicht sattsehen kann: der riesige Fluss, grünes Land, am Horizont die Berge.

Großer Bulle. Im luxuriösen Chongwe River Camp an der Mündung des Chongwe-Flusses in den Sambesi verbringt man den ganzen Tag mit Tieren, auch außerhalb der „Game Drives“. Vom Mittagstisch aus beobachten wir Nilpferde und Krokodile, die sich am Flussufer sonnen. Am Nachmittag streift ein großer Elefantenbulle durch das Camp und umrundet unseren Bungalow. Er zupft an den Seilen, die das Dach befestigen, und knabbert an einem Strauch, bis er schließlich zum Chongwe wandert. Nachts darf man wegen der häufigen Besuche von Wildtieren ohne Begleitung eines Wächters nicht durch das Camp gehen.
Nach fast einer Woche in der Wildnis ist die Landung in Livingstone eine jähe Rückkehr in die Zivilisation. Der Flughafen ist neu und modern, draußen warten Taxis auf die Touristen, die ihre Koffer ins Freie schieben. In der Stadt herrscht dichter Verkehr, Einkaufszentren, Restaurants und Souvenirläden säumen die Hauptstraßen. Livingstone lebt von einer der größten Attraktionen, die der afrikanische Kontinent zu bieten hat: den Victoriafällen.

Aussichtsreich. Beim Dinner direkt am Sambesi kann man Hippos beobachten.
Aussichtsreich. Beim Dinner direkt am Sambesi kann man Hippos beobachten.(c) Dookphoto

Während sich Europa auf den Winter einstellt, herrscht hier schon die heiße Trockenzeit. Der Sambesi führt vergleichsweise wenig Wasser, man kann auf einem Rundgang beobachten, wie die Wassermassen von den mächtigen Felsen aus 110 Metern Höhe in die Tiefe stürzen. In der Regenzeit, erzählen Ortskundige, sehe man die Wasserfälle manchmal gar nicht vor lauter Gischt. Die Einheimischen haben ihren eigenen Namen für das Spektakel: „Mosi-oa-Tunya“ – donnernder Rauch.

Nashörner. Bei aller Vielfalt der Nationalparks – wir haben noch keine Nashörner gesehen. Sie waren in Sambia bereits ausgerottet, Wilderer hatten die Bestände vernichtet. Bis heute sind die Dickhäuter in ganz Afrika hoch gefährdet, da sich mit ihrem Horn auf dem internationalen Schwarzmarkt horrende Summen verdienen lassen. In Livingstone wurden nun Nashörner in einem Schutzgebiet angesiedelt. Das hat seinen Preis: Jedes der Tiere wird von bewaffneten Rangern rund um die Uhr bewacht. Entsprechend kurz fällt auch der Besuch aus: Die Ranger treffen uns im Park, nach ein paar Minuten Fußmarsch stehen wir vor zwei riesigen Exemplaren. „Das sind Lucy und Wanya“, erklärt einer der Wächter. „Drei und zwei Jahre alt.“ Gemächlich wandern die beiden von Grasbüschel zu Grasbüschel. Und so ertappt man sich nach einem Tag im geschäftigen Livingstone fast dabei, sich in die stille Natur der Nationalparks zurückzusehnen.

Compliance-Hinweis: Die Reise wurde von Pinto Africa unterstützt.

Tipp

Anreise: Ethiopian Airlines fliegt von Wien über Addis Abeba nach Lusaka. Von dort weiter mit Proflight Zambia.

Übernachtung: Chongwe River Camp im Nationalpark Unterer Sambesi (chongwe.com). Im Südluangwa-Nationalpark sind mehrere Camps zu empfehlen. Das abgelegene Buschcamp Nsolo ist bekannt für seine Wandersafaris. Das Kakuli-Camp bietet einen atemberaubenden Blick über den Luangwa-Fluss. Die luxuriöse Chinzombo-Lodge empfiehlt sich für einen entspannenden Abschluss des Aufenthalts nach einigen Tagen im Busch (timeandtideafrica.com/norman-carr-safaris). In Livingstone: Thorntree River Lodge direkt am Sambesi
(africanbushcamps.com/camps-safaris/zambia/thorntree-river-lodge).

Reiseveranstalter: In Österreich organisiert das junge Tiroler Reiseunternehmen Pinto Africa maßgeschneiderte Individualreisen nach Sambia und in andere afrikanische Länder. Der Gründer, Luke Evans, stammt aus Sambia und bringt seine ganze Expertise in die Reiseplanung ein.
pintoafrica.com

Reisezeit: Während der Regenzeit von Dezember bis April haben viele Camps und Lodges geschlossen. In der kühlen Trockenzeit von Mai bis August liegen die Temperaturen zwischen 15 und 28 Grad, in der heißen Trockenphase im September und Oktober klettern sie bis über 40 Grad.

Tipp: NGO Conservation South Luangwa (cslzambia.org): Informationen über den Kampf gegen Wilderei.

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