Das Skirevival im Salzburgerland

(c) TV Saalbach Hinterglemm
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Am alpinen Fahrstil zu arbeiten bringt Sicherheit auf der Piste und dann erst recht im Tiefschnee. Zum Wiedereinsteiger-Workshop ins Salzburgerland.

Backcounty. Die Hänge sind unberührt, der Weg zum Lift ist nah.
Backcounty. Die Hänge sind unberührt, der Weg zum Lift ist nah.(c) TV Saalbach Hinterglemm
Fichtenwipfel. Im Talschluss wartet ein  Spazierweg auf Menschen ohne Höhenangst.
Fichtenwipfel. Im Talschluss wartet ein Spazierweg auf Menschen ohne Höhenangst.(c) Salzburgerland Tourismus

Zwei Kreuzbandrisse, ein Unterschenkelbruch, eine lädierte Schulter: So angespannt, wie wir mit unseren Vorgeschichten oben beim Liftausstieg stehen, hören wir die Gedanken unseres Skilehrers rattern: Was kann er jemandem zumuten, der nach Sportunfällen hoch motiviert, aber sich nicht sicher ist, ob er gleich wieder mit Vollgas Ski fahren kann? Und was darf er denjenigen in der Gruppe zutrauen, die zwar selbst deklarierte „Superfahrer“ sind, das aber zehn, zwanzig Jahre lang nicht praktiziert haben? 

Kompensiert bei denen so viel Selbstvertrauen eine so lange Skiabstinenz? Einmal abwarten und mitmachen beim Wiedereinsteiger-Kurs in Saalbach Hinterglemm, den der Skilehrerverband im Salzburgerland entwickelt hat, damit die Schwellenangst vor dem Skifahren sinkt. Österreichs Nationalsport, das war einmal.

Fürs Erste will Skilehrer Jan die Sache langsam angehen und testen, was die Leute können. Ist ja möglich, dass einige davon sogar noch vor der Carvingära aufgehört haben. Am ersten Tag hat Jan den Kopf mehr nach hinten gedreht als nach vorn, um die stilistischen Eigenheiten seiner Schützlinge zu erfassen. Fahrtechnische Fehler könnte man auch dazu sagen, denn beim einen oder anderen haben sie wohl den Sturz ausgelöst, der ihr Skivertrauen angeknackst hat.

„Jetzt üben wir einmal das alpine Fahrverhalten“, kündigt Jan an, korrigiert unsere Haltung, misst mit den Skistöcken nach und wird uns das in den nächsten Tagen immer wieder zeigen, wie man nach der reinen Lehre richtig auf dem Ski steht. Ohne Ungeduld, bis wir nach dem zigtem Mal perfekt eingerichtet sind, parallel zur Hangneigung, mittig, geerdet, sodass jeder Schwung wie eine Pendelbewegung unter dem Oberkörper passiert.

Doch das ist erst der Anfang der technischen Ausbaustufen im Kurs zwischen Kurzschwung, gerutschter Kurve und einer richtig gecarvten. „So wie du den Schwung beginnst, so sollte er rotationsmäßig auch enden“, erklärt Jan. Um die richtige Haltung zu testen, strecken wir die Stöcke weit von uns, damit sie in jeder Position den Schnee berühren. „Wenn man den Kontakt verliert, hat man etwas falsch gemacht,“ sagt der Skilehrer.

Nicht mitrotieren. Es ist uns mittlerweile egal, dass die Leute aus den Liften interessiert zuschauen, wie wir mit den Stecken Fenster simulieren oder uns bildlich vorstellen, eine Schachtel von der Bergseite aufzuheben und auf der Talseite wieder abzustellen. Der Skifahrer ist eben ein Gewohnheitstier, jahrzehntelang hat er das so gemacht und ist nun nicht so schnell bereit, das Eingelernte aufzugeben. Also die Arme vor dem Körper zu halten – immer, egal, was kommt. Oder mit dem Oberkörper nicht mitzurotieren, ein Klassiker. Oder die Skier nicht mehr so eng zu halten.

Mit der Konzentration auf die neuen Bewegungsabläufe kommt der Moment der Erkenntnis, dass es auch anders geht. In der Übungssituation dieser salzburgerlandweiten Wiedereinsteiger-Workshops wird jede Fahrt ein Stop-and-go, ein Vorfahren und Zuschauen, nicht bloß ein Spurfolgen. Das Tempo bleibt moderat, wenn man immer wieder stehenbleibt. Die lädierten Knie ruhen sich aus, und die Retro-Wedler in der Truppe haben Zeit, sich die neuen Skier erklären zu lassen, sie wollen wissen, wie das mit der Vorspannung des Rockers funktioniert. Wir bekommen nicht nur Piste und Fahrtwind mit, sondern widmen längere Augenblicke der allgemeinen Landschaftsbetrachtung, das kommt beim klassischen Kosten-Nutzen-Pistenskifahren sonst immer zu kurz.

Unerschlossen unterm Tiefschnee. Ist aber auch richtig schön hier, hoch über den dicht mit Hotels, Restaurants und Pensionen verbauten Orten Saalbach und Hinterglemm. Vor allem von einer südseitigen Hüttenterrasse ist die Aussicht prächtig. Während man zum Beispiel auf der feschen Wieseralm sitzt, sich die Dekadenz einer Auster gönnt, während sich die anderen an Hirschfilettatar und Wiener Schnitzel halten, schweift der Blick über das Panorama bis zum Alpenhauptkamm. Gleich da drüben steht der Schattberg mit seiner waldigen Steilseite und der langen, harten, schwarzen Piste zum Tal. Weiter hinten ragt einer der höchsten Berge der Kitzbüheler Alpen beziehungsweise der Pinzgauer Grasberge auf: Der Gaisstein (2363 Meter) liegt schon in einer Zone, die für Erschließungen tabu ist, Skitourengeher sind dort gern unterwegs, sie kommen von Süden her, von Mittersill oder Stuhlfelden.

Ganz hinten im Talschluss erkennt man ein dichtes Waldstück, eine Art Märchenwald, durch den eine Route verläuft, die sich Menschen mit Höhenangst eher sparen dürften: Auf bis zu 30 Metern Höhe führen die Holzstege des Baumzipfelweges durch die Fichtenwipfel im Pinzgauer Bergwald. Das erschlossene Skigebiet breitet sich vielmehr nach Osten aus, vor etlichen Jahren dockten die Bergbahnen von Leogang an Saalbach Hinterglemm an – es scheint nur mehr eine Frage der Zeit, bis das Skigebiet von Fieberbrunn mit zwei Verbindungsliften über einen früher für den Bergbau genutzten Graben angeschlossen ist.

Aber die Existenz so vieler Pisten und Lifte soll dem Skifahrer keinen Druck machen, dass er sie alle gesehen haben muss. Denn eigentlich macht es fast mehr Spaß, eine Handvoll Pisten so gut kennenzulernen, dass man Unterschiedliches auf ihnen ausprobiert, als von einer Abfahrt zur nächsten zu hasten. Es kann auch rhythmische Gymnastik sein: „Jetzt bitte mit jedem Schwung klatschen“, lautet des Skilehrers Anweisung, und er fährt locker los, klatscht, gleichmäßig im Zweivierteltakt. Wir kommen mit freier Improvisation unten an, der eine im unregelmäßigen Sieben-Sechzehntel-, der andere im hüpfenden Fünf-Achtel-Modus. Asynchron, asymmetrisch.

Training für härtere Touren. All das, was man hier unter glatt präparierten Bedingungen an Fahrtechnik nachkorrigiert, kommt einem im Tiefschnee erst recht zugute. Der verzeiht Fehler weniger, allerdings ist das Tempo da draußen nicht so hoch wie auf der Piste. Alpines Fahrverhalten ist angesagt, die Skier nun doch etwas enger halten, flüssig fahren, gleichmäßig belasten. Auch darauf ist man nach so einem Workshop vorbereitet.
Im Glemmtal ist es leicht, einen Hang oder Almflecken zu finden, der nicht so stark verspurt ist wie in den klassischen Gebieten zum Geländeskifahren, denn die meisten Wintersportler hier bleiben schließlich doch der Piste treu. Dabei ist es vom Gelände her speziell verlockend: Die Grasberge sind nur an die 2000 Meter hoch, mit Almen und Waldabschnitten und nicht extrem steil.

Hinter fast jeder Bergstation geht’s zu interessanten Varianten, zum Beispiel unweit vom Gipfel Schattberg West oder vom Spieleckkogel. Man braucht nur ein paar Meter aufzusteigen oder querzufahren, um den Einstieg in eine tief verschneite Almabfahrt zu finden. Es versteht sich allerdings von selbst, dass man solche Freeride-Abenteuer nicht allein unternimmt, sondern mit einem geprüften Berg- und Skiführer, der die Gegend kennt.
Auch der Lawinenlagebericht ist gecheckt, und die notwendige Sicherheitsausrüstung mit. Und so schert man gemeinsam von der Piste aus, glaubt sich ganz allein da draußen im Tiefschnee und landet am Ende einer kleinen Powder-Spritztour doch wieder auf einer Alm im Skigebiet, wo man dann in der Sonne, gemütlich an die Hauswand gelehnt, Pinzgauer Blattln und Kaiserschmarrn kostet. Noch einen wichtigen Schritt genommen, auf dem Weg zum  Skicomeback.

Rennen auf Fellen. Freilich gäbe es noch viel zu tun, um die frühere Form zurückzuerlangen. Eine Trainingsmöglichkeit liegt ja vor den Augen: die Piste, und zwar aufwärts. In den vergangenen Jahren hat die Gruppe der Skitourengeher, die lieber die Pisten hinaufmarschiert statt durch den Tiefschnee spurt, massiv zugenommen.

Einheimische nutzen gern ein Zeitfenster, um schnell die Felle aufzukleben, auf den Berg zu rennen und schnell wieder zur Arbeit zu düsen. Welche Ausmaße das annehmen kann, zeigen Events wie der Mountain Attack Ski Touren Marathon jeden Jänner: Die Athleten starten rennend mitten im Dorf, laufen mehr, als dass sie gehen mit ihren Tourenskiern den steilen Schattberg hinauf, fahren kurz mit angeklebten Fellen weiter, steigen auf den Westgipfel auf, fahren in der Dämmerung nach Hinterglemm ab, wechseln die Talseite, steigen wieder auf und nehmen dabei in der Dunkelheit noch einmal vier Gipfel mit. Der Schnellste macht das in rund zweieinhalb Stunden. Wir würden gefühlte drei Tage dafür brauchen, mindestens.

Vielleicht steigert sich die Form zumindest so schnell, dass am Ende einer Woche so viel Skivertrauen zurückgekehrt ist, eine richtige Old-School-Skitour zu wagen. Also fährt man zum Talschluss und spurt von dort auf den Staffkogel, er ist ein Fixpunkt im Repertoire der Grasberge-Gipfel.

Leicht wie durch Watte zieht man eine Kurve nach der anderen durch den Tiefschnee nach unten. Gleichmäßig, geerdet, langsam. Man erinnert sich: alpines Fahrverhalten. 

Tipp

Skifahren. Saalbach Hinterglemm Leogang umfasst 200 km Abfahrten. saalbach.com
Wiedereinsteiger-Workshops:Entwickelt vom Skilehrerverband im Salzburgerland. Reisepaket mit TUI „Ski Comeback“, drei Tage je zwei Stunden Skiunterricht, Dreitagesskipass, kostenloser Skiverleih. Wird in mehreren Salzburger Skiregionen angeboten. www.sltg.at/skicomeback.at Packages mit unterschiedlichen Hotelkategorien, bei TUI, tui.com
Mountain Attack Touren Ski Marathon: Jeden Jänner, an die 500 Teilnehmer. Distanz: sechs Gipfel, 3008 Höhenmeter, 40 Kilometer. Spektakulärer Start mitten im Ort. mountain-attack.at
Tiefschneefahren: Beliebtes Freeride-Gebiet mit Skitouren-Klassikern. Viele Tourengeher nutzen zum Training auch die Piste. Freerideangebote: bei den Skischulen bzw. über die Freeride Experience in Zell am See, freeride-experience.at
Salzburger Berufsski- & Snowboardlehrer Verband: sbssv.at
Baumzipfelweg: 200 m lange Hängebrücke und 1000 m durch die Fichtenwipfel am Talschluss. Einkehr nebenan: Lindlingalm, gut für Deftiges (Kasnocken). baumzipfelweg.at, lindlingalm.at

Übernachten
Hotel Sonnleiten (links unten): Gemütliches Viersternehaus direkt an der Piste. Im Sommer umfangreiches Sportprogramm als Full-Service-Bike-Hotel. sonnleiten.com, sunmbikers.com
Wiesergut: 2012 neu gestaltetes Gut aus dem 14. Jahrhundert mit modernem Gartentrakt. Reduzierter Stil in Suiten, Restaurant, Spa und Bar. Traditionelle Backstube. Mitglied bei Designhotels, wiesergut.at

Essen, Kosten, kaufen
Via Culinaria: Kulinarisches Wegenetz durch das ganze Salzburgerland. Führt thematisch (Fisch, Schnaps, Käse, Fleisch . . .) zu regionalen Produzenten (von Preiselbeeren bis Imkerprodukte) Läden, Küchen, Restaurants und Hütten: viaculinaria.com
Der Schwarzacher: oben Zwei-Hauben-Restaurant, unten Apres-Ski-Sause. Erzeugnisse aus eigener Landwirtschaft. der-schwarzacher.at
Wieseralm: Fesche Hütte. Feine Weinkarte, regionale Speisen. Aber auch Austern. wieseralm.at
Panoramaalm: Nette Terrasse. Tipp: Hirschgerichte. panorama-alm.at

Die Autorin wurde von Salzburgerland Tourismus unterstützt.

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