Messenien: Ein Falke zum Frühstück

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Griechenland I. In Costa Navarino dreht sich viel um Artenschutz, Aristoteles und angewandte Kulinarik.

Horden an geduckten Gestalten schleichen durch die Dunkelheit. Nur wer Adleraugen hat, der kann sie in mondklaren Nächten manchmal sehen, wie sie vorsichtig den Strand queren, um sich rasch ins rettende Meer zu stürzen. Allein im Vorjahr waren es 540 Junge, die dank vorsorglicher wie fürsorglicher Schutzmaßnahmen unbehelligt in die kristallklaren ionischen Fluten abtauchen konnten – zur Freude von Umweltschützern, Tierfreunden und schlaflosen Touristen. Das ehrgeizige Engagement von Resortbetreibern und Artenschutzorganisationen zeigt Wirkung: Der Fortbestand der vom Aussterben bedrohten Meeresschildkröte Caretta Caretta ist fürs Erste gesichert. Zumindest im Gebiet von Costa Navarino, einem Resort mit mehreren Betrieben auf dem westlichsten Finger des Peloponnes, in Messenien.

Diese luxuriöse Urlaubsdestination bietet auf einer Gesamtfläche von 1000 Hektar gewissermaßen paradiesische Zustände für Flora, Fauna und Feriengäste. Auf den ersten Blick sieht auf dem riesigen Gelände alles ganz urwüchsig aus. Menschenleere Sandstrände, jahrhundertealte Olivenhaine, geheimnisvolle Wasserfälle und eine bizarre Lagunenlandschaft verleihen dem Areal nahezu bukolischen Reiz. Wer genau hinschaut, bekommt mit etwas Glück sogar eines der seltenen afrikanischen Chamäleons vor die Linse. Oder ein paar Flamingos beim Familienausflug. Immerhin bevölkern mehr als 270 Vogelarten diese Region, die nach wie vor fernab massentouristischer Routen liegt. Was durchaus im Interesse der Hotelbetreiber ist, die sich dem nachhaltigen Naturschutz verschrieben haben.

Alle Gebäude der Anlage wurden im Zeichen traditioneller Handwerkskunst und lokaler Bauweisen errichtet, während die kulinarischen Köstlichkeiten – vom Salat bis zu den Weinen – meist aus dem eigenen Bioanbau stammen. Ganz zu schweigen von den handverlesenen Kalamata-Oliven, deren jungfräuliches Öl mit weniger als 0,4 Prozent Säuregehalt Gaumen wie Magen schmeichelt.
Damit auf Costa Navarino nicht einmal ein frecher Spatz Gefahr läuft, ungewollt Federn zu lassen, wurde Hermes engagiert: Der mächtige Falke wacht mit unbestechlichem Auge über das gigantische Frühstücksbuffet, da allein sein imposanter Anblick genügt, um die diebischen Gesellen vom morgendlichen Mundraub abzuhalten. Zu „Kampfhandlungen“ kommt es dabei nie, die Spatzen halten die naturgegebene Rangordnung ein. Hungern müssen sie ohnedies nicht. Bei fast zwei Dutzend Gourmetrestaurants, Lounges und Ice Bars fällt für Genussspechte wie Haussperlinge nur das Allerbeste ab. Im neu eröffneten Perovino steht sogar der römische Michelin-Starkoch Andrea Fusco am Herd.

Signature-Golf, Philosophengespräch

Der Brückenschlag zwischen hohen touristischen Ansprüchen und dem antiken Erbe Griechenlands ist dem Resort des „Capitano“ Vassilos Constantakopoulos aber auch auf den zweiten Blick geglückt. Neben mykenischen Tempeln, byzantinischen Kirchen und autochthonen Bauernhöfen scheint auch die ausgedehnte Urlaubsanlage Teil der authentischen Landschaft Messeniens zu sein. Wobei besonders der Golfplatz mit seinem spektakulären Blick auf die See landschaftsarchitektonisch wie botanisch bemerkenswert scheint. „The Dune Course“ wurde vom ehemaligen US Masters Champion und Ryder Cup Captain Bernhard Langer entworfen, der 18-Loch-Championplatz stellt hohe Ansprüche an den Golfer. Da kann es schon einmal passieren, dass der Ball nicht wie erhofft im Loch, sondern im angrenzenden Kräutergarten oder auf der gleichfalls nahen Zitrusplantage landet. Was dem Spiel eine durchaus intensive, aromatische Note verleiht. Ein Rosmarin-Green oder einen Orangen Fairway hat eben nicht jeder.

Doch in Costa Navarino ereilt das urlauberische Paradoxon der spannenden Entspannung auch die jeglichem Sport abgeneigten Besucher. Philosophische Spaziergänge etwa bringen auch notorisch sesshafte Menschen auf Trab, zumindest gedanklich. Auf den Spuren von Aristoteles, Heraklit und Platon wandelt man dann bis zum alten Apfelbaum inmitten der noch älteren Olivenhaine, wo „echte“ Philosophen den interessierten Gästen Rede und Antwort zu antiken Schriften und aktuellen Thematiken stehen.

Hylopites und Tiganites

Da Frischluft und Gehirnakrobatik bekanntlich Appetit machen, werden während der „Denkpausen“ deliziöse Häppchen nach Rezepten des alten Griechenland serviert. Was nach bedrohlichen Zyklopen oder siegreichen Helden der legendären Seeschlacht von Navarino klingt, sind in Wahrheit authentische griechisch-messinische Gaumenschmeichler, die einzig und allein dem Bauchumfang gefährlich werden. Außer man bereitet sie mit eigenen Händen zu. Was – vor allem im Fall der Hylopites, traditionellen hellenischen Nudeln, so viel Energie vorab verbraucht, dass man sich um kalorische Kollateralschäden keinerlei Gedanken mehr machen muss.

Loula und Anna, die beiden Küchenchefinnen und Lehrmeisterinnen dieses „authentic village cooking course“, lassen jedenfalls bei den Teilnehmern weder Gnade noch Nachsicht walten, was die Beschaffenheit des Nudelteigs betrifft. Nur mit der eigens dafür vorgesehenen dünnen Stange darf die klebrige Masse ausgewalkt werden, und dann bitte auch noch mit ganz viel Fingerspitzengefühl, guter Laune und einer Dreifachdosis Geduld. Aber das Ergebnis, in hauchdünne Streifen geschnitten, ist jede Mühe wert. Und der Geschmack der kleinen, mit Schafskäse, Nüssen, Honig oder Traubenmost gefüllten Schrumpfomeletts (Tiganites) macht jede „Überstunde“ der Küchenlaien wett.

Dazu stehen dann noch weingeistige Hühner in Tomatensauce, überbackene Melanzani (Tourlou) sowie ein schnell gerührter und langsam genossener Galopita, ein Dessert aus Milch, Gries und Zitronenzesten, auf dem kulinarischen Pflichtprogramm. Dank der Unterstützung von Anna und Loula gerät die Pflicht allerdings rasch zur Kür, und ein anhaltendes Stimmungshoch legt sich über Herd und Hobbyköche. „καλή όρεξη“ (guten Appetit) kann man da nur sagen. Und vielleicht ein Lied anstimmen: „Griechischer Wein“, das würde sich anbieten.

Zum Ort, zur Lage

Costa Navarino Dunes in Pilos besteht aus exklusiven Hotel wie The Romanos und The Westin Resort, einem 4000 m2 großen Spa und Griechenlands erstem Signature-Golfplatz. Kochkurse, Golf, Ausflüge zur Gialova-Lagune, philosophische Spaziergänge und Veranstaltungen wie das Architecture & Democracy Weekend, von 16. bis 18. September, mit bekannten Gastreferenten wie Patrick Schumacher und Paul Krugmann. www.costanavarino.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2016)

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