Robin Wright: „Beim Film wird man zur Ware“

Robin Wright: „Beim Film wird man zur Ware“
Robin Wright: „Beim Film wird man zur Ware“(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
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Robin Wright hat keine Angst vor dem Alter und lässt keine Schönheitschirurgen an sich heran.

Die amerikanische Schauspielerin Robin Wright steht nicht gern im Rampenlicht, auch nach mehr als dreißig Berufsjahren hat sie sich nicht daran gewöhnt. Schon mit vierzehn arbeitete sie als Model in Paris und Japan. Doch nach ihrem Schulabschluss wollte sie Schauspielerin werden, bekam zunächst Rollen in TV-Seifenopern. Ihr Ziel, im Filmgeschäft Fuß zu fassen, verlor sie aber nie aus den Augen und erhielt schließlich ihre erste Hauptrolle in „Die Braut des Prinzen“, der ein großer Erfolg wird. Der internationale Durchbruch als Schauspielerin gelang Wright an der Seite von Tom Hanks in „Forrest Gump“ (1994). Zwei Jahre später heiratete sie ihren Schauspielkollegen Sean Penn, mit dem sie zwei Kinder hat; die Scheidung folgte nach dreizehn Jahren.

Seitdem nennt sie sich wieder Robin Wright, strich Penn aus ihrem Nachnamen. Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde zuletzt ihr neuer Film „The Congress“ vorgestellt, nach Stanislaw Lems „Der futurologische Kongress“: Eine Filmschauspielerin verkauft ihr digitalisiertes Erscheinungsbild und verspricht, nie wieder aufzutreten. In dem Film von Regisseur Ari Folman geht es auch um die Zukunft des Starkults im Kino. Im Gespräch mit dem „Schaufenster“ spricht sie über schönen Schein und das Bild des naiven Mädchens.

In „The Congress“ spielen Sie eine 44 Jahre alte Schauspielerin, deren Karriere zu Ende geht. Sie sind jetzt siebenundvierzig, wie wird es denn mit Ihrer Karriere weitergehen?
Ich kann mich wirklich glücklich schätzen. Genau aus dem Grund, den dieser Film behandelt. Es heißt ja, wenn du erst einmal vierundvierzig bist, dann bist du erledigt, weil du zu alt bist. Du bist kein Mega-Star geworden, du hast es nicht geschafft. Und du gehst nicht regelmäßig zu diesen Botox-Partys, um dir das Zeug unter die Haut spritzen zu lassen, wie viele meiner Kolleginnen, die das regelmäßig tun. Aber ich habe in den vergangenen fünf Jahren mehr Filme gedreht als je zuvor. Früher habe ich im Schnitt nur einen gemacht, weil ich mich um meine Kinder kümmern wollte. Und ich bekomme immer noch Angebote, anspruchsvolle Rollen, und ich klopfe jetzt einmal schnell auf Holz, dass das so bleibt.

In „The Congress“ geht es auch um die Sehnsucht, für immer jung zu sein. Obwohl es beruflich großartig für Sie zu laufen scheint, denken Sie denn nicht manchmal: Ach, es wäre doch schön, noch einmal zwanzig Jahre alt zu sein?
Nein. Sie könnten mir noch so viel Geld anbieten, aber ich möchte nie wieder zwanzig sein . . . (lacht). Das war doch damals ein echter Albtraum! Viel zu anstrengend. Die vielen Tränen und der ständige Selbstzweifel: Ich konnte mich selbst nicht ausstehen und dachte natürlich auch, dass alle anderen mich hassen. Nein, vielen Dank, das möchte ich nicht noch einmal erleben! Ich finde es wirklich sehr viel besser, älter zu sein.

Aber spüren Sie in Hollywood denn nicht doch manchmal den Druck, für immer jung aussehen zu müssen? Gerade die Traumfabrik ist ja für ihren Jugendkult bekannt.
Ich mache mir Sorgen, dass sich das Publikum irgendwann an diese gelifteten Gesichter gewöhnt hat. Denn sollten die Zuschauer Falten nicht mehr sehen wollen und sich bei deren Anblick unwohl fühlen, dann bekommen Leute wie ich keine Rollen mehr. Und damit meine ich Schauspieler, die nicht zulassen, dass an ihrem Gesicht herumgeschnitten wird. 

Aber das geschieht doch bereits. Viele ältere Schauspielerinnen, die nicht das Glück einer Meryl Streep haben, werden nur noch selten bis gar nicht besetzt.
Es ist furchtbar, ich weiß. Ich bete dafür, weiter arbeiten zu dürfen und in Würde zu altern.

Wie kann es sein, dass der schöne Schein heute mehr wert ist als der Inhalt eines Films?

Das ist traurig. Das Filmgeschäft ist eine einzige große Werbeindustrie geworden. Und die Menschen wünschen sich, prominent zu sein. Sie ziehen sich täglich all diesen Müll über Schauspieler rein. Es ist wie eine Droge: Wer ist ihr neuer Liebhaber? Was machen sie? Oh, mein Gott, sie gehen schwimmen, einkaufen und bohren in der Nase. Aus irgendeinem Grund findet man das faszinierend, und wir sind wie Tiere in einem Zoo. Wenn es um das Aussehen der Schauspieler geht, funktioniert es wie ein Geschäft, nach den Gesetzen des Marktes. Es ist wie ein Werkzeug, das man benutzt. All die jungen Schauspielerinnen müssen sich diesem Regime unterwerfen und werden in Schubladen gesteckt. Nach diesem Muster ist Jennifer Lawrence natürlich die neue naive Blondine, um die sich derzeit alles dreht. 

Inzwischen gibt es doch viele sehr hochwertige Fernsehserien.
Deswegen wenden sich auch immer mehr Schauspieler dem Fernsehen zu. Die Leute dort arbeiten mit tollen Drehbüchern und bieten einem unglaubliche Rollen an. Beim Kabelfernsehen gibt es auch nicht die Beschränkungen, die wir bei Kinofilmen haben. Ich denke an „House of Cards“, eine Serie über die Intrigen im US-Politikbetrieb, in der ich mitspiele und die „Netflix“ im Internet zeigt. 

Finden Sie es denn mittlerweile interessanter, Fernsehfilme oder TV-Serien zu drehen anstatt in Kinofilmen mitzuwirken?
Das ist ein ziemlich weites Feld und eine schwierige Frage. Ich lese nicht jedes Drehbuch, das auf dem Markt ist. Ich kann mich noch nicht einmal daran erinnern, wann ich das letzte Mal im Kino einen aktuellen Film gesehen habe. Die sind nun einmal nicht nach meinem Geschmack. Die Paradigmen haben sich komplett verschoben. Wir erleben jetzt eine ganz andere Filmlandschaft. Und wir müssen uns alle in dieser neuen Welt zurechtfinden. Die Filmindustrie hat sich in den vergangenen zehn Jahren vollkommen verändert.

Fans lieben Sie vor allem für Ihre Filme „Die Braut des Prinzen“ und „Forrest Gump“. Nervt Sie das? 

Nein. Diese Filme sind Klassiker und damit zeitlos. Bis jetzt hat sich jede Altersgruppe von diesen Filmen angesprochen gefühlt. Und ich habe darin mitgewirkt! Das empfinde ich als eine Ehre. Irgendwie fühle ich mich ein bisschen wie ein Veteran, der seine alten Geschichten erzählt. Wenn ich mir vorstelle, dass sich auch junge Menschen diese Filme anschauen, komme ich mir wie eine Großmutter vor.

Als Sie diese beiden Rollen gespielt haben, waren Sie auf dem besten Weg, ein von allen geliebter Jungstar zu werden. Aber das wollten Sie nicht. Warum eigentlich nicht?
Die Leute aus der Filmindustrie wollten, dass ich das werde. Ich werde jetzt aber keine Namen nennen. Diese Leute dachten sich, dass sie mit mir Geld machen könnten. Das gehört nun einmal zum Geschäft. Und das war schon immer so. In den 1940er-Jahren war es so, dass die Schauspieler faktisch Eigentum der Studios waren. Seitdem hat sich nicht wirklich etwas geändert. Außer dass Schauspieler heute mehr Geld verdienen und ein paar Entscheidungen selbst treffen dürfen. Aber jetzt schweife ich vom Thema ab. Sie wollten das naive Mädchen aus mir machen, nachdem ich die Rolle der Buttercup gespielt hatte. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Wie ist es Ihnen gelungen, nicht den Stempel „naives Mädchen“ aufgedrückt zu bekommen?
Ich habe einfach viele Rollen abgelehnt. Die haben mich nicht vom Hocker gehauen, ich fand sie einfach nur uninteressant. Ich erinnere mich genau an die Zäsur, es war nachdem ich „Forrest Gump“ gedreht hatte. Damals entschied ich mich dagegen, auf dem Titelfoto der „Vanity Fair“ zu erscheinen. Das war wie Blasphemie. So etwas tut man nicht. Ich erinnere mich, dass ich damals einige Rollen in kommerziellen Filmen nicht bekam, die ich gern gehabt hätte. Ein paarmal hörte ich folgenden Kommentar: Wenn du die Sache mit „Vanity Fair“ gemacht hättest, dann hätte es auch mit diesen Filmprojekten geklappt.

Sie hätten das Spiel also mitspielen müssen. Was hätten Sie tun müssen, um die Rollen zu bekommen?

Diese Leute sind ziemlich geradeaus. Wenn du lächelnd den ganzen Werbezirkus mitmachst, nett auf dem roten Teppich posierst und keine Chance ungenutzt lässt, dann kann aus dir ein Star werden. Dann hast du einen größeren Wiedererkennungswert, Magazine und Zeitschriften werden auf dich aufmerksam, auf den Titel kommt dein Foto, das die Leute dann im Supermarkt anstarren. Du wirst zu einer Ware. Willst du das alles aber nicht mitmachen und entscheidest dich dagegen, bist du nicht profitabel. 

TIPP

„The Congress“von Ari Folman, Sci-Fi-Animationsfilm, ab 11. Oktober in den österreichischen Kinos.

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