Die E.T.-Compton-Hütte, ein Geheimtipp

E.T.-Compton-Hütte
E.T.-Compton-HütteÖAV Alpenverein Austria (Heinrich von Busch)
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In den Gailtaler Alpen liegt eine der malerischsten Hütten Österreichs, die nach einem Maler und Bergsteiger benannt ist.

Mit Geheimtipps ist das so eine Sache. Haben sie sich erst einmal herumgesprochen, will jeder hin. Die E.T.-Compton-Hütte hat dieses Schicksal noch nicht ereilt, doch sie ist auf dem besten Weg dorthin. Herausgeputzt wie eine junge Braut steht das urige Holzhaus, die Fenster mit roten Pelargonien geschmückt, unter den kalkweißen Wänden des Reißkofels zwischen grünen Fichten im Wald. Ein Ansichtskartenmotiv. Doch diese Ansichtskarte ist dreidimensional – begehbar und bis ins kleinste Detail liebevoll gepflegt.

„Als wir 2007 die Hütte bekommen haben, ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen“, schwärmt Maria Taurer. Ihr Hof ist das letzte Gebäude in Berg im Drautal, von wo aus eine Schotterstraße in langen Kehren auf den Schönboden hinauf zur Compton-Hütte führt. Schon als Kind hat Maria sich gewünscht, irgendwann einmal diese Hütte zu bewirtschaften. „Wenn nicht die Kinder, der Bauernhof und die Eltern zu pflegen gewesen wären, wäre ich schon viel früher heraufgekommen. Es war die Chance meines Lebens. Aber ich hab auch viel Freude, Herzblut und Durchhaltevermögen gebraucht.“

Schönstes Hüttenbad der Alpen

Dabei kann die Compton-Hütte mit ihren acht Betten durchaus mit Hotelstandard aufwarten: Es gibt auch im Matratzenlager für insgesamt elf Gäste jeden Tag frische Bettwäsche, das Bad ist das wahrscheinlich schönste Hüttenbad Österreichs, komplett mit Kinderstockerl, Heizung, frischen Badetüchern und Damenhygieneartikeln, und das Essen macht jedem Vitalhotel im Tal Konkurrenz.
An den Fensterläden und in der blitzblanken, mit Fossilien und Blumen geschmückten Stube hängen Drucke des genialen englischen Hochgebirgsmalers Edward Theodore Compton (1849–1921). Durch eine Lungenkrankheit entdeckte der Londoner seine Liebe zu den Bergen. Auf dem Gipfel des Reißkofel war er auch, denn ihn verband eine Freundschaft mit Balthasar Niedermüller, dem Obmann der damaligen Alpenvereinssektion Kärntner Oberland.

Niedermüller benannte seinem Freund zu Ehren posthum das 1927 erbaute Schutzhaus Edward- Theodore-Compton-Hütte. Bei der Eröffnungsfeier vermachte Comptons Sohn Harrison der Hütte ein Originalgemälde seines Vaters. Das hing lange Zeit in der Stube, bis es irgendwann verschwand. Ansonsten ist die Hütte im restaurierten Originalzustand. „Diese alte Bausubstanz ist unbezahlbar, alles handgemacht“, erinnert sich Toni Taurer andächtig. „Man kann kaum einen Nagel in die Wandvertäfelung schlagen, so hart ist das Holz. Wahnsinn, wie viel Arbeit in dieser Hütte steckt. Alles mit der Hand geschnitten und zu Fuß heraufgetragen.“ Der kürzeste Anstieg zur Hütte über den Reißgraben dauert zwei Stunden. Wer über Nacht bleiben will, kann von Weißbriach über den befestigten und beschilderten Gitschtaler Almenrundweg herwandern. Für Alpinkletterer ist die Reißkofel-Direttissima eine lohnende Tagestour. Familien mit Kindern können auch das Toni-Taxi benutzen und sich am Parkplatz abholen lassen.

Für Kinder ist die Hütte ein Traum, es gibt nichts Gefährliches rundherum. Stattdessen ein eigenes Kinderholzhaus, eine Sandkiste, Kindertische und viel, viel Spielzeug. Das ist vor allem den vier Enkelkindern von Toni und Maria zu verdanken, die oft auf der Compton-Hütte sind. Wobei Fossiliensammler und Ziehharmonikaspieler Luca das hütteneigene Ansichtskartengeschäft mittlerweile an Schwester Miriam abgetreten hat, die nun fleißig die Gäste befragt: „Hast schon a Ansichtskarte? Kostet nur einen Euro und das Geld darf ich behalten.“ Allerdings sind diese Ansichtskarten zweidimensional. Für den echten Genuss muss man schon selbst heraufkommen.

HÜTTENSTECKBRIEF

Die E.T.-Compton-Hütte liegt auf 1650 Metern Seehöhe am Fuß des Reißkofels im Drautal. Es gibt vier Zweibettzimmer, ein Viererlager und ein Siebenerlager zum Übernachten. Die heißen Duschen sind gratis, ebenso die E-Bike-Ladestation und der Gepäcktransport. Die Hütte ist ideal für Familien mit Kindern, Hunde sind nach Absprache mit dem Pächter ebenso willkommen. Es gibt Strom, Wasser und Mobiltelefonempfang und eine separate Stube, die für Seminare geeignet ist.

Ein besonderes Highlight in der Umgebung ist die alpine Kletterroute Reißkofel-Direttissima mit 17 Seillängen, eingebohrten Haken und Ständen. Ein Topo (grafische Darstellung der Kletterroute) ist in der Hütte ausleihbar. Die Pächter beobachten die Kletterer gern mit dem Fernrohr. Schön und lohnend ist der teilweise gesicherte Steig auf den Reißkofelgipfel, für kleine Kinder ist ein Spaziergang zur Pließalm empfehlenswert.

Zustiege

  • Greifenburg-Weißensee (645 m), Gehzeit: 4 Stunden
  • Weissbriach (817 m), 3:30 Stunden
  • Ebenberg über Reißgraben, 2 Stunden
  • Reißkofelbad (für Geübte): 4:30 Stunden

Nachbarhütten

  • Reisskofel-Biwak (1799 m), Gehzeit: 4:45 Stunden
  • Weissbriacher Hütte (1567 m)
  • Gehzeit: 3:15 Stunden
  • Pließalm (1800 m)
  • Gehzeit: 1 Std.

Touren

  • Reißkofel (2371 m)
  • Gehzeit: 3:15 Stunden
  • Grafendorfer Kofel (2320 m)
  • Gehzeit: 3:30 Stunden
  • Dristallkofel (2200 m)
  • Gehzeit: 2 Stunden
  • Gitschtaler Almenrundweg
  • Weißbriach–Gösseringgraben– Pfarreben–Compton-Hütte (Übernachtung)– Reißkofeltörl–Dristallkofel–Möselalm –Weißbriach
  • Gehzeit gesamt: 8 Stunden
  • Reißkofel-Direttissima:
  • Kletterei im V. Grad, alpin mit gebohrten Haken
  • Wandhöhe ca. 500 m
  • Kletterzeit ca. 5 Stunden

Bewirtschaftung
Mitte Juni bis Mitte September, im Juni und September nur zeitweise geöffnet.
Kontakt: Peter Raunig, 9771 Berg im Drautal, 0664/590 89 62; peter.raunig@gmx.de, www.alpenvereinaktiv.com

Zollnersee Hütte: 4. Juni bis 9. Oktober 2016, Pächter Maria & Anton Taurer.
Anschrift Hütte: Am Zollner 14,
A-9635 Dellach, Gailtal, Hütten-Tel.: 0676/960 22 09, office@oeav-obergailtal.at; maria.taurer@aon.at

„Cola hat's bei mir keines gegeben“, sagt Maria. Und so hält sie es auch auf der Zollnersee Hütte, einen Höhenzug weiter im Süden in den Karnischen Alpen, die Maria und Toni in diesem Jahr gepachtet haben. Stattdessen kredenzt sie wie auf der Compton-Hütte Hollersaft, Melissensaft und Kräuterlimonade – alles selbst gemacht, versteht sich. Auch das Brot ist hausgemacht. Die Köchin aus Leidenschaft serviert ihren Gästen köstliche Heidenmehlfritatten, Dinkelgriesnockerl und Kärntnernudeln aus Weizenvollkornmehl. Die heißen hier übrigens noch bis Greifenburg Krapfen, wie in Osttirol.
Fleisch gibt's entweder auch vom Biobauern in der Nähe oder direkt aus dem Wald. „Wir haben drei Jaga in der Familie, da gibt es immer wieder mal ein Wildschmankerl für unsere Gäste.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2016)

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